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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

so viel als es im beschränkten Raume nur irgend möglich ist, naturgemäße Verhältnisse herzustellen. Dieser ersten Regel danke ich auch zweifellos meine bisherigen Erfolge in der Zucht dieser Vögel.

Mit Einschluß der schon selbstgezüchteten Jungen ist meine befiederte Gesellschaft bereits bis auf einige neunzig Köpfe angewachsen. Unter ihnen sind einerseits Bewohner aller Welttheile vertreten und andererseits besitze ich mindestens je ein Paar sämmtlicher bei den Vogelhändlern von Berlin, Hamburg, Antwerpen und Paris gangbaren Finkenarten, namentlich der durchgängig allerliebsten Prachtfinken oder Amadinen, und sodann eine Anzahl der kleinsten Papageien. Von deutschen Vögeln habe ich nur zwei sehr schöne Bartmeisen.

Wenn wir Hineintreten, schwirrt alles kleine Volk scheu auseinander und flüchtet schleunigst in die Dickichte oder andere Verstecke. Denn zur durchaus naturgemäßen Behandlung gehört auch der Ausschluß jeder Zähmung, mit alleiniger Ausnahme der ganz freiwilligen Annäherung. Letztere ist denn auch bei manchen bereits in hohem Grade vorhanden, jedoch nur gegen mich selbst und meine Frau; sie zeigt sich aber niemals in Gegenwart Fremder. Dennoch, sobald wir auf dem zur Beobachtung bequem eingerichteten Sopha Platz genommen und uns durchaus regungslos verhalten (gesprochen darf werden), entfaltet sich bald ein gar buntes, lustiges Leben rings um uns her.

Die Dreistesten oder Zutraulichsten umschwirren uns in größter Nähe. Goldbrüstchen (vom Senegal), ein zierliches, goldgelbes Vögelchen, mit seitwärts reizend gebändertem Gefieder, hat eine große Feder gefunden und sucht den Schaft derselben weichzuknabbern. Das kann aber der Amaranth (wissenschaftlich Carmin-Astrild, aus Senegambien), ein ganz dunkelrother, in den Sonnenstrahlen förmlich erfunkelnder Vogel, nicht leiden, denn er braucht die Feder zum Auspolstern seines Nestes ja ebenfalls. So beginnt nun ein gar hitziger, im Grunde jedoch sehr harmloser Kampf, an dem sich auch ein wunderniedlicher, blutrother und weißgepunkteter Tigerfink (aus Ostindien), von den Händlern „Kleiner Senegali“ genannt, ferner ein zartgrauer, rosenroth überhauchter Astrild (aus Abessinien, Kordofan, Guinea etc.) und das noch viel schönere, ebenfalls graue, jedoch dunkelroth überhauchte und zierlich dunkelgewellte Fasänchen (aus Süd- und Mittelafrika) betheiligen. Nicht lange aber, denn der Streit wird schnell entschieden, indem Elsterchen (aus Westafrika) mit schwarzem, metallgrünglänzendem Kopf, reinweißer Brust und dunkelm Oberkörper, welches kaum größer, jedoch das keckste und muthigste von allen ist, herbeistürzt und mit Hülfe einiger nach allen Seiten ausgetheilten Schnabelhiebe sich des Zankapfels bemächtigt. Doch Elsterchen kann die Feder nicht brauchen; es baut nur aus Halmen und Fäden sein Nest und wirft daher die nur zum Zeitvertreib aufgegriffene bald wieder fort. Sowie sie aber kreiselnd hinabfällt, geht die Jagd der genannten kleinen Helden in eifrigster Weise wieder an und wird meistens erst dadurch entschieden, daß einer der gewandtesten, das schön hellaschgraue Orangebäckchen (vom Senegal), mit hübschen gelben Wangen, oder der graue Schönbürzel (bei den Händlern Gris-bleu, aus Westafrika), mit duftig, gleichsam bereift blaugrauem Gefieder und dunkelblutrothem Schwanze, oder der außerordentlich zarte Schmetterlingsfink (bei den Händlern Cordon-bleu oder „Benguelift“, ebenfalls aus Westafrika), welcher an der Unterseite glänzend lichtblau, oberhalb bräunlichgrau ist und lebhaft rothe Bäckchen hat, die Feder hurtig auffängt und damit in’s Nest schlüpft.

Die bis hierher genannten Vögel, welche kaum über die Größe unseres deutschen Zaunkönigs hinausgehen, haben mit Ausnahme des Elsterchens sämmtlich schönrothe Schnäbel und der des Fasänchens ist sogar wundervoll glänzend korallenroth. Einige von ihnen: Goldbrüstchen, Astrild und Fasänchen haben auch hübsch rothe Augenbrauen, das heißt einen rothen Strich vom Schnabel über dem Auge bis zum Ohr. Sie alle gehören zu den von Brehm so treffend benannten Prachtfinken, deren Zucht und Lebensbeobachtung ich mir vorzugsweise zur Aufgabe gemacht habe und für die ich auch die Theilnahme der Leser erwecken und möglichst in Anspruch nehmen möchte. Bevor ich jedoch in näheren Mittheilungen über sie mich ergehe, müssen wir uns noch weiter in der Vogelstube umsehen.

Auf dem Futterplatze tummelt sich eine andere Gesellschaft.

