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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Was würden die Franzosen sagen, wenn bei der unglücklichen Schlacht von Roßbach der Marschall Karl Rohan, Fürst von Soubise, ausgerufen: ‚Finis Galliae!‘ oder wenn man ihm in den Beschreibungen seines Lebens dies grausame Wort in den Mund gelegt hätte!

Ich werde Ihnen daher verbunden sein, wenn Sie in der neuen Ausgabe Ihres Werkes nicht mehr von diesem ‚Finis Poloniae!‘ sprechen wollen, und ich hoffe, daß der Einfluß Ihres Namens allen Denen Schweigen gebieten wird, die in Zukunft dies Wort wiederholen und mir eine schmachvolle Lästerung (un blasphème) zuschreiben wollten, gegen die ich mit meiner ganzen Seele Verwahrung einlege.

Es ist mein Vetter und Zögling, der junge Georg Zenowicz, der die Ehre haben wird, Ihnen diesen Brief einzuhändigen. Obgleich es seine Absicht ist, sich der kriegerischen Laufbahn zu widmen, wird er gleichwohl glücklich sein, sich Ihres wohlwollenden Schutzes würdig machen zu können, wenn die Verhältnisse ihn je in die Lage setzen, desselben zu genießen.

Empfangen Sie, Herr Graf, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.

      Paris, den 10. Brumaire, im Jahre XII. (31. (October 1803). T. Kosciuszko.

Dies der Brief, der allen Zweifel niederschlägt. Ich habe nach dem von der Redacteur der „Gartenlaube“ mir mitgetheilten Schreiben von einem Polen von hervorragender Stellung, auf die an ihn gerichtete Anfrage, die Nachricht erhalten, daß sich die Urschrift des Kosciuszko’schen Briefes in dem Urkundengewölbe der Familie Segur befindet.




Blätter und Blüthen.

Der Preis der Popularität. Vor einigen Jahren tritt eines schönen Sommermorgens Theodor Döring, der große Menschendarsteller, an eine der Fruchtbuden unter den Linden in Berlin, um eine Melone zu kaufen. Mit kundigem Auge wählt er die schönste Frucht aus dem Vorrath und fragt nach dem Preise.

„Diese Melone da kostet zwei Thaler,“ giebt die Händlerin, die jung und von angenehmem Aeußern ist, zur Antwort.

„Zwei Thaler? ein wenig sehr theuer!“ spricht der Künstler gedehnten Tones.

„Zwei Thaler für diese Prachtmelone ist durchaus kein zu hoher Preis,“ meint die Händlerin. „Für einen so berühmten Künstler, wie Herr Döring, ist eben das Beste doch nur gerade gut genug,“ setzt sie mit einem verbindlich graciösen Lächeln hinzu.

Die Mienen des Künstlers erhellen sich sichtbar.

„Wie, Sie kennen mich?“

„O, ich bitte, wie sollte ich Herrn Döring nicht kennen?“

„Haben Sie die Güte, mir die Melone einzuschlagen,“ sagt der Schauspieler und legt allsogleich zwei Thaler auf das Zahlbrett.

Die Melone wird in zartes rosa Seidenpapier geschlagen und der Künstler verläßt, die eingewickelte Frucht in der Hand, die Händlerin mit großer Huld grüßend, die Bude.

Es ist nicht Fashion – gilt wenigstens dem Berliner nicht dafür – zwischen den Linden selbst zu gehen. Unser Künstler wendet sich demnach links und setzt auf dem Trottoir auf der Kranzler’schen Seite seinen Weg fort. Da begegnet ihm von ungefähr der Komiker und urkomische Mensch, Rudolph Haase, damals Menschendarsteller am Thaliatempel des großen Deichmann.

„Ah, guten Tag, lieber Haase,“ redet der königliche Hofkomödiant den Collegen aus der Schumannsstraße mit herablassender Freundlichkeit an. „Wohin des Weges? Begleiten Sie mich doch ein Streckchen.“

Und der königliche Kunstbeamte legt mit einem plötzlichen Anflug cordialer Collegialität seinen Arm in den des komischen Gauklers.

„Ich habe mir soeben eine Melone gekauft und dabei eine mir schmeichelhafte Erfahrung gemacht,“ nimmt Döring weiter das Wort und erzählt den Vorfall. „Sehen Sie, lieber Haase,“ fährt er dann fort, „populär muß der Künstler sein, Popularität muß ihm seine Kunst und seine Künstlerschaft erwerben, darin bestehen seine erhabensten Lorbeeren. Alles Lob der Kritik und der einzelnen Kenner wiegt die Popularität nicht auf, kann sie niemals ersetzen. Und ich besitze diese Popularität, und ich bin stolz auf diesen Besitz“

„Hm,“ macht Haase, und sein unendlich gutmüthiges, mädchenhaft rosiges Gesicht nimmt einen unbeschreibbar komisch listigen und schlauen Ausdruck an. „Wat haben Sie für det Ding Melone bezahlt? Zwee Dahler? Is ’n bisken ville Jeld, aber ’t schad’t nischt. Woll’n wir nich ’n Ojenblick mang die Linden jehn?“

„Weshalb?“

„Na, komm’n Sie man, man enen eenzijen Ojenblick.“

„Aber ich begreife nicht, lieber Haase – indeß, wenn Sie es so sehr gern wünschen - -“

Die beiden Künstler überschreiten die Straße und promeniren die Linden hinauf nach dem „alten Fritz“ zu. Kanin haben sie zehn bis zwanzig Schritte gemacht, so hält Haase den Hofschauspieler zurück.

„Was giebt’s?“ fragt dieser.

