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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

bis jetzt nur französisch „Chanteur de Cuba“ genannt. Da er ein liebliches, olivengrünes Vögelchen, mit sehr breitem, lebhaft gelbem Halsband und von sehr anmuthigem Benehmen ist, so möchte ich ihn unter dem Namen „Shakespeare-Kragen“ ebenfalls empfehlend einführen.

Eine große Anzahl noch anderer, mit denen ich im Laufe der Zeit gewechselt und zu denen wir gelegentlich noch ebenfalls gelangen, machen den Beschluß meiner finkenartigen Vögel. Der Besucher ist unterdessen aber bereits davon belehrt, daß es hier auch noch andere Bewohner giebt. Auf der Tanne vor uns wiegt sich eine ganze Familie der allerliebsten kleinen Sperlingspapageien aus Brasilien, von denen die Weibchen ganz einfach schön grün, die Männchen ebenso gefärbt sind, aber wundervoll blaue Unterflügel haben. Ich halte diese Zwergpapageien für die lieblichsten fast aller Stubenvögel. Gegen die Zärtlichkeit der Gatten untereinander oder der Eltern zu den Kindern ist die sprüchwörtliche der Turteltauben gar nichts; damit vereinigt sich ein außerordentlich intelligentes und geistig begabtes Wesen und noch viele andere ruhmenswerthe Eigenschaften. Um so mehr erfreut bin ich deshalb darüber, daß ich die Gelegenheit fand, diese lieben Vögel in ihrem Familienleben genau zu beobachten, indem sie – zweifellos in Europa zum ersten Male – in meiner Vogelstube bereits drei Bruten erzogen haben und die zuerst flügge gewordenen Jungen ebenfalls schon nisten.

Auch noch andere Zwergpapageien, sowie Wellensittiche, Korellas und andere sind in meiner Gesellschaft, jedoch getrennt in einzelnen Käfigen, zu finden. Da ich aber mit ihnen allen bisher noch keine Erfolge gehabt, so übergehe ich sie vorläufig.

Es ist meine Absicht, in diesen Mittheilungen aus meiner Vogelstube den Lesern zugleich thatsächlichen und möglichst reichen Nutzen zu bringen. Um das aber befriedigend zu ermöglichen, muß ich auf die Absichten und Gesichtspunkte, die bei der Einrichtung maßgebend waren, kurz eingehen.

Alle einsichtigen Natur- und Menschenfreunde stimmen darin überein, daß der Fang und bezüglich das Gefangenhalten unserer einheimischen Singvögel ein Ende nehmen müssen, wenn nicht das Aussterben der meisten Arten unvermeidlich und damit zugleich der Ertrag der Felder, Gärten und Wälder, durch immer mehr überhand nehmende Insectenplagen, auf das Ernstlichste gefährdet werden soll. Längst schon ist auf diese die Menschenwohlfahrt bedrohende Wahrheit von Männern wie Roßmäßler, beide Brehm[WS 1], Karl Vogt und Andere mit immer größeren: Nachdruck hingewiesen worden. Dies „Schutz den Vögeln!“ habe auch ich seit einer Reihe von Jahren als einen ernsten Theil meiner Lebensaufgabe erachtet, indem ich in zahlreichen Zeitschriften und in meinen Büchern unablässig nicht allein daran gemahnt, sondern die Leser auch über die Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit der Singvögel aufzuklären gesucht habe.

Im Gegensatz zu diesen: Streben stehen nun aber meine eigene und die Vogelliebhaberei vieler anderer Leute. Immerhin wird man zugeben müssen, daß eine Liebhaberei, die in edlen Motiven – entweder in der Sehnsucht nach einem lebendigen Wesen in der Nähe oder in der Freude und dem Genuß, welche der Vogelfang bietet, oder auch in der Beobachtung und dem Studium des Vogellebens – fußt, doch zweifellos billige Berücksichtigung, ja, noch viel mehr, eine volle Berechtigung beanspruchen darf. Hier würden also die Rücksichten auf das Allgemeinwohl mit denen einzelner Interessen in gar argen Widerspruch gerathen, wenn nicht zufällige Verhältnisse einen guten Ausweg bieten könnten. Und diese möglichst auszunützen, ist der erste Zweck meiner Vogelstube.

Seit vielen Jahren werden nämlich aus Ost- und Westindien, namentlich aber aus Afrika und neuerdings auch aus Australien und Nordamerika zahlreiche Schiffsladungen von allerlei Schmuck- und Ziervögeln auf die europäischen Märkte gebracht, wo sie, trotz der noch recht hohen Preise – welche von zwei, drei, vier bis zehn, zwölf und fünfundzwanzig Thaler für das Pärchen nur der kleineren Arten wechseln – doch stets willige Käufer finden. In diesen Vögeln vermögen wir vollen Ersatz für die einheimischen zu finden. Denn nicht allein hohe Farbenpracht und anmuthiges Benehmen, sondern auch den herrlichsten Gesang bieten sie uns. Es ist ein arges Vorurtheil, daß nur deutsche Vögel schön singen; wir werden in den weiteren Schilderungen exotischer Vögel noch manchen wundervollen Sänger kennen lernen.