Ein Stahlfink, seines herrlich blauschwarzen Gefieders mit weißem Schnäbelchen und rosenrothen Füßen wegen, von den Händlern „Atlasvogel“ genannt (aus Abessinien, Nubien oder vom Senegal), sucht mit sonderbarem Geschrei die andern zu verscheuchen. Ihm hält jedoch ein Silberfasänchen (aus Nubien, Sennaar, Sudan oder Kordofan), mit schlicht weißlich-grauem, sein gewelltem Gefieder, tapfer Stand. Ringsherum hüpfen ziemlich friedlich untereinander die Weibchen der schon genannten, ferner ein Paar noch andere Silberfasänchen (aus Indien und Bengalen), dem vorigen sehr ähnlich, nur ein wenig dunkler; dann ein Paar Muskatvögel (aus Ostindien, besonders von Java), welche oberhalb dunkelbraun und unterhalb weiß, überall sehr hübsch braun gepunktet sind; auch bräunlich-graue Bandvögel (aus Kordofan und Dongola), von denen das Männchen einen breiten, sammetrothen Streifen um die Kehle und eine rothbraune Rebhuhnszeichnung auf der Brust trägt.

Plötzlich prallt die ganze Gesellschaft auseinander, denn ein Tropfenfink (bei den Händlern „Diamantvogel“, aus Südaustralien), welcher größer als alle andern, mit Ausnahme des Bandvogels, ist, kommt herbei. Dieser „Diamant“ ist hinsichtlich des bunten und zugleich geschmackvollen Gefieders wirklich ein selten schöner Vogel; oberseits aschgrau, Kehle, Brust und Bauch reinweiß, an der Brust und dem Bauchrande tief sammetschwarz, mit mehreren Reihen weißer, knopfähnlicher Punkte an beiden Seiten unterhalb der Flügel, mit prachtvoll scharlachrothem Bürzel, dunkelrothem Schnabel und Rändern um die Augen. Fast noch farbenprächtiger ist sein Landsmann, der braunwandige Bänderschwanzfink (bei den Händlern „Zebradiamant“, aus dem Innern Australiens), mit oberhalb braungrauem, unterhalb hellerem, sehr bunt und geschmackvoll gewelltem oder seingebändertem Gefieder, an dem namentlich die lebhaft kastanienbraunen Backen angenehm in’s Auge fallen.

Eine wahrhaft bewundernswerthe Erscheinung gewähren aber jene sonderbaren Vögel, etwa von der Größe des deutschen Edelfinken, deren Schweif ihre eigene Länge wohl um das Doppelte und Dreifache übertrifft und im Fluge gar malerisch durch die Luft wallt, während er beim Sitzen oder Gehen ebenfalls sehr zierlich getragen wird. Dies sind die sogenannten Wittwen, ganz besondere Mitglieder der zahlreichen Finkenfamilie. In meiner Vogelstube giebt es ihrer zwei: die Paradieswittwe (aus Angola), welche in Frankreich, ihres ansprechend rothgelben Halses und Nackens wegen, „Wittwe mit dem goldenen Halsband“ genannt wird, und die etwas kleinere, lieblich weißbunte und sehr lebhafte Dominicanerwittwe (aus Südafrika), mit hübsch rothem Schnäbelchen.

Diese Wittwen, der vorhin genannte Stahlfink, eine Anzahl sehr farbenreicher Weber und noch einige andere haben eine ganz eigenthümliche, sehr auffallende Eigenschaft. Sie erscheinen nämlich den größten Theil des Jahres hindurch, zwischen sieben bis neun Monaten, in schlichtgrauem, meistens sehr unansehnlichem Gefieder und nur zur Zeit ihrer Liebe verfärben sich die Federn, jedoch ohne auszufallen, allmählich zu glänzendster Farbenpracht. Der Stahlfink wird schwarz, die Weber werden feuerfarben und schwarz, „Orangevögel“, richtiger Feuerfinken (aus Nubien, Abessinien und vom Senegal); oder prächtig gelb und schwarz, „Napoleonsvögel“, richtig ebenfalls Feuerfinken (aus Südnubien), und die Wittwen erhalten, außer dem bunten Gefieder, auch jetzt erst die langen Schwänze, während diese bis daher nur denen aller übrigen Vögel gleichen.

Als die Perle meiner Vogelgesellschaft betrachte ich jedoch einen ganz einfach lichtgrauen Finken, der oberhalb dunkler, unten heller, fast weißlich ist, mit ganz weißem Bürzel, und der sich zunächst nur durch seine Haltung und sein edles Wesen kenntlich macht. Doch nicht lange, da beginnt er seinen herrlichen Gesang, der schmetternd, aber keineswegs gellend, nach Brehm’s Urtheil zwischen dem der Haidelerche und des Canarienvogels in der Mitte steht. Der Vogel, Fringilla leucopygos, aus dem Innern Afrikas, heißt in Paris, von wo ich mir das erste Pärchen mitbrachte, „Chanteur d´Afrique“ und hat bis jetzt noch keinen deutschen Namen. Daher darf ich es mir wohl herausnehmen, ihn hiermit „grauer Edelfink“ zu taufen, indem ich ihn zugleich als einen sehr liebenswürdigen und leicht zu züchtenden Vogel den Lesern angelegentlichst empfehle.

Auch ein anderer, erst seit Kurzem häufig nach Deutschland gekommener Fink, Euethia cauora aus Cuba, wird im Handel

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_392.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)