„Passen Sie auf!“ antwortet Haase und legt seine Hand auf die Schulter eines Exemplars jener Species humani generis, die man Berliner Gamins nennt, welches eben eifrig die Affichen an einer Litfaßsäule studirt.

Der Junge dreht sich mit einem zornigen: „Nanu, wat is ’u det?“ um und starrt den beiden Männern in’s Gesicht.

„Junge, kennst Du mir?“ fragt Haase.

Ohne sich eine Secunde nur zu besinnen, setzt der edle Gamin beide Hände mit ausgespreizten Fingern an seine Nase und schreit: „Ach, Knobbe, Knobbe! Ich soll Knobbe’n nich kennen?“ (,Knobbe’ heißt nämlich jener an habituellen Zahnschmerzen – gegen die er erfolglos zwar, aber trotzdem nicht minder eifrig und unausgesetzt, gebrannte Wässer innerlich anwendet – leidende Schlossergesell in der bekannten Posse ,die Maschinenbauer’, dessen Figur eben Rudolph Haase’s Verkörperung auf der Bühne zu einer Berliner Originaltype geschaffen hat.)

„Da, Junge, hast’n Silberjroschen!“

„Seh’n Sie, Herr College,“ wendet sich jetzt der komische Mensch Rudolph Haase zu dem großen Künstler Theodor Döring, „Sie haben Recht, Popularität is für ’n Künstler die Hauptsache. Wir sind Beide populär – ich bin populär für’n Silberjroschen und Sie sind populär für zwee Dahler! Na, lassen Sie sich die Melone gut schmecken! Adieu!“

Theodor Döring, behauptet die Medisance, soll zu dieser Melone furchtbar viel Zucker verbraucht, dennoch aber ihr Fleisch bitter gefunden haben. C. F.




Deutscher Einfluß in Amerika. Die Deutschen in den Vereinigten Staaten von Amerika sind eine Macht geworden. Ihre Stimme ist in allen bedeutenden Fragen von großem Gewicht und zuweilen entscheidend. In allen westlichen Staaten, namentlich aber im Staate Missouri, wird ohne die Zustimmung der Deutschen keine Maßregel von Bedeutung angenommen. Und selbst in denjenigen Staaten, in denen bisher die Irländer die herrschende Partei waren, kommen die Deutschen täglich mehr zur Geltung. Es war ein Deutscher – Hermann Raster – der es in Chicago kürzlich durchsetzte, daß die republikanische Partei den Grundsatz annahm, daß die Vereinigten Staaten nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Geiste der die Vereinigten-Staaten-Obligationen creirenden Gesetze genügen, d. h. diese Obligationen, wenn sie fällig werden, in Geld zurückzahlen müssen. Ein Deutscher – Karl Schurz – war der vorläufige Präsident der betreffenden Convention. Im Staate New-York ist die für die deutschen Auswanderer so überaus wichtige Auswanderungscommission, in der früher nur Irländer regierten, von einem einflußreichen Deutschen – Friedrich Kapp – einem Mann, auf den die Deutschen mit Stolz hinweisen können, für die Interessen der Deutschen gewonnen worden. Mächtige deutsche Institute erstehen überall. Eine deutsche Sparbank, eine deutsche Feuerversicherungs-Gesellschaft und eine deutsche Lebensversicherungs-Gesellschaft nehmen unter ähnlichen Anstalten New Yorks den ersten Rang ein. Namentlich hat sich die Lebensversicherungs Gesellschaft Germania zu New-York unter der Leitung des aus dem Jahre 1848 bekannten früheren Parlaments-Abgeordneten Wesendonck eines blühenden Aufschwunges zu erfreuen, und man wird daher dort mit Freuden vernehmen, daß diese Gesellschaft nunmehr auch in den meisten Staaten Deutschlands concessionirt ist. Die Deutsche Gesellschaft zu New York hat ein Wechsel- und Passagegeschäft etablirt, welches den deutschen Einwanderer, der kleinere Summen nach Deutschland zu senden hat oder seine Freunde nach den Vereinigten Staaten kommen lassen will, von den Blutsaugern befreien wird, die den Auswanderer bisher ausbeuteten. Das deutsche Hospital naht seiner Vollendung und bietet einen neuen Beweis, wie unter den größten Schwierigkeiten ein gutes Unternehmen dennoch durchgeführt werden kann, wenn es mit Energie angegriffen wird. Kurz, es ist erfreulich, zu bemerken, daß der deutsche Name hier täglich mehr zur Geltung gelangt, und auch im Congreß, sowie unter den Vertretern der Vereinigten Staaten im Auslande werden die Deutschen in kurzer Frist Namen haben, die uns berechtigen, stolz darauf zu sein, daß das deutsche Vaterland überall ist, wo die deutsche Zunge klingt. Viator.




Das Lutherdenkmal in Worms, dessen Enthüllung (s. Abbildung) vor wenigen Tagen stattgefunden hat, gehört unstreitig wie zu den bedeutendsten, so auch zu den umfänglichsten Sculpturwerken aller Zeiten. Ueber die Einweihung des Monumentes selbst werden wir in der nächsten Nummer unseres Blattes aus der Feder unseres Specialcorrespondenten, Arthur Müller’s, des bekannten freisinnigen Dramatikers, eine eingehende Schilderung bringen.




Zur gefälligen Beachtung!

Den Abonnenten der Wochenausgabe unsers Blattes, die erst mit dieser Nummer zugetreten sind, machen wir die Anzeige, daß sie die beiden Nummern, welche die ersten Abschnitte der eben laufenden Novelle von Louise Mühlbach Prinz oder Schlossergeselle enthalten, durch jede Buchhandlung zu dem Preise von 5 Ngr. beziehen können. Die Verlagshandlung

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 432. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_432.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)