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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 17.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Im Hause der Bonaparte.
Historische Erzählung von Max Ring.
(Fortsetzung.)


3.

Nie zuvor hatte eine Gemäldeausstellung eine solche Theilnahme gefunden wie die, welche Leopold Robert von seinen Werken und Studien im Laufe der Zeit veranstaltete. Man glaubte sich in jene schönen Tage versetzt, wo unter Leo dem Zehnten die Künste eine ungeahnte Blüthe entfalteten, wo Päpste, Cardinäle, Fürsten und die ersten Staatsmänner Italiens sich um den göttlichen Raffael schaarten und seine unsterblichen Schöpfungen bewunderten.

Auch heute drängte sich die vornehmste und eleganteste Gesellschaft in den Sälen des Capitols, von deren Wänden die Bilder jener gefangenen Räuber und ihrer Frauen, wie erstaunt über den unerwarteten Erfolg, auf diese feinen Damen und Herren der Aristokratie herniederschauten.

Hier sah man die Elite des römischen Adels, reiche Kunstmäcene, wie den bekannten Bankier und Fürsten Torlonia, Gemäldeliebhaber, wie den Cardinal Fesch, dort die angesehenen Fremden, besonders Franzosen und Engländer, die geistvolle Herzogin von Devonshire und ihren schottischen Landsmann Lord Kinnaird, Künstler und Schriftsteller von europäischem Ruf, die sich sonst nur für die erhabenen Denkmäler des classischen Alterthums zu interessiren pflegten und über die Leistungen moderner Künstler verächtlich mit der Achsel zuckten.

Vor dem schönen Bilde Teresina’s, das in dem Katalog als „junges Mädchen aus Sonnino“ bezeichnet war, stand ein hoher, älterer Mann mit ausdrucksvollen, feinen, aber abgespannten Zügen, aus denen jetzt ein jugendlicher Enthusiasmus sprühte, hervorgerufen durch den verwandten Geist, der ihm aus den Arbeiten des schnell berühmt gewordenen Künstlers entgegenleuchtete.

Es war der Dichter Chateaubriand, berühmt durch seine „Atala“, der augenblicklich hier in Rom verweilte, um von seinen politischen Kämpfen auszuruhen, nachdem er als Minister der undankbaren und verblendeten Bourbonen seine Entlassung erhalten hatte.

Sein Nachbar dagegen, dessen starkgeschnittenes Profil mit dem charakteristischen Spitzbart à la Henri quatre eher den Militär als den Künstler ahnen ließ, war der nicht minder berühmte Maler Horace Vernet, der Vorsteher der französischen Malerakademie in Rom. Beide unterhielten sich lebhaft über den tiefen Eindruck dieser Bilder, von dem sie sich jetzt Rechenschaft zu geben suchten.

„Es weht ein eigenthümlicher Geist in diesen Gemälden,“ sagte der Dichter, „ein unbeschreiblicher Reiz, der mich an jene Zeiten mahnt, wo ich selbst als ein junger Mann in den Urwäldern Amerikas schweifte, und angewidert von unserer modernen Civilisation, unter den wilden Stämmen die Urbilder zu meiner Atala fand. Bei dem Anblick dieses lieblichen Mädchenkopfes aus Sonnino wachen die alten Erinnerungen wieder in meinem Herzen auf.“

„Es war ein glücklicher Zufall, der den Maler in das frische Volksleben greifen ließ,“ erwiderte Vernet, nicht ohne leise Anwandlung des Künstlerneides.

„Sagen Sie lieber eine höhere Inspiration,“ rief Thorwaldsen, der hinter den beiden Bekannten stand und freundlich grüßend sich zu ihnen gesellte.

„Sie haben Recht, lieber Thorwaldsen,“ versetzte der Dichter. „Der göttliche Instinct hat dem Künstler den wahren Weg zu der Schönheit gezeigt, die einzig und allein die unverfälschte Natur darbietet. Ich möchte wohl den jungen Maler sehen und kennen lernen.“

„Dort steht er,“ entgegnete der Bildhauer, indem er auf eine an der entgegengesetzten Seite des Saales befindliche Gruppe zeigte, in deren Mitte Leopold Robert, fast beschämt über das ihm von allen Seiten gespendete Lob, verweilte. „Er spricht soeben mit dem Prinzen Napoleon, dem Sohn des Exkönigs, der vor Kurzem seine Cousine geheirathet hat.“

„Wie? Jener untersetzte, unansehnliche Mann mit dem düsteren Gesicht soll Leopold Robert, der Maler dieser herrlichen Bilder sein?“ fragte Chateaubriand enttäuscht.

„Allerdings hat ihm das Keiner zugetraut,“ bemerkte Vernet. „Mir selbst erschien er stets als ein menschenscheuer Sonderling, von dem ich nie etwas Großes erwartet habe.“

„Auch die Nachtigall hat ein unscheinbares Gefieder,“ scherzte Thorwaldsen, „und doch muß man sie bewundern.“

Während dieser Unterhaltung feierte Leopold Robert einen neuen Triumph, der noch mehr seinem Herzen als seinem Künstlerstolze wohl that. Seit jenem Abenteuer in der Nähe von Frascati war er der Freund des liebenswürdigen Prinzen geworden, den er aus den Händen der Briganten befreit hatte.

Die flüchtige Bekanntschaft gestaltete sich mit der Zeit immer inniger, da Beide, von gleicher Liebe für die Kunst beseelt, die vielfachsten Berührungspunkte fanden. Auch ihre ernsten Anschauungen harmonirten so sehr, daß die Schranken des Standesunterschiedes bald der gegenseitigen Sympathie weichen mußten und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_257.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)