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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Frisirmantel von der Schulter der Schönen. Diese wird nun von ihrem Friseur den Anwesenden vorgestellt, die den Kopfputz, je nachdem er ausgefallen, mehr oder minder bewundern. Beim Schlusse der Sitzung, wenn nämlich alle Damen frisirt sind, werden diese in Gruppen vertheilt und die Frisur derselben von den Preisrichtern mit Kenneraugen geprüft. Man stellt dann allgemeine Betrachtungen über den Zustand der Haarkräuslerkunst an und den Künstlern, welche sich am meisten ausgezeichnet, wird die Preismedaille feierlichst zuerkannt.

Die Haarkräusler geben auch zum Besten ihrer Unterstützungscasse jährlich drei große Soiréeen, die gewöhnlich im Salle Valentino stattfinden und in der That höchst eigenthümlich sind, Auf einer Estrade sitzen einige Dutzend Damen, an deren Kopfschmuck man die Geschichte der Frisirkunst studiren kann. Man sieht Frisuren aus der Epoche des Perikles, des Augustus, Franz des Ersten, Heinrich’s des Vierten, Ludwig’s des Vierzehnten, Frisuren aus der Revolutionszeit, der Kaiserzeit und der Restauration, Das sind die „Coiffures Historiques“. Man sieht aber auch Phantasie-Frisuren, „Coiffures de Fantaisie“, an denen der Künstler seine Erfindungsgabe entfaltet. Ich habe vorige Woche einer solchen Soirée beigewohnt. Der Saal war auf’s Prachtvollste erleuchtet; ein vortreffliches Orchester ließ die beliebtesten Stücke hören und die Blicke des zahlreichen Publicums wurden von den phantastischen Frisuren gefesselt, welche die Damen auf der Estrade zur Schau trugen. Man bemerkte unter denselben besonders die vier Jahreszeiten. Der Frühling trug im Kopfputz Primeln und Aurikeln und ein Vogelnestchen, in welchem die Mutter ihre Kleinen fütterte; der Sommer, eine junge, schöne Blondine, trug in der Frisur eine mit Cyanen gemischte Korngarbe, in welcher eine goldene Sichel steckte; der Herbst machte sich bemerkbar durch die schönen Früchte, unter welchen die Trauben sehr malerisch vertheilt waren, und was endlich den Winter betrifft, so war er mit Reif und niedlichen Eiszäpfchen bedeckt. Die sonderbarste originellste Frisur hatte aber der Friseur Charensol geliefert. Dieselbe hieß auf dem Programm „Coiffure Internationale!“. Die entsprechende Dame trug die Fahnen aller großen Nationen in den Haaren und auf dem Scheitel war ein Zouave zu sehen, der die französische Tricolore aufpflanzte.

Die Namen der Künstler, welche diese Meisterwerke vollbracht hatten, wurden feierlichst verkündet, und hierauf begann ein Concert, in welchem sich mehrere Sänger und Sängerinnen hören ließen. Der Abend wurde mit einem Ball beschlossen; die Künstler aber, die ihr Talent an den prachtvollen Frisuren gezeigt, wurden ruhmbeladen auf Kosten der Gesellschaft in schönen Equipagen nach Hause gefahren.




Unter dem Titel: „Fünfzehn Jahre meiner Lehrthätigkeit am Conservatorium der Musik in Leipzig und mein Verhältniß zum Director, Herrn Advocat Schleinitz. Von Professor Franz Goetze ist soeben ein Schriftchen erschienen, das in der Musikwelt nicht geringe Sensation machen wird. Es gewährt Einblicke in gewisse Verhältnisse dieses Instituts, die wohl geeignet sind, Gesangschüler, welche ihre Ausbildung in demselben suchen, wie nicht minder Gesanglehrer, denen die Stelle offerirt werden möchte, einigermaßen bedenklich zu machen. Veranlaßt ist die Schrift durch ein Directorialschreiben an Prof. Goetze, in welchem diesem berühmten Gesangmeister, zwar in diplomatische Phrasen eingehüllt, aber verständlich genug, nichts weniger als entweder Unfähigkeit oder Nachlässigkeit vorgeworfen wird. Da wehrt sich nun der Verfasser mit den besten Waffen, die es gegen dergleichen Insinuationen giebt, – mit unbestreitbaren Thatsachen. Das Ausland hat bis jetzt das Leipziger Conservatorium, wie die Erdenbewohner den Mond, nur von der einen beleuchteten Seite gesehen. Nun wird ihm auch die andere gezeigt, und was man da entdeckt, ist für angehende Sänger wenigstens nicht eben sehr einladend.





