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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

schnell von ihnen vergessen wurden. Der Prinz begnügte sich nicht nur damit, den Maler in seinem Atelier öfters zu besuchen sondern führte ihn auch seiner Familie, seinen Verwandten zu, von denen Robert mit der zuvorkommendsten Freundlichkeit, fast mit Herzlichkeit, empfangen wurde.

Der Verkehr mit dem hochbegabten Geschlechte der Napoleoniden gestaltete sich immer vertraulicher und gewährte dem Maler einen ganz besonderen Reiz, der noch durch die Heirath seines Freundes mit seiner ebenso schönen wie geistvollen und liebenswürdigen Cousine eine neue Steigerung erfuhr.

Die Gattin des Prinzen, Prinzessin Charlotte, eine Tochter Joseph Bonaparte’s, der unter dem Namen eines Grafen von Survilliers in Amerika lebte, war in Brüssel von ihrer Mutter auf das Sorgfältigste erzogen worden und verband mit allem Zauber der äußeren Erscheinung eine seltene Bildung des Herzens und der Seele.

Ihre zarte Elfengestalt, die ätherische Figur, welche kaum den Boden zu beschweren schien, das schmale, feingeschnittene Gesicht mit den großen, seelenvollen Augen, die fast durchsichtige und doch nicht krankhafte Blässe des marmorartigen Teints, die wunderbare Beweglichkeit der zarten Züge, in denen sich jeder Wechsel des Gefühls, jeder Gedanke ihrer reinen Seele wie das Licht im Krystall zu spiegeln schien, verliehen ihrem ganzen Wesen den poetischen Hauch, den Ausdruck unnennbarer Sehnsucht und Begeisterung für alles Große und Schöne, fast befremdend in der Gesellschaft, der sie vermöge ihrer Geburt und ihres Ranges angehörte, gleich einer exotischen Blüthe ans fernen glücklichen Zonen.

Selbst ihre Kleidung, obgleich der damaligen Tagesmode angepaßt, verrieth ein gewisses ideales Streben, den künstlerischen Schönheitssinn. Das weiße, leichte Gewand von durchsichtigem Stoff, das Perlendiadem in dem aschblonden Haar, das nach englischer Sitte in zwei starken Locken auf den schneeigen Nacken niederwallte, der feine Spitzenmantel um die blendenden Schultern, durch eine kostbare antike Gemme festgehalten, harmonirten mit der ganzen duftigen Erscheinung, die, Würde mit Anmuth vereinend, einer griechischen Königstochter glich; wenn sie lächelte, an die holde Nausikaa, wenn sie ernst blickte, an die priesterliche Iphigenia erinnernd.

Jetzt sprach sie dem Künstler ihre Anerkennung mit Blicken und mit Worten aus, die ihm tief in die Seele drangen; ihr sinniges Lob erfreute ihn mehr, als alle die banalen Phrasen, welche er seit einigen Tagen von allen Seiten hören mußte.

„Ich fürchte nur,“ sagte die Prinzessin mit ihrem huldvollsten Lächeln, „daß der wohlverdiente Ruhm, der Ihnen zu Theil geworden, Sie den Freunden entfremden wird. Nennen Sie mich immerhin egoistisch, aber es schmerzt mich, wenn ich daran denke, daß Sie fortan der Welt mehr als uns gehören sollen. Wir haben nicht mehr, wie bisher, ein ausschließliches Recht auf Ihre Gesellschaft. Was aber soll aus unseren angefangenen Zeichnungen werden, wenn der Lehrer und Meister fehlt, unter dessen Leitung sie entstanden?“

„Alle meine bisherigen Erfolge,“ versetzte der Künstler mit leichtem Erröthen, „vermögen nicht die unvergeßlichen Abende aufzuwiegen, wo wir an jenen flüchtigen Skizzen arbeiteten, welche gemeinschaftlich von uns entworfen und ausgeführt, unser gemeinsames Eigenthum, der Mittelpunkt unseres Strebens waren. Lieber würde ich Alles hingeben, als auf meinen Antheil verzichten.“

„Und doch,“ bemerkte der Prinz, „ist der selbsterworbene Ruhm das Höchste. Wenn ich nicht Ihr Freund wäre, der sich an Ihrem Glücke freut, so würde ich Sie beneiden.“

„Sie bedürfen nicht des Ruhms,“ erwiderte Robert, „er ist das Erbtheil Ihres Geschlechts.“

„Der Stern unseres Hauses,“ versetzte der Prinz düster, „ist erloschen.“

„Wir müssen zu vergessen suchen und unser Schicksal mit Würde tragen,“ mahnte die Prinzessin. „Kunst und Freundschaft werden uns auch ferner trösten und die Trauer der Verbannten lindern. Nicht wahr, lieber Robert?“ fügte sie mit seelenvollem Blick hinzu.

„O wenn ich das vermöchte!“ stammelte verwirrt der Künstler, indem er ehrerbietig die ausgestreckte Hand der Prinzessin an seine Lippen führte.

