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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

‚Ich liebe ihn, ich liebe ihn!’ da hatte sie diese süße Stimme immer wieder niedergedrückt mit den Worten: ,Sei vernünftig, Cläre, sei vernünftig!’

Und gewiß, das wollte sie, sie wollte recht vernünftig sein. Mit diesem festen Vorsatz war sie hinuntergegangen in den Garten, und den Ludwig Preuß wollte sie nimmermehr allein wieder sprechen, und das wollte sie ihm sagen, jetzt, wenn er käme, um in die Schmiede zu gehen. Er wird sicherlich zur Laube kommen und nachsehen, ob die Cläre da ist, und er soll nicht denken, daß sie hier sitzt und auf ihn wartet, sie ist es gewohnt in der Laube zu sitzen und achtet gar nicht darauf, was draußen vorgeht.

Das sagte sie Alles zu sich selber, während sie auf der Bank saß und eifrig nähte. Sie hatte sich so gesetzt, daß sie dem Eingang der Laube den Rücken zuwandte und nur auf ihre Näharbeit sah. Aber das Hören konnte sie sich nicht verbieten, und da hörte sie jetzt den raschen Schritt, der den Steg heraufkam, und hörte, wie er inne hielt neben der Laube.

„Guten Morgen, schön Clärchen.“

„Guten Morgen, Mosje Ludwig Preuß.“

Und sie stand auf und machte einen ehrbaren Knix.

Er aber lachte laut auf und reichte ihr beide Hände hin.

„Wie schön Du bist, Du süßes Lieb!“

Sie legte ihre Hände nicht in die seinen, sondern hielt sie krampfhaft ineinander geschlungen, als wollte die eine die andere halten, damit sie nicht ungestüm sich in die dargereichten Hände lege.

„Ich hab’ Euch etwas zu sagen, Mosje Ludwig Preuß,“ sprach sie hastig und athemlos.

Sein Gesicht ward ernst und traurig, er zog die Hände zurück und neigte das Haupt.

„Was ist es, Jungfer Cläre? Ich seh’ es wohl, Ihr wollt mir schon jetzt den Abschied geben und der Traum ist aus. Was habt Ihr mir zu sagen?“

„Daß es nicht so geht und daß ich sehr thöricht war, Euch diese Nacht zu bitten, mich so ,Du’ zu nennen. Es schickt sich nicht für eine ehrbare Bürgerstochter, und ich weiß ja gar nicht, ob Ihr nachher nicht über mich lacht und über mich spottet.“

„Nachher! Was meinst Du damit, Cläre?“

Er trat ein in die Laube, während er das fragte, drückte sie nieder auf die Bank und setzte sich neben sie.

„Nachher! Was meinst Du damit, Cläre? Wann sollte ich Dich verspotten, wann? nachher?“

„Dann, wann Ihr fortgeht von hier, wann Ihr es satt habt, mit der Cläre zu schäkern und zu lachen, dann –“

Sie konnte nicht weiter sprechen, denn er hatte seinen Arm um ihren Hals geschlungen und drückte sie an sich und drückte einen glühenden Kuß auf ihre Lippen.

Aus der Schmiede tönte es mit frischem Klang: tick, tack, und die Funken flogen und die Gesellen sprachen und lachten durcheinander. Aber in der Laube war es still und Cläre hat das Köpfchen an Ludwig’s Brust gelehnt und hörte ganz selig zu, wie er leise Worte in ihr Ohr flüsterte, und sie klangen so süß und so hold, wie das Flöten der Nachtigall, die nicht fern von ihnen im dichten Gebüsche saß.

Aber wie sie noch lauschte und selig war, da hörte sie auf einmal wieder die Stimme: ,Sei vernünftig, Cläre, sei vernünftig!’ Und die klang lauter als die andere: ,Ich liebe ihn, ich liebe ihn!’ – ,Sei vernünftig, Cläre!’

Da hob sie ihr Köpfchen empor und sah ihn an und ihre großen blauen Augen schienen ihm tief in die Seele zu blicken. Denn er verstummte auf einmal und es ging wie ein Schreck über sein Angesicht hin und seine Wangen übergoß eine tiefe Gluth.

„Möcht’ wissen,“ flüsterte sie ganz leise, immer noch die großen blauen Augen auf sein Gesicht geheftet, „möcht’ wissen, ob Ihr’s ehrlich meint.“

„Was heißt das, Cläre, ob ich’s ehrlich meine? Willst fragen, ob ich’s ehrlich sage, daß ich Dich liebe?“

Sie schüttelte den Kopf. „Die Liebe mag ehrlich sein, aber ich meine noch etwas Anderes. Doch, wenn Ihr’s nicht wißt, was ich meine, dann laßt uns davon schweigen.“

Und es ward ihr auf einmal, wie sie das gesagt, ganz tapfer und lustig zu Muth. Die alte Cläre wachte wieder in ihr auf, die starke, muthige Cläre, die in ihr selber sprach: ,Sei vernünftig! sei vernünftig!’

