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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 14.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Zur gefälligen Beachtung!

Für diejenigen Leser unseres Blattes, welche in unsern Abonnentenkreis erst mit diesem Quartale eingetreten sind, wiederholen wir, daß im Laufe desselben der Abdruck der nachstehend verzeichneten Novellen beginnen wird:

Im Hause der Bonaparte. Von Max Ring. – Das Mädchen von Liebenstein. Von Friedrich Bodenstedt. – Reichsgräfin Gisela. Von E. Marlitt. Die Redaction. 




Drei Blumen am Wege eines Hagestolzen.

Von Arthur von Loy.

„Könnten Sie sich entschließen, mein lieber Herr Präsident von Mebes, an einem Damenkaffee Theil zu nehmen?“ fragte mich Frau von K., als ich ihr heute Morgen in der Friedrichsstraße begegnete.

„Meine Gnädigste!“ stammelte ich erschrocken und besann mich auf einen passenden Vorwand, um absagen zu können.

„Nun, Sie werden noch einige Herren bei mir finden,“ fuhr Frau von K. ermuthigend fort, „allein die Hauptsache besteht darin, daß ich Sie mit drei einstigen Flammen, die Ihr Herz in früherer Zeit so heiß durchlodert haben, nach fünfzehnjähriger Trennung wieder zusammenbringen will. Sie ahnen wohl schon, von wem ich rede: Frau von Rüdel, ehemals unsere schöne Ada Schwanfeld, die Regierungsräthin Reich, früher Ihnen als Gretchen Hein bekannt, und Frau von Arnim, geborene Gräfin Gansberg, meine Nichte. Diese drei jungen Frauen sind augenblicklich in Berlin anwesend, ich habe sie mit ihren Männern und Kindern heute Nachmittag zum Kaffee eingeladen und möchte mir nun gern die kleine Genugthuung verschaffen, diese einst von Ihnen mit junggesellenhaftem Egoismus verschmähten Mädchenblumen Ihnen jetzt als glückliche, zufriedene Frauen vorführen zu können. Herr Präsident, ich rechne auf Ihr Erscheinen!“

„Mit Dank nehme ich Ihre gütige Einladung an,“ erwiderte ich schmunzelnd, „doch Sie haben mir da die Rolle des Esels zwischen zwei Bündeln Heu zuerkannt, während ich leider die des Fuchses spielen mußte, dem die Trauben zu hoch hingen.“

„Ach, liebster Präsident, leere Ausflüchte!“ rief Frau von K. lachend aus. „Eine von den Dreien hätten Sie damals durchaus heirathen müssen. Man denke nur, vor fünfzehn Jahren waren Sie ein leidlich hübscher, noch jugendlicher Ober-Regierungsrath, in einer kleinen Stadt unverheirathet lebend. Ist ein solcher Mann mit zweitausendfünfhundert Thalern jährlichen Gehalts nicht moralisch verpflichtet, ein armes hübsches Mädchen zu nehmen? Ganz Y. war damals Ihretwegen in Aufruhr, die Mütter zerrissen sich, die Väter ließen es sich Geld kosten, arrangirten Bälle und Landpartien, schenkten ihren Töchtern schöne neue Kleider – doch Sie blieben kalt und hart wie ein Kieselstein und gingen wieder fort, wie Sie gekommen waren – unbeweibt, – mit der Rangerhöhung als Präsident.“

„Meine Gnädigste, ich weiß, ich lohnte Ihre wohlmeinenden Heirathspläne stets mit Undank, aber ich küsse Ihnen die Hand für die süße Strafe, das eheliche Glück meiner einstigen Herzensköniginnen diesen Nachmittag mit eigenen Augen schauen zu dürfen.“

Damit zog ich den Hut und empfahl mich meiner Gönnerin. Langsam und gedankenvoll schlenderte ich die Straße hinunter. Mit Frau von K.’s Worten war ein Stück grünes Jugendland, sonnig hell, aus den Erinnerungsnebeln meiner Vergangenheit emporgetaucht. Ada Schwanfeld, – Gretchen Hein, – Gräfin Agnes Gansberg, diese Namen hatten heute so wunderbar an mein Ohr geschlagen, sie, die mich einst täglich wie freundliche Gedanken und neckende Falter umschwirrten und die dann jahrelang stumm waren. Die Namen, bei denen mein vierzigjähriges Herz gepocht wie ein banges Schülerherz, die letzten frischen Blumen an meinem Junggesellenwege, die holden Mädchengestalten wurden mir wieder lebendig, als hätte ich sie erst gestern gesehen.

Vor zwanzig Jahren kam ich als Ober-Regierungsrath nach Y., einer kleinen finstern Festung in Pr. Dort verkehrte ich viel in dem gastfreien Hause von Frau von K., deren Mann Commandant der Festung war. Frau von K., eine kinderlose Dame, hatte eine große Vorliebe für hübsche junge Mädchen, die sie gern zu sich einlud und noch lieber unter die Haube brachte. Gerade damals hatte sie sich drei besonders hübsche Edelsteine als Lieblinge auserkoren, damit diese in der goldenen Fassung ihres Schutzes und ihrer Gesellschaften glänzten: die einzige Tochter des Platzmajors, die sechszehnjährige Ada Schwanfeld, Gretchen Hein und ihre eigene Nichte, Gräfin Gansberg, oder, wie wir Junggesellen diese Drei in unserem Mittwochsclub bezeichneten: die Purpurnelke, der Sturmwind und – der rothe Titian.

Die interessanteste und bedeutendste dieser drei Grazien war unstreitig Ada, die Purpurnelke; noch besser hätte man sie vergleichen können mit einer traumhaft schönen wilden Blume des Südens, einsam im Geranke wehend. Sie wohnte mit ihrem Vater in einer ehemaligen Curie, einem alten finstern Gebäude

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_209.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2019)