Aus der Geschichte der Hinterlader. Bekanntlich brachte Dreyse die Idee eines von hinten zu ladenden Gewehres aus Frankreich mit, wo während seines Aufenthaltes in Paris Versuche mit einem solchen gemacht worden waren. Die Versuche verdankte man der Anregung Napoleons des Ersten, die Construction des Gewehres war eine von dem Dreyse’schen völlig verschiedene. Bemerkenswerth ist, daß man sich, wie in jenen Kriegsjahren allerdings natürlich, an verschiedenen Orten mit der Verbesserung der Schußwaffen beschäftigte und dabei das Princip, die Waffe von hinten zu laden, anwendete; der erwähnte französische Versuch kann durchaus nicht beanspruchen, der erste zu sein. In einem längst vergessenen Buche Kotzebue’s, „Erinnerungen von einer Reise aus Liefland nach Rom und Neapel“ (1805) findet sich folgende Notiz:

„Tommaso Diamanti, Büchsenmacher und Mechanicus in Rom. Dieser Mann hat eine wichtige Erfindung bekannt gemacht, wofür er Segen und Fluch verdient, wenn er leistet, was er verspricht. Es ist nämlich eine Kanone, die nicht von vorn, sondern von hinten geladen wird. Das Manöver, sagt der Erfinder, ist einfach, stark und untrüglich. Die Construction der Kanone ist von der bisherigen ganz verschieden, aber nicht minder solid und weit sicherer beim Abfeuern. Es giebt da weder Schraube noch Zange, weder Pfanne noch Hebel oder sonst ein Gewicht; durch eine einzige Bewegung öffnet sich der Hintere Theil der Kanone; in einem Augenblick ist die Ladung an ihrer Stelle, selbst im Dunkeln kann nicht gefehlt werden. Der Erfinder erbietet sich, die Probe zu machen, so oft man will, nur verlangt er mit Recht, daß man vorher eine gewisse Summe zu seiner Belohnung irgendwo deponire. Er will auch, unter seiner Direction, Stücke nach seinem Modell gießen lassen und zugleich ein unfehlbares Mittel an die Hand geben, die Gefahr zu vermeiden, welche aus der Erhitzung der Kanone durch zu häufiges Abfeuern entspringt. Besonders nützlich würde diese Erfindung sich auf Kriegsschiffen erweisen, wo das Laden mit so vielen Umständen verknüpft ist. Er behauptet, daß künftig eine Kanone, welche nur von drei Artilleristen bedient wird, doppelt so viel leisten werde, als eine gewöhnliche. Häufigeres Losbrennen also und größere Sicherheit der Losbrennenden ist der Hauptnutzen dieser dennoch vermaledeiten Erfindung, denn gegen einen Artilleristen, der dadurch am Leben erhalten wird, müssen Hunderte in’s Gras beißen, die bei langsamer Bedienung verschont geblieben wären.“

Kotzebue machte seine Reise nach Italien im Winter von 1804 auf 1805, Etwas Genaueres über jenen Tommaso Diamanti und seine Erfindung haben wir nicht erfahren können, Es wird ihm gegangen sein, wie manchem andern Erfinder: man wird ihn wenig beachtet haben.





Das Gilmdenkmal. Man vergleicht Lyriker gern mit Lerchen, wie sie, ihr lustiges Liedlein trillernd, über die gemeine Sterblichkeit sich zum Himmel heben, Ganz besonders paßt dieser Vergleich auf jene österreichischen Dichter, die in den Tagen von Metternich’s Reaction sich muthig über die trägen Sümpfe aufschwangen und den Eulen zum Trotz ihr Morgenlied anstimmten. Wer erinnert sich nicht an Anastasius Grün, an Lenau? Sie sind berühmt, aber auch einige Tiroler verdienen Beachtung, um so mehr, da sie nicht blos mit Polizeispitzeln, sondern auch mit Ultramontanen, Feinden, die bis über das Grab hinaus hassen, anbanden und die Sache der Freiheit verfochten.

Johann Senn und Hermann von Gilm sind vor Allen zu nennen. Auch die Gartenlaube hat ihrer bereits gedacht und Gilm’s scharfes Jesuitenlied abgedruckt, Gilm’s Gedichte sind nach seinem Tode am 1. Juni 1864 in zwei Bänden erschienen, leider Gottes jedoch verstümmelt, weil die Herausgeber in ihrer Feigheit auf Bureaukratie und Bonzen Rücksicht nahmen. Die Liberalen Tirols haben jedoch Gilm’s feurige Lieder nicht vergessen. Soeben erhält das Haus, wo er am 1. November 1812 geboren wurde, eine neue Facade. Sie wird mit einer Marmortafel geschmückt, auf welche der Bildhauer Gröbmer zu München Gilm’s Relief einmeißelt.

