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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

übertragen, einen nach dem anderen ihrer großen Feldherrn mußte die Nation abgesetzt und entehrt sehen, für kein anderes Vergehen, als weil sie den Willen der Nation und nicht die Willkür Johnsons befolgen wollten, - in Memphis, in New Orleans wurden durch seine Veranlassung Unionsleute in Massen von wütenden Rebellenbanden hingeschlachtet. Nirgends fanden die Unionsleute und Schwarzen Schutz, in Texas allein wurden deren seit Einstellung der Feindseligkeiten über zweitausend ermordet! Das innerste Steuersystem wurde in die Hände seiner Creaturen gelegt, die den Staatsschatz in einem Jahre bei der Branntweinsteuer allein für über dreihundert Millionen bestahlen; alle Departements (Ministerien) waren zu einem Pfuhle der Corruption und Nichtswürdigkeit herabgewürdigt worden, so daß jeder Mann mit einem letzten Funken von Redlichkeit sich davon entfernt hielt, während der Auswurf der Gesellschaft täglich in wichtige Ämter einrückte. Auf den Bericht des Generalstaatsanwalts Stanbery wurden Postdiebe, Fälscher, Falschmünzer und untreue Cassenbeamte dutzendweise begnadigt, und derselbe Beamte hatte die Frechheit, in dem Supreme-Court (dem obersten Gerichtshofe) zu erklären, daß er die vom Congreß erlassenen Gesetze nicht vertheidigen wolle. Das Flottendepartement verschleuderte und stahl viele Millionen, und sein stumpfsinniges Haupt machte es sich zum Vergnügen, die besten und redlichsten Officiere zu verfolgen, weil sie keine Anhänger der Administration waren. Der Schatzsekretär (Mac Culloch) sah ruhig zu, wie viele Millionen in die Taschen von Dieben wanderten, von Parteigängern geraubt oder in einer Casse gewendet wurden, um bei den Wahlen Bestechungen in großartigen Maßstabe vornehmen zu können. Der Secretär des Innern (Browning) ließ den nichtswürdigsten Landschacher zur Anschwellung der Taschen der Landhaifische und zum Nachtheil der Einwanderer ebenso ruhig geschehen, wie die betrügerischen Indianercontrakte und die bezahlte Ausdehnung von Patenten. Gegen das Postdepartement wurden die Anlagen so dringend, daß der Congress sich genöthigt sah, ein Untersuchungscomité zu ernennen, während das Orakel im Staatsdepartement (Seward) widerwärtiger und oft beleidigender Selbstverherrlichung seine ganze Pflicht im Schreiben von schwülstigen, unverdaulichen Depeschen fand, ohne den Muth zu haben, die Rechte der Nation und ihrer Bürger zu vertreten.

Und noch immer schwieg die Nation, noch immer trug sie das Joch, daß ihr ein roher, unsittlicher, verrätherischer Zufallspräsident aufgelegt. Noch immer verwarf die Majorität des Hauses den Antrag auf Anklage „des größten Verbrechers der Weltgeschichte“, wie ihn mehrere Redner jüngst nannten. So conservativ ist ein wahrhaftfreies und seiner macht sich bewußtes Volk! Gleich dem starken Mann im Vollgefühle seiner körperlichen Kraft, seines sittlichen Werthes, seiner geistigen Errungenschaften, nimmt es vielen Hohn der Zwerge hin, die da träumen, sie könnten seiner ganz Herr werden. Aber „es kommt ein Tag, da wird Euch Herren grauen!“.

Und er ist gekommen, dieser Tag!

Zweimal hatte ich die prächtige Halle der Repräsentanten trostlos und, ich will es gestehen, mit Wuth im Herzen verlassen. Die Massen des Capitols, sie schienen mir auf einer einzigen Brust zu legen und diese Brust die meine. „Wann,“ so fragte ich mich, „werden diese Advocaten und Aemterschacherer endlich den Muth finden, dem verwegenen Verbrecher im Weißen Hause ein Halt! zuzurufen und die Nation zu retten?“ Ist es denn Schicksalsschluß, das keine Nation ungestraft unter Bajonneten wandelt, auch wenn ihr der Stahl zur Selbstvertheidigung aufgedrängt wird? Kann denn der herrliche alte Stevens, der Cato des Hauses, das nie schweigende Gewissen des Hauses, noch immer nicht zur Ruhe kommen, den er lebt ja nur noch in dem Gedanken, sein Volk von Schande und Verderben zu retten?"

Da schlug die Stunde! Ein leises Schnurren des gouvernementalen Räderwerkes hatte dem aufmerksamen und vertrauten Beobachter verrathen, daß sich etwas Ungewöhnliches vorbereite!

Präsident Johnson hatte im August 1867 den Kriegsecretär Stanton suspendirt, weil er - der einzige im Cabinett - dessen verrätherischen und gesetzwidrigen Verfahren nicht zustimmen wollte. General Grant war interimistisch mit dem Kriegsdepartement betraut worden. Einer der ersten Beschlüsse des Senates nach seiner regelmäßigen Versammlung im December vorigen Jahres war gewesen, am 13. Januar 1868 die Suspension Stantons als gesetzwidrig Aufzuheben, worauf Grant sofort das Departement Stanton wieder zurückstellte.

