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dergleichen wurden durch das ganze Mittelalter hindurch auf weite Entfernungen hin mustergültig. In politischer Beziehung waren die frommen Herren vorsichtig, und so blieben ihnen auch Privilegien und Zollbefreiungen nicht aus. Die Besitzungen des Klosters erstreckten sich über die Grenzen des Landes; es besaß Gehöfte im Rheingau, in Rheinhessen und Starkenburg.

Simrock, der bewährte Forscher rheinischer Geschichte, rühmt von den Eberbacher Mönchen, daß sie in vielen bürgerlichen Gewerben der ganzen Nachbarschaft Muster und Vorbild gewesen seien. „Den Weinbau lehrten sie zunächst gründlich; sie begnügten sich aber nicht mit der Erzeugung eines edlen Gewächses, sie wußten es auch zu Markt zu bringen. In Köln, wohin damals der Handelszug der Rheinweine ging, hatten sie ihre Niederlage, und die Stadt schenkte ihnen eine eigene Rheinpforte. Auch dem Gewinn der Schifffahrt wandten sie sich zu, bauten Fahrzeuge, nahmen Schiffleute unter ihre Laienbrüder auf, erwirkten sich von Kaisern und Fürsten Freiheit von allen Zöllen und ließen ihre eigenen Geschirre den Rhein auf- und niedergehen. Sie schickten auch das feine oberländische Mehl in’s Niederland, legten Mahl- und Walkmühlen an und richteten Gerbereien und Tuchmanufacturen ein.“

Kloster Eberbach.

In der That, es sprechen heute noch, nicht in den alten Gebäulichkeiten an Ort und Stelle allein, es sprechen auch anderwärts beredte Zeugen für den Fleiß der Eberbacher Mönche. Während in dem sogenannten Geisgarten, einem Hofe hinter dem Kloster, Woll- und Leinwebereien betrieben wurden, war am unfernen Ufer des Rheins, in Reinhardshausen, ein vollständiger Stapelplatz für das Ausfuhrgeschäft etablirt, und der Eberbacher Lagerhof mit gewaltigem Zollthurm erzählt am Rheinufer in Köln noch heute von der Geschäftskenntniß der geistlichen Handelsherren. Leider blieb aber in der Folgezeit auch das Wohlleben nicht aus; wo guter Wein wächst, pflegt man nicht gern schlechten zu trinken. Die Strenge der Ordensvorschriften verlor sich und Genußsucht trat an die Stelle der klösterlichen Enthaltsamkeit. Die Brüder wurden berühmt ob ihrer feinen Weinzunge. Sie unterschieden als erprobte Kenner jede Sorte und jeden Jahrgang rheinischen Gewächses mit untrüglicher Sicherheit, und die Ueberlieferung erzählt noch heute, wie sich zwei Eberbacher Mönche bei einem Fasse Steinberger wegen eines Beigeschmackes des Weines gestritten. Der eine der frommen Herren behauptete, das Faß schmecke schwach nach Leder, der andere meinte, es sei ein Beigeschmack von Eisen, der dem Wein schade. Und siehe, sie tranken in einer lustigen Nacht das ganze Faß zur Neige, und auf dem Boden fand sich – ein kleiner Eisenschlüssel an einem Lederriemchen. Auch ein großes Faß besaß das Kloster, ähnlich dem bekannten Heidelberger welches vierhundert Ohm zu fassen vermochte. Sein Inhalt, nebst achtzig Stück Wein, wurde im Jahre 1525 von den aufrührerischen Bauern, als diese auf dem Wachholder lagerten, in wenigen Tagen geleert. Dem Kloster begegnete gleichzeitig das für jene Zeiten bedenkliche Unglück, daß einer seiner Mönche, Pater Ludwig, nebst vier anderen Brudern aus dem Orden trat, um der protestantischen Lehre zu huldigen.

Im Jahre 1803 wurde das Kloster aufgehoben und herzoglich nassauische Domäne, 1811 Besserungs- und Strafanstalt und Irrenhaus. Später ward ein besonderes Irrenhaus auf dem nahegelegenen Eichberg erbaut, der ersteren Bestimmung aber dienen die Räume Eberbachs noch heute.

Von dem am Rheine liegenden Dörfchen Erbach, urkundlich eigentlich auch Eberbach, oder dem weinberühmten Ort Hattenheim gelangt man in kaum einer Stunde zum Kloster. Die Rheinreisenden pflegen Eberbach selten zu berühren; auch ist das Kloster bei der Stromfahrt nicht sichtbar. Nach wenigen Schritten auf der Landstraße erscheint seitwärts das langgestreckte Gebäude der erwähnten Irrenheilanstalt Eichberg, einer der ausgedehntesten Anstalten dieser Art in Deutschland, mit reizenden Anlagen und entzückender Aussicht. Rechts, auf sanft anstrebendem Hügel, steigt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_277.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2021)