„Hört, Mosje Ludwig Preuß, ich weiß nicht, wie Ihr so hier in der Laube sitzen könnt, da Ihr doch drinnen sein müßt in der Schmiede. Und wißt Ihr wohl: Ihr stört mich hier bei meiner Arbeit, die Mutter wird mit mir zanken, wenn ich nicht weiter damit bin; ich soll heute diese Handtücher alle fertig genäht haben, und Ihr thätet wirklich besser, wenn Ihr mich allein ließet und hinginget in die Schmiede zur Arbeit.“

Er sah sie an mit leuchtenden Augen, und sie gefiel ihm mit diesem trotzigen Gesicht, den glühenden Wangen und dem stolzen Blick noch prächtiger, als vorher mit dem zärtlichen Angesicht.

„O Cläre, Du bist ein prächtiges Mädchen, und ein Jammer ist es und ein rechtes Mißgeschick, daß –“

Er sagte ihr nichts weiter, sondern nickte ihr zu und sprang aus der Laube fort.

„Ich gehe und mache Nägel. Lebt wohl, und seid recht fleißig.“

Und da ging er in die Werkstatt, legte den Rock ab, griff nach der großen Zange und holte sich die Stange Eisen aus dem Feuer her. – Die Gesellen waren aufmerksam und zuvorkommend gegen ihn.

Der Lehrbursche machte sich eigens am Feuer zu thun, um ihm behülflich zu sein, und der Altgeselle machte respectvoll am großen Ambos Platz, weil man da am besten sehen konnte.

„Singt ein Lied, Burschen!“ rief Ludwig Preuß, indem er lustig auf das Eisen losschlug, daß die Funken sprühten, „singt mir ein Lied, Burschen! Ein lustiges Lied, recht etwas Tolles, Uebermüthiges! Und wenn’s hübsch ist, lad’ ich Euch dafür Alle heut’ Abend zum Bier ein in die Herberge.“

Sie stimmten ein Lied an und schrieen und schlugen mit ihren Hämmern den Tact dazu auf dem Ambos, daß es weithin schallte. Und das war eine Musik, so prächtig, daß sie Meister Kleemann hinauslockte aus der Stube, und da stand er in der Thür zur Schmiede, die Hände in die Seiten gestemmt und brüllte jetzt mit, so prächtig und so laut, daß der Ludwig Preuß vor Wonne laut aufjubelte und lachte und triumphirend dann dem Meister Kleemann die drei großen Brettnägel hinhielt, die er schon geschmiedet hatte. Sie wären wirklich sehr gut, und der Meister belobte ihn, obwohl die Spitzen ein wenig stumpf und der Kopf oben schief gehauen war. Doch es macht nichts, das Schmiedebandwerk ist ein gar schwieriges Handwerk, und es wäre schlimm, wenn so ein junger, hergelaufener Mosje es in ein paar Tagen lernen könnte, einen ordentlichen Brettnagel zu schmieden. – Es will Alles seine Zeit und seine Uebung haben und es hat Jedes seine Wissenschaft.

Aber zur Noth’, das mußte der Meister Kleemann schon gestehen, zur Noth konnte der Ludwig Preuß jetzt schon einen Brettnagel fabriciren, wenn auf seinem Bauerngut in der Schmiede Niemand anders da war.

„Wenn Ihr’s erlaubt,“ sagte Ludwig Preuß, als er sein halbes Dutzend Nägel wieder fertig hatte, „wenn Ihr’s erlaubt, Meister Kleemann, so hör’ ich jetzund auf, denn mir liegt die Nacht ein wenig in den Gliedern und die Arme sind heute ein bischen schwach.“

Der Meister nickte gravitätisch und lud ihn ein, an ihrem Mittagstisch heute Theil zu nehmen und mit ihm in den Garten zu kommen.

„Wer weiß, wie lange wir uns noch sehen, Mosje,“ sagte er, „denn ich denke mir, Er wird bald wieder fort gehen, und es kann sein, daß ich selber auch in diesen Tagen fort gehe. Habe Botschaft erhalten von meinem Schwiegersohn in spe aus Magdeburg. Es kann sein, ich gehe dahin, doch wir werden’s gleich hören: kommt mit mir in die Laube, da ist die Alte mit der Cläre.“

„Höre, Alter!“ rief die Meisterin aus der Laube den Ankommenden schon entgegen, „höre, Alter, die Cläre ist schon wieder obstinat!“

„Wie so denn? Was will sie denn?“ fragte der Alte rascher vorwärts eilend.

„Ich habe ihr gesagt, daß der Hans Werner einen Boten geschickt an seinen Vater, daß er krank liegt im Lazareth zu Magdeburg.“

„Und ich habe gesagt,“ rief die Cläre eifrig, „daß es mir recht leid thut um den Hans Werner, daß ich aber nicht dafür kann, daß er krank ist, und daß er ja seinen Vater hat, der sich um ihn bekümmern kann!“

„Und ich habe gesagt,“ rief die Mutter, „daß sein Vater unmöglich aus dem Geschäft jetzt fort kann, weil sein Altgeselle

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_435.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)