Wie im Traume stand er noch und starrte der lieblichen Erscheinung nach, die längst freundlich grüßend an der Seite des Prinzen den Saal verlassen halte. Erst der herzliche Zuruf Thorwaldsen’s erweckte Robert aus seinen Gedanken.

„Glück auf, junger Freund!“ rief der berühmte Bildhauer, der ihm den reichen, excentrischen Lord Kinnaird als einen enthusiastischen Kunstliebhaber und Bewunderer seines Talents vorstellte.

„Ich freue mich,“ sagte dieser, „Ihre Bekanntschaft zu machen, da mich Ihre Bilder auf das Lebhafteste interessiren, besonders jener reizende Kopf des jungen Mädchens aus Sonnino, den ich zu besitzen wünsche, wenn er Ihnen feil ist.“

„Ich trenne mich nur ungern von dem Bilde,“ entgegnete der Maler, fast verstimmt über die unwillkommene Störung.

„Fordern Sie jeden Preis; außerdem möchte ich noch eine größere Bestellung bei Ihnen machen.“

„Ihre Herrlichkeit haben nur zu befehlen,“ versetzte Robert mit einer leichten Verneigung.

„Ich bin nämlich ein großer Freund und Bewunderer der berühmten Frau von Staël, deren Roman ,Corinna’ Sie gewiß kennen und wie ich verehren.“

Corinna, ja Corinna!“ murmelte der Künstler zerstreut, während seine Gedanken weit abschweiften.

„Der Anblick Ihrer Bilder,“ fuhr der Lord fort, „die so wunderbar das Leben des italienischen Volkes erfassen, hat mich unwillkürlich an jene Scene erinnert, wo die begeisterte Improvisatrice an der Seite ihres Geliebten auf dem Vorgebirge von Misenum vor den entzückten Fischern ihre Lieder singt. Ich denke mir, daß Sie der einzige Maler sind, der diese poetischen Gestalten würdig wiederzugeben vermag.“

„Es ist eine große, aber auch schwere Aufgabe.“

„Wenn Ihnen das Süjet zusagt, so werden wir uns über die Bedingungen leicht einigen. Gestatten Sie, daß ich Sie morgen in Ihrem Atelier besuche, wo wir ungestört das Nähere verabreden können.“

„Ich werde morgen den Besuch Ihrer Herrlichkeit erwarten.“

„Und jetzt,“ sagte Thorwaldsen gut gelaunt, „will ich Sie dem berühmten Chateaubriand zuführen, der Ihre Bekanntschaft zu machen wünscht. Ihre Lordschaft werden uns entschuldigen, aber die Kunst geht nicht allein nach Brod, sondern auch nach Ruhm.“

So genoß jetzt Robert die höchste Anerkennung seines Talentes; aus einem unbekannten Maler war er plötzlich, gleichsam über Nacht, ein berühmter Künstler geworden. Sein Atelier, das er aus den Bädern des Diocletian nach einer der vornehmsten Straßen verlegt und mit dem nöthigen Comfort ausgestattet hatte, bildete den Sammelpunkt aller Kunstfreunde, Liebhaber und Käufer, die ihn, wie Lord Kinnaird und die Herzogin von Devonshire, mir ihren Bestellungen überhäuften.

Als er endlich ermüdet, und abgespannt von all’ den Huldigungen und Erfolgen in seine neue Wohnung zurückkehrte, harrte seiner eine freundliche Ueberraschung. Er fand seine Wohnung mit Blumen geschmückt und seine Staffelei mit frischen Lorbeerzweigen bekränzt. An der Thür erwarteten ihn seine alten Freunde aus den Bädern des Diocletian, die beiden Frauen Maria-Grazia und Teresina in ihrem kleidsamen Sonntagsstaat und Francesco in der Uniform eines päpstlichen Soldaten. Alle drei bemächtigten sich seiner Hände, die sie mit ihren Küssen zu bedecken suchten, so daß er sich kaum ihrer Liebe und Freudenbezeigungen zu erwehren vermochte.

„Aber was hat das Alles zu bedeuten?“ fragte er verwundert.

„Es lebe unser Wohlthäter!“ rief Francesco, „Evviva!“

„Evviva!“ wiederholten die Frauen mit glänzenden Augen.

„Wir feiern heute,“ nahm der ehemalige Brigant das Wort, „das Fest unseres neuen Schutzpatrons, des heiligen Roberto, dem wir die Freiheit und ein sorgenloses Leben zu verdanken haben. Auf Eure Vorstellungen hat der Prinz Napoleon bei Seiner Eminenz dem Herrn Cardinal Consalvi meine Begnadigung erwirkt und mir eine Anstellung bei den päpstlichen Carabinieren verschafft, nachdem ich gelobt hatte, ein ehrlicher Mann zu werden. Evviva il principe!

„Evviva!“ klang es von Neuem.

„Und ich,“ berichtete Maria-Grazia, „bin ebenso wie Teresina durch Euch eine berühmte Frau geworden. Wo wir gehen und stehen, werden wir überall jetzt angestarrt wie Wunderthiere. O,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_258.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)