Diese fremden Vögel, d. h. vorzugsweise die Prachtfinken und kleinsten Papageiarten, in jahrelang unausgesetzt fortlaufenden Versuchen zu züchten, sie als Stubenvögel in der Weise des Canarienvogels und besonders zum vollen Ersatz für die einheimischen Singvögel – zu acclimatisiren und, wenn irgend möglich, zu verallgemeinern, das war die Veranlassung, welche mich die Vogelstube begründen ließ. Auf dem Wege, den ich, freilich mit außergewöhnlichen, trotz aller Vorsicht keineswegs erwarteten Schwierigkeiten, eingeschlagen, hoffe ich nun Folgendes zu erringen: Zunächst eine genaue Beobachtung der Lebensweise aller dieser Vögel, die zum großen Theile im Freileben bis jetzt noch wenig oder gar nicht beobachtet worden sind. Wenn auch die Gefangenschaft in dieser Hinsicht immerhin Hindernisse birgt, so ist die Freiheit in der Vogelstube doch mindestens eine annähernd entsprechende – namentlich in Anbetracht der langen, martervollen Gefangenschaft, welche alle diese Thierchen durchmachen mußten. Ich hoffe recht beachtenswerthe Ergebnisse zu erlangen – und habe sie bereits erlangt–, deren reinwissenschaftlichen Theil ich in Cabanis’ „Journal für Ornithologie“ zu veröffentlichen gedenke. Sodann werde ich, nach eigenen und auch fremden Erfahrungen, zuverlässig ermitteln, welche dieser Vogelarten sich in der Stube ohne große Schwierigkeiten fortpflanzen und damit also immer billiger anschaffen und auch für minder wohlhabende Leute verallgemeinern lassen. Diesen werde ich schließlich meine ganze Sorgfalt zuwenden, um sie durch populäre Lebensbilder Jedermann bekannt, beliebt und geschätzt zu machen. Vielleicht ist dadurch – selbstverständlich erst im Laufe der Zeit und auch nicht durch die Versuche des Einzelnen, sondern durch die zahlreich erweckte und recht allgemein und eifrig betriebene Zucht vieler Liebhaber – es zu ermöglichen, daß einerseits die einheimischen Singvögel als Stubengenossen wirklich entbehrlich gemacht werden können und daß andererseits zugleich der Einfuhr der fremden, dem massenhaften Hinmorden und der damit ebenfalls drohenden Ausrottung in ihren Heimathsländern endlich ebenfalls ein Ziel gesetzt werde. In dem nächsten Abschnitte theile ich meine bisherigen Erfahrungen und Erfolge mit.

Karl Ruß.




Bilder aus den Alpen.

2. Die Landsgemeinde.
Ein Frühlingsfest der Demokratie.

„Wenn der Kukuk ruft, wenn erwachen die Lieder, wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu, wenn die Brünnlein springen im lieblichen Mai“, da lebt nicht nur der einzelne Mensch wieder frisch auf und schüttelt die Sorgen des langen Winters von sich, sondern auch die Staatsorganismen treiben im freien Schweizerlande ihre Blüthen. Obschon in politischer Beziehung nicht mehr zu Deutschland gehörend, ist dennoch die Schweiz das Land, in welchem sich altdeutsche Rechtsinstitute am längsten erhalten haben. Wie im alten Frankenreiche das März-, später Maifeld den Eintritt des Frühlings im Staatsleben verkündete, so wiederholten sich diese Versammlungen der Freien im Kleinen in den vielen städtischen und ländlichen Gemeinwesen, in welche das große Reich zerfiel.

Immer, wenn der Frühling herannahte, traten die Freien zusammen und wählten sich ihre Vorsteher und Räthe. Viele dieser Gemeinwesen verloren aber durch Kriege und Eroberungen ihre Freiheit, sie wurden mit anderen zu größeren Staaten verschmolzen, und es dauerte lange, bis sie wieder zum Genusse bürgerlicher Rechte kamen, aber in ganz anderer, modernerer Weise. Von diesem Assimilirungsprocesse machten nur wenige, durch Berge und Seen von der übrigen Welt abgeschlossene Thäler eine Ausnahme und behielten ihren altdeutschen Wahl- und Abstimmungsmodus bei. Die Landsgemeinde, in welcher derselbe seinen Ausdruck findet, ist nicht nur ein Staatsact, sondern ein Volksfest im wahren Sinne des Wortes, es ist die Huldigung, welche das Volk

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_393.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)