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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

wir der schrittweisen Annäherung zum Freihandelssysteme im Anschluß an die westeuropäischen Culturstaaten, den Handels- und Schifffahrtsverträgen mit diesen verdanken, für diese beiden würtembergischen Obersteuerräthe in und außer Diensten nicht vorhanden sei, wobei, um Irrthümer zu vermeiden, bemerkt werden mag, daß Mohl außer Dienst, Vayhinger im Dienst ist. In Würtemberg gelten sie Beide für die Vertreter der einzig richtigen Nationalökonomie. Im Parlament hatten sie ein sehr entgegengesetztes Schicksal. Sie hatten das Höchste erreicht, wenn es ihnen gelang, während ihrer Reden den Ernst des Hauses zu bewahren. Vayhinger hatte noch den leichteren Standpunkt, er hat über ein ungewöhnliches interessantes Aeußere zu verfügen. Seine Haare sind ungescheitelt nach hinten gekämmt und hängen unordentlich, lang gewachsen tief in den Nacken. Durch die Brille blitzt ein lebendiges Auge, die Nase ist für diese groben Gesichtsmassen verhältnißmäßig fein, der Mund ungewöhnlich groß und beweglich, Backen und Kinn sind mit einem ansehnlichen sogenannten Demokratenbart bewachsen, die Kleidung ist nicht gerade gewählt, die Gestalt groß, beleibt, die Sprache hastig, dem schwäbischen Dialect unter allen am meisten fröhnend.

Moritz Mohl hat ein ungewöhnliches Aeußere. Er ist unter Mittelgröße, steif, pedantisch von Bewegungen, in einen braunen, unmodischen Rock gekleidet, wie es dem alten Junggesellen ziemt. Sein Gesicht ist mumienhaft vertrocknet, die Backenknochen vorstehend, die Augen klein, blaßblau, wehmüthig zum Himmel gerichtet. Auf der Oberlippe trägt er einen völlig weißen, nach unten zu immer dicker werdenden Schnurrbart, am Kinn einen kurzen, weißen Henri quatre, auf dem Haupt eine braun-olivengrüne Perrücke, die die Stirn bis auf ein kleines Dreieck fast vollständig bedeckt. Mit diesem provocirenden Aeußeren, an das man sich erst gewöhnen muß, tritt er auf die Tribüne und läßt die alten Schlagwörter der ältesten Schutzzolltheorien rinnen. Mit neuen statistischen vermeintlichen Beispielen versehen, weissagt er dann von der Herabsetzung der Lumpenzölle den Untergang der deutschen Industrie und den Hungertod Hunderttausender, wie er ihn einstmals für Würtemberg vor dem Eintritt Würtembergs in den Zollverein weissagte. Das Eine ist Mohl nicht abzusprechen, große Gelehrsamkeit – sein Bericht über den preußisch-französischen Handelsvertrag betrug siebenundachtzig Druckbogen, aber er wurde erst nach Annahme des Vertrages fertig.

An Barnbüler’s der Lesewelt bekannter Gestalt vorübergehend, wenden wir uns zum Schluß zu dem besten Redner der Würtemberger, zu dem würtembergischen Justizminister Mittnacht. Am schärfsten zeigte er sich, als er die schwierige Aufgabe zu lösen hatte, die würtembergische Regierung gegen die Beschuldigung eines von dem norddeutschen abweichenden Wahlgesetzes und unerlaubter Wahlbeeinflussungen zu vertheidigen. Hätte er allein die Vertheidigung führen dürfen, ohne die gefährliche Beihülfe des Herrn v. Barnbüler, der Sieg des Tages wäre vermuthlich auf seiner Seite gestanden. Tiefe Stille lag auf dem Hause, als Mittnacht damals unter die Tribüne trat, vor die Bänke des Centrums, hinter ihm dichtgedrängt die Baiern und Würtemberger, sein Gesicht den Nationalen zugewendet und hier mit wunderbarer Kühnheit und Fertigkeit die unhaltbare Sache des Herrn v. Barnbüler vertheidigte, und dann wieder, als er die vom Abgeordneten Braun behaupteten Thatsachen in Abrede stellte, oder höhnisch mit den Wahlbeeinflussungen Preußens verglich, bis ihm dann Barnbüler in seiner edeln Dreistigkeit die ganze Partie verdarb. Auch Mittnacht ist nur wenig Tage geblieben, aber er hat den Eindruck hinterlassen, daß er das größte Talent, der beste Redner ist, den Würtemberg gesandt hat. Er ist, bis auf seinen niedergeschlagenen, oder den Gegenstand seiner Rede hastig und scheu streifenden Blick ein hübscher Mann zu nennen. Mittnacht ist von mäßiger Größe, hat eine bedeutende Stirn, vortreffliche, lebhafte Gesichtsfarbe, einen oratorischen Mund, einen starken, kurzgehaltenen, blonden Vollbart um Kinn und Wangen. Er spricht stets mit einer Anzahl Papieren in der Hand, laut, scharf, an Pausen des Beifalls gewöhnt.




Blätter und Blüthen.