Das ist sehr lobenswerth und zwar nicht blos deswegen, weil ein Dichter, sondern auch ein Vorkämpfer der geistigen Freiheit geehrt wird. Es ist noch löblicher, weil es in Tirol geschieht, wo man bisher blos Vorkämpfer des religiösen Fanatismus ehrte und an den Häusern mir Bilder und Statuen von sogenannten Heiligen und Leuten anbrachte, deren manche vielleicht wegen ihrer asketischen Verkehrtheiten in das Tollhaus oder wegen ihrer Verbrechen gegen die Humanität auf die Festung gehört hätten. Leider betont der bombastische und süßliche Aufruf, der für dieses Gilmdenkmal erschien, seine Verdienste um die Sache des Fortschrittes nicht, ja erwähnt sie gar nicht einmal – in der naiven Absicht, daß die Ultramontanen nicht abgehalten würden, Beiträge zu liefern. Wie komisch, oder besser gesagt, wie traurig, daß Gilm auch noch im Grabe solches Mißgeschick hat!

X. Y. Z.




Es gingen noch ein: J. K. in Bielitz 5 fl.; einige Freunde Freiligrath’s in Kronach durch Notar Geßner 23 Thlr.; von der Expedition der Silesia in Teschen 3 fl.; Liedertafel in Schlawe (Pommern) 4 Thlr. 29 Sgr,; W. M. in Halberstadt 1 Thlr,; zweiter Beitrag aus Mecklenburg-Strelitz, einges. durch Doctor Sander 15 Thlr,; von den Mitgliedern des deutschen Kunstvereins in Philadelphia 250 Thlr.; Thalia-Verein in San Francisco, ges. durch Teitmann, Sievers, Niemeyer, Meyer, Denicke und Schlingheyde 481 Thlr. 14 Sgr. (Eine zweite Gabe von 136 Thlr. 17 Sgr. für Tzschirner ist von der unterzeichneten Redaction nach Dresden befördert worden.); Grauer in Kempen 2 Thlr.; L. K. in Bremerhaven 5 Thlr.; Leseverein Concordia in Bockenheim 28 Thlr. 17 Sgr.; Dr. C. F. Meyer in St. Petersburg 5 Thlr. 18 Sgr; Baumeister B. in Sch. 1 Thlr. und Ingenieur K. in N. 15 Sgr,; Männerturnverein in Altenburg 8 Thlr, 5 Sgr.; die deutsch-akademische Gesellschaft in Schemnitz (Ungarn) 22 fl. öster.; W. Wirth in Goldbach bei Soran 5 Thlr.; von den Arbeitern R., B., L. und R. aus Berlin 1 Thlr.; von mehreren Deutschen in Lyon 23 Thlr. 6 Sgr.; Männerchor der Teutonia in New York 25 Thlr.; M. B. in Fr. 10 Thlr.; für sieben Glaubensbekenntnisse von Freiligrath 7 Thlr.; H. B. in Berlin 10 Thlr.; Beitrag des Liederkranzes in Kaufbeuren durch Franz Arras in Dresden 5 Thlr. 21 Sgr.; aus Eutin 2 Thlr.; Ertrag einer Sammlung in der Neustadt-Krone in Kempten am Weihnachtstage 11 Thlr, 4 Sgr.; Redaction der Ostdeutschen Heilung in Posen 6 Thlr, 10 Sgr.; Ertrag einer Sammlung vom Singverein in Dessau 7 Thlr. 12 Sgr.; Männerturnverein in Hirschberg 10 Thlr.

Der erfreuliche Erfolg, welchen die Sammlung für die Freiligrath-Dotation gehabt hat, ist bekannt; es gereicht uns zur besonderen Genugthuung, daß nicht nur unmittelbar durch uns dem Central-Comite in Barmen die beträchtliche Summe von 5018 Thlrn. 24 Sgr. 9 Pfgn. hat zufließen können, sondern daß es, wie vielfach behauptet, zumeist der von der Gartenlaube veröffentlichte Aufruf gewesen ist, welcher, in alle Theile der von Deutschen bewohnten Erde dringend, dahin, wohin nur selten andere deutsche Blätter den Weg finden, das schöne Gesammtresultat von weit über vierzigtausend Thalern erzielte. Allen, die zur Förderung dieses Nationalwerkes beigetragen haben, sagen schließen, unseren wärmsten Dank.

Die Redaction der Gartenlaube.



Inhalt: Im Hause der Bonaparte. Historische Erzählung von Max Ring. (Fortsetzung.) - Ein Haupt der ultramontanen Partei Deutschland. Mit Portrait. – Erinnerungen an König Ludwig den Ersten von Baiern. Von Ernst Förster. II. - Das erste Meißner Teeservice. - Gustav Doré. Von L. Kalisch. Mit Illustration. – Blätter und Blüthen: Eine zweite schwedische Nachtigall Pariser - Herman Schmid - Zur Pariser Haarkräuslerei. – Franz Goetze. – Aus der Geschichte der Hinterlader. - Das Gilmdenkmal. – Freiligrath-Dotation.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_256.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)