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Lieblingsdichters, Goethe, das Land der Poesie und der Kunst. In die nordische Heimath zurückgekehrt, verkehrte er viel mit den musikalischen und literarischen Größen damaliger Zeit, mit Gräfin Rossi-Sontag, Jenny Lind, Bettina von Arnim, der Gräfin Hahn-Hahn, Spontini, Meyerbeer, Tieck, Varnhagen.

Eine Bekanntschaft aber, die er etwas später machte, führte ihn entschieden der dramatischen Dichtkunst in die Arme, die Bekanntschaft mit Rachel Felix, der großen französischen Tragödin, die selbst den steifen, gespreizten Alexandriner mit einem Hauch antiker Schönheit zu umziehen wußte. Sie war es auch, die seine Künstlernatur erkannte und ihn selbst zuerst darauf hinlenkte, als Autor sich zu versuchen. Gleichsam als Verkörperung seiner Muse hat er ihrer Marmorbüste in verschiedenen Stellungen in seinem Arbeitscabinet Altäre errichtet und bewahrt, und unter dem Siegel strengster Discretion auch eine hochinteressante Briefsammlung der großen Tragödin. Eine andere Autorität der Vergangenheit, welcher der Prinz huldigt, ist Rahel Levin, die berühmte Gattin Varnhagen’s, die geistreichste Frau des Jahrhunderts, deren Eigenthümlichkeit von der raschlebenden Gegenwart unverzeihlicher Weise fast schon vergessen worden ist. Der Prinz-Autor hat ein wahrhaft liebevolles Gedächtniß für alle die schlagkräftigen Sentenzen dieses großen Frauengeistes, er kann sie auswendig und hat sie häufig als Wahlsprüche auf seinen Werken verzeichnet. Das „Ewig-Weibliche“, dem Goethe eine so hohe Bedeutung beigelegt hat, ist von unverkennbarem Einfluß auf die poetische Geistesentwickelung des Prinzen gewesen; es bewahrheitet sich an ihm die Aristotelische Lehre, daß ein Dichter die empfängliche Seele des Weibes sich aneignen muß, um schaffen zu können.

Die jetzt so plötzlich bekannt gewordene Autorschaft des Prinzen hat seine ohnehin große Popularität nur noch vermehrt; man kennt und grüßt ihn überall mit mehr als höflicher Aufmerksamkeit. Er besucht gern gelehrte Gesellschaften und verkehrt mit geistreichen Leuten, ohne jemals die Forderungen der Etikette geltend zu machen. Als Wohlthäter der Armen bringt er viele und bedeutende Opfer und giebt nicht blos Almosen, sondern stellt sich die Aufgabe, gründlich zu helfen durch Unterstützungen mit Rath und That. Durch eine seit seinen ersten Jugendjahren andauernde Kränklichkeit ist er übrigens gezwungen alle körperlichen Anstrengungen zu vermeiden und in dem lautem Berlin still zu leben. Die Sommermonate bringt er abwechselnd in Ems und Wiesbaden oder auf seinem Schlosse am Rhein zu.

L.





Ein heimlicher Hausfeind.

Von Otto Hermes.

In der Christnacht des Jahres 1715 hatten sich drei Männer in einem Häuschen der Weinberge Jenas versammelt. Von der Stadt tönten die Schläge der Mitternachtsstunde heraus. Die Leute waren in der Absicht zusammengekommen, Geister zu beschwören, einen Schatz zu heben und sich einen Heckethaler zu verschaffen.

Es herrschte bittere Kälte, draußen und in dem engen Raume, dessen Fenster und Thüren man sorgfältig verschlossen. Sie wollte auch nicht weichen, nachdem man ein Kohlenfeuer angezündet, dessen bläuliche Flamme zu der geheimnißvollen Arbeit unumgänglich nothwendig erachtet wurde.

Die Beschwörung begann. Ein Student der Gottesgelahrtheit zog ein altes wunderbar verschnörkeltes Buch unter dem Brustkleide hervor, schlug die vorher vermerkte Seite auf und fing an, über das trüb leuchtende Feuer gebeugt, murmelnd zu lesen, mehr und mehr seine Stimme steigernd. Die Anderen lauschten bänglich schweigend.

Noch hatte der Frevler die erste Seite nicht vollendet, als sich eine seltsame Veränderung an ihm bemerklich machte. Sein rothes, gedunsenes Gesicht wurde blaß, seine Stimme, die sich bald bis zum höchsten Pathos aufgeschwungen, immer leiser. Bald fühlte er sich nicht mehr fähig, zu stehen; seine Sinne schwanden und, ehe die dritte Beschwörung zu Ende war, stürzte er besinnungslos zu Boden. Seine Begleiter, zwei Bauern, waren eingeschlafen und von der Bank, auf welcher sie Platz genommen, heruntergefallen. Einer von ihnen erwachte noch einmal, war aber so betäubt, daß er nicht aufstehen konnte.