Bock’s Briefkasten. 1. Herr C. A. B. schreibt: „Ich erlaube mir, Sie auf ein Mittel aufmerksam zu machen, das nach meiner festen Ueberzeugung große Erfolge zu erhoffen verspricht. Dieses Mittel ist warmer Kuhkoth oder Excremente von Kühen, was ein und dasselbe ist. Lachen Sie nicht darüber, mein lieber Herr Professor.“ – Nein, mein lieber Herr C. A. B., ich lache gar nicht; denn Etwas ist an Ihrem Lieblingsmittel. Aber warum sollen wir Menschen uns von den Kühen was machen lassen, was wir uns selbst durch „warme Breiumschläge“ weit bequemer, reinlicher und wirksamer (weil wärmer) machen können? Denn so wie diese Umschläge, und nicht anders, wirken Ihre frischwarmen Kuhkothumschlage. Daß dieselben, wie Sie meinen, bei der Bräune der Kinder nützlich sein können, dürfte in manchen Fällen nicht zu leugnen sein. Sie sind nämlich im Stande zum Zerweichen des festen Gerinnsels im Kehlkopfe und in der Luftröhre beizutragen.

2. Meinen bekannten und unbekannten Feinden diene hiermit zur Nachricht, daß ihre in so reichlichem Maße und jedenfalls mit inniger Freude mir zugesendeten frankirten und unfrankirten, geschriebenen und gedruckten Feindschaftsbezeigungen ihren Zweck ganz und gar verfehlen. Ich lese diese Zusendungen nämlich niemals, kann mich demnach weder ärgern noch ändern und kann sie auch nicht beantworten.

3. Ich bin bis jetzt, wie ohne Zweifel auch viele Leser der Gartenlaube, der Meinung gewesen, ich schriebe ziemlich unverblümt, ja deutlich grob. Allein der große Haufen Briefe vor mir, der großentheils recommandirt oder mit „Anbei ein Paket, ein Kasten u. dergl.“ versehen ist, belehrt mich eines Bessern. – So hatte ich von den Geheimmitteln gegen die Leiden der Menschen mehrmals geschrieben, daß sie alle gemeine Schwindeleien wären und nichts Anderes bezweckten, als den Leuten das Geld aus der Tasche zu stehlen. Trotzdem wünscht eine ganz hübsche Anzahl von Geheimmittelfabrikanten von mir ganz im Ernste, ja sogar unter Beilage von Goldstücken, daß ich ihre Fabrikate in der Gartenlaube empfehlen soll. Man merke sich: ein Mensch, der ein wirklich heilsames Mittel gegen dieses oder jenes Leiden seiner Mitmenschen besitzt und es nicht ohne Entgelt der Öffentlichkeit übergiebt, ist ein liebloser Egoist. – Auch Personen, die meine Expectorationen über die Geheimmittel mit Vergnügen gelesen haben wollen, fragen bei mir doch noch über neue in Zeitungen angepriesene Geheimmittel an. So lassen mir die nicht körperlich-, sondern gemüthskranken Jugendsünder mit der Laurentius’schen Kräftigungstinctur nicht Ruhe, trotzdem daß ich wiederholt erklärt habe: dieselbe besteht hauptsächlich aus Eisen und Chinin, ist ganz nichtsnutzig und kostet 40 Thaler, obschon sie einen Werth von nur wenigen Groschen hat. – Eine Anzahl von Briefen enthält entweder allopathische Recepte oder homöopathische Pülverchen und die Absender wünschen mein Urtheil darüber, ob diese von ihren Aerzten verordneten Arzneien auch wirklich helfen werden. Hätten sich in diesen Briefen die Absender nicht mit ihren Namen und Stande unterschrieben, ich würde solche Anfragen für eine mystisicirende Verhöhnung halten. Zum Ueberflusse soll ich auch das dumme Zeug noch zurückschicken. – Zur Cholerazeit soll man sich den Bauch warm halten, aber nicht blos bei Tage, sondern ganz besonders auch bei Nacht; wie? ist ganz gleich. Auf diese Verordnung hin sitze ich jetzt zwischen Bauchbinden der verschiedensten Farbe und Façon. Jede soll ich prüfen und empfehlen. Wollte ich dies, so müßte ich mehr als einen Bauch haben. – An Hrn. A. L. stud. in Berlin. Ueber das Hoff’sche Malzextract habe ich mich in der Gartenlaube schon (im Jahrgang 1862 Nr. 19) ausgesprochen. Es ist ein gewöhnliches Braunbier, versetzt mit dem Auszuge einiger bitterer Kräuter und der Faulbaumrinde. Die Zusammensetzung erleidet aber von Zeit zu Zeit einige Aenderungen, damit dem Schwindel nicht sogleich von den Chemikern auf die Spur zu kommen ist. Alle andern vorhandenen Malzextracte sind, als Nahrungsstoffe, dem Hoff’schen vorzuziehen. Was die übrigen Hoff’schen Malzpräparate betrifft, so ist ihre Wirkung aus unseren Körper keine andere, als die von andern Zuckerarten und Syrupen. – An C. P. Mit den Cocapillen verhält es sich wie mit allen andern Mitteln, die bei vielen und ganz verschiedenen Krankheitszuständen helfen sollen: sie sind nichtsnutziges Zeug.

4. Rücksichtslos sind manche Briefschreiber darin, daß sie ihren Namen und bisweilen auch den Wohnort so unleserlich unterzeichnen, daß selbst die Postbeamten daraus nicht klug werden können. So bin ich denn in den Besitz einer ganz netten Zahl von Briefen mit „Retour“ und um verschiedene Groschens gekommen.

Bock.



(Wird fortgesetzt.)


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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_384.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)