Es folgte dann eine sehr unerträgliche Correspondenz zwischen Präsident Johnson und General Grant über die Frage, ob letzterer ersterem nicht versprochen gehabt habe, das Departement an ihn, den Präsidenten, und nicht an Stanton zurückzuerstatten, deren unwidersprüchliches Ergebnis war, daß der Präsident sich bemüht hatte, Grant zu veranlassen, das Gesetz zu verletzen, indem er dem Senatsbeschlusse nicht nachkäme. Es klang wie Kinderspiel, wenn wir lasen, daß Johnson sich erboten hatte, die dafür gegen Grant auszusprechende Geld- und Gefängnißstrafe zu zahlen, resp. abzusetzen. Ein zweites ebenso wichtiges Ergebniß jenes (natürlich veröffentlichten) Briefwechsels war die Überzeugung, daß entweder der Präsident oder General Grant ein Lügner war. Die populäre, auf die Vergangenheit Johnson’s gegründete Annahme, daß dieser der Lügner sei, fand in den Antworten der Cabinettsmitglieder, während Äußerung Johnson gefordert hatte, ihre Bestätigung.

Die Correspondenz schloß mit einer sehr energischen Erklärung des General Grant, deren letzte Worte ich hier anführen will, das sie als charakteristisch für den Mann sowohl wie für die Art und Weise, wie in den Vereinigten Staaten Jedermann auch dem höchsten Beamten gegenüber seiner Rechte und seine Stellung vertritt, auch für europäische Leser von Interesse sein dürfte wie. „Das Verfahren, zu welchem ich mich nach Ihrer Annahme verpflichtet haben soll, würde gegen das Gesetz verstoßen haben, während dasjenige, welches ich befolgen werde und von dem ich stets annahm, daß Sie es kannten, mit dem Gesetze übereinstimmen und keinen Befehle meiner Vorgesetzten zuwiderläuft. Und nun, Herr Präsident, entschuldigen Sie mich, wenn ich erkläre, daß, wenn meine Ehre als Soldat und meine Lauterkeit als Mann so heftig angegriffen wurden, ich diese ganze Angelegenheit von Anfang bis zu Ende nur als einen Versuch ansehen kann, mich in eine Auflehnung gegen das Gesetz zu verwickeln, für welche Sie zögerten die Verantwortlichkeit zu übernehmen, um auf diese Weise meine Stellung vor dem Volke zu ruinieren. Bis zu einem gewissen Grade bin ich in diesem Schluße durch Ihren letzten Befehl bestärkt worden, wodurch ich angewiesen werde, den Befehlen des Kriegsecretairs, meines Vorgesetzten und Ihres Untergebenen, keine Folge zu leisten, ohne daß Sie jedoch seine Autorität widerrufen, der ich dennoch nicht horchen soll. Mit der Versicherung, Herr Präsident, daß nichts Geringeres als die Rechtfertigung meiner persönlichen Ehre und meines Charakters mich zu meinem Antheile in diesem Briefwechsel bewegen konnte, habe ich die Ehre zu sein etc. etc. U.S. Grant, General.“

Dieses Ereigniß, dessen Folgen natürlich eine heftige Spannung zwischen dem Präsidenten und dem General der Armee war, stürzte alle tief angelegten Pläne des Ersteren über den Haufen. Es waren dieselben aber keine anderen, als den General so an sich und seine Absichten zu fesseln, daß der Congreß es nicht wagen würde, sich im länger zu widersetzen, und daß, wenn er es dennoch thäte, bei einem geschlossenen Staatsstreiche das Militär, oder doch der General der Armee, auf des Präsidenten Seite stände. Daß dies Johnson’s Absicht war, darüber hegte Niemand einen Zweifel, der die Schritte desselben seit zwei Jahren beobachtet hatte.

Johnson mußte nun ein Mittel finden, um dem ihm als Feind gegenüberstehenden Grant, durch dessen Hände, nach einem im verflossenen Jahre erlassenen Gesetze, alle militärischen Ordres zu gehen hatten, wo möglich das Heft zu entreißen, oder doch einen mächtigen militärischen Gegner in der Bundeshauptstadt gegenüberzustellen. Er erließ daher mit Umgehung des Kriegssecretärs Stanton, den er absolut ignorierte, als oberster Kriegsherr des Heeres und der Flotte zwei Befehle, in deren erstem er ein neues Militärdepartement, das atlantische, mit dem Hauptquartier in der Bundeshauptstadt bildete und in deren zweitem er den Generallieutenant J. Sherman zum Brevet-General der Armee ernannte und ihm das neugebildete Departement übertrug. Allein das nichtswürdige Manöver hatte nur den Erfolg, auch Denen die Augen zu öffnen, die noch immer sich nicht von des Präsidentenabsichten hatten überzeugen können, und der gegen den Congreß und die Freiheiten des Landes gezielte Schlag fiel auf die Hand zurück, die ihn geführt. Kein Officier oder Beamte durfte es wagen, die erste Ordre ohne Zustimmung des Congreßes auszuführen, da derselbe versammelt und das Land nicht im Kriege war, und General Sherman telegrafirte sogleich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_222.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)