Am nächsten Tage wurde die Behörde von diesem Vorfall unterrichtet. Die von ihr zur Untersuchung geschickten Personen fanden den Studenten dicht an der Thür ohne Bewegung liegend; die beiden Bauern waren todt. Der Student wurde in die Stadt gebracht und hier durch die Anwendung zweckmäßiger Mittel wieder in’s Bewußtsein zurückgerufen. Die Körper der todten Bauern ließ man in dem Häuschen bis zum nächsten Tage liegen. Drei Wächter blieben bei ihnen. Der Kälte wegen zündeten diese in der Nacht ein Kohlenfeuer an. Bald wurden sie müde und betäubt, so daß sie sich niederlegten und einschliefen. Tags darauf fand man auch diese auf dem Boden liegend; zwei waren todt, der dritte wurde mit genauer Noth gerettet.

Die untersuchenden Aerzte erkannten die Todesursache nicht; sie hielten ängstlich mit ihrem Urtheile zurück. Die Herren Geistlichen aber, welche eben gar keine Ahnung von der Wirkung giftiger Stoffe auf den menschlichen Körper hatten, wußten trotz der auffallenden Erscheinungen, unter denen der Tod erfolgt, trotz der erstickenden Atmosphäre in dem engen Raume, ganz genau, daß der – ††† Teufel diese Leute umgebracht habe. Sie ruhten nicht eher, als bis die Körper der Verstorbenen dem Henker übergeben wurden, der sie wie die gemeiner Mörder hinausschleppte und verscharrte.

Als Fr. Hoffmann, der vorstehenden für die Geschichte des Kohlendunstes so interessanten Vorfall uns überliefert, in einer kleinen Schrift gegen diesen Unfug zu Felde zog und nachwies, daß der Kohlendunst die Ursache des Todes gewesen, erhob sich in der gelehrten Welt über diesen Gegenstand ein erbitterter Streit. Und, merkwürdig genug, ergriff gerade ein Arzt in Jena, Namens Andreä, mit allem Eifer die Partei des Teufels. Der Streit endete, nachdem die medizinische Facultät in Leipzig, von der man ein Gutachten einholte, zu Gunsten Hoffmann’s entschieden hatte.

Der Teufel hatte die vier Leute allerdings umgebracht, aber diesem Teufel fehlten der Pferdefuß und die Hörner – der Teufel der Herren Geistlichen, welcher manchem gelehrten Herrn heute noch in dieser Gestalt erschienen sein soll: er war in Gestalt eines Giftgases in die Leute gefahren. Just derselbige Teufel hat erst noch in dem letzten Winter zweiundsechszig Personen in Berlin seine Aufwartung gemacht und manche davon umgebracht!

Um so räthselhafter klingt dieser im achtzehnten Jahrhundert zu Jena vorgekommene Fall, als schon den Alten die Thatsache bekannt war, daß der Dunst, welcher von glühenden Kohlen ausgehaucht wird, auf Menschen und Thiere tödtlich wirken kann. Plutarch und Florus erzählen uns, daß schon im Jahre 87 vor Christi Geburt der Kohlendunst zum Selbstmord angewendet worden: Lutatius Catulus, den der grausame Marius tödten lassen wollte, entleibte sich durch Einathmen von Kohlendunst. Der Kaiser Jovian starb in Folge einer Kohlendunstvergiftung und sein Vorgänger Julian würde dasselbe Schicksal gehabt haben, wenn er sich nicht sogleich, als Erbrechen und Umnebelung der Sinne eintrat, an die freie Luft begeben hätte.

In den letzten Jahren haben die durch Kohlendunst erzeugten Vergiftungsfälle in so außerordentlichem Grade zugenommen, daß man mit Recht behaupten kann: es herrscht ein allgemeiner Nothstand. Die Ursache desselben, den Kohlendunst, wollen wir seiner Quelle und seinem Wesen nach zunächst kennen lernen.

Verbrennt ein organischer Körper an der Luft, so ist dies ein chemischer Vorgang, bei welchem sich der Sauerstoff der Luft mit dem Kohlenstoff und dem Wasserstoff des Körpers verbindet. Es bildet sich Kohlensäure, eine Verbindung des Kohlenstoffs mit Sauerstoff, und Wasser, eine Verbindung des Wasserstoffs mit Sauerstoff. Ist bei einer Verbrennung der Sauerstoff nicht in ausreichender Menge vorhanden, so entsteht an Stelle der Kohlensäure das Kohlenoxydgas, eine Verbindung, welche weniger Sauerstoff enthält, als die Kohlensäure. Fehlt also z. B. in einem Ofen, in welchem man Holz oder Kohle angezündet, die zum vollständigen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_342.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)