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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)


Von den äußeren Eigenschaften des Steines der Weisen geben uns die Schriftsteller nach dem dreizehnten Jahrhunderte genaue Beschreibungen, die aber freilich unter einander nicht ganz übereinstimmen. Paracelsus im sechzehnten Jahrhundert sagt, er sei eine sehr fixe Substanz, in Masse lebhaft roth wie Rubin und durchsichtig wie Krystall, dabei biegsam wie Harz und doch zerbrechlich wie Glas; gepulvert gleiche er dem Safran. Van Helmont im siebenzehnten Jahrhundert beschreibt ihn nach eigener Anschauung als ein schweres Pulver von Safranfarbe, schimmernd wie nicht ganz feingestoßenes Glas.

Von dem Steine zweiter Ordnung weiß man sehr wenig; er soll ein weißes glänzendes Pulver sein.

Wir wollen uns nun zunächst zu den historischen Beweisen für die Existenz des metallveredelnden Steines der Weisen wenden und dann zu seinen schätzbaren Eigenschaften.

Die gewichtigste Autorität für die Existenz des Steines der Weisen und die Wahrheit der Transmutation ist der als Arzt und Chemiker ausgezeichnete van Helmont, geb. 1577, ein Mann von der höchsten Gewissenhaftigkeit, dem die Wahrheit über Alles galt. Er war ein brabantischer Edelmann aus der Familie der Merode, aber er entsagte seinen Gütern und gab alle Vortheile seiner Geburt auf, um sein Leben nur guten Werken zu widmen; alles aus Ruhmsucht unternommene Studium aber hielt er für eitel. Seine Forschungen waren vorzüglich der Heilkunde, weniger der Alchemie zugewendet. Und dieser Mann beschreibt in mehreren seiner Schriften mit solcher Bestimmtheit die Transmutation von Quecksilber in Gold, daß es in der That fast ebenso schwer ist, an eine Täuschung bei dem ausgezeichneten Chemiker zu glauben, als an die Wahrheit der Erzählung. Van Helmont hat den Stein der Weisen nicht selbst dargestellt, aber er erhielt mehrmals von unbekannter Hand kleine Proben desselben. 1618 erhielt er ein Viertel Gran davon und verwandelte damit acht Unzen Quecksilber in reines Gold. Er war von diesem Erfolge so erbaut, daß er seinen eben geborenen Sohn Mercurius taufen ließ, und Franciscus Mercurius van Helmont wurde und blieb ein eifriger Alchemist bis an sein Ende 1699.

Dr. Helvetius, Leibarzt des Prinzen von Oranien im siebenzehnten Jahrhundert, ein berühmter Arzt, welcher im Rufe hoher Rechtlichkeit und Wahrheitsliebe starb, war ein Gegner der Alchemie. Plötzlich trat er 1667 als ihr eifrigster Vertheidiger auf. Ein Fremder hatte ihm ein Pröbchen des Steins der Weisen gegeben von der Größe eines halben Rübsamenkorns. In Gegenwart seiner Frau und seines Sohnes schmolz Helvetius dieses mit sechs Quentchen Blei – und das Blei wurde in das reinste Gold verwandelt, das Münzwardeine und Goldarbeiter als solches erkannten. Helvetius machte diesen Vorfall 1667 in einer eigenen Schrift bekannt, und Spinoza, gewiß kein Leichtgläubiger, nahm an der Sache den größten Antheil und sprach nach eingezogenen genauen Erkundigungen brieflich aus, daß diese Transmutation für ihn vollkommen überzeugend sei.

Solche Erzählungen bekehrten die Zweifler, bestärkten die Gläubigen und waren den Alchemisten Lichtpunkte in der Nacht ihres Strebens. Unzählige Geschichten hat man den mitgetheilten nachgebildet, wo angeblich Adepten vor vielen Menschen Blei in Gold verwandelten und dann spurlos verschwanden. Unbekannte spielen überhaupt, wie in den Criminalgeschichten, so auch in der Alchemie, eine große Rolle. Nur noch ein Beispiel davon. Ein Professor Martini zu Helmstädt († 1621) war ein Feind der Alchemie und bestritt die Gültigkeit der Beweise, welche für die Metallverwandlung angeführt wurden, in seinen Vorlesungen. Aber er wurde in merkwürdiger Weise zum Schweigen gebracht. Ein fremder Edelmann, der gerade hospitirte, unterbrach den Professor höflich und erbot sich aus Gründen der Erfahrung zu opponiren. Es wurde eine Kohlenpfanne, ein Tiegel und Blei herbeigeholt, und der Fremde verwandelte dieses Blei in Gold, das er dem erstaunten Professor mit den Worten hinreichte: solve mihi hunc syllogismum!

Als recht entscheidende Beweise für die Alchemie führen die Alchemisten die Münzen an, welche man aus alchemistischem Golde geschlagen hat. Sie sind so zahlreich, daß besondere Bücher darüber geschrieben worden sind. So erhielt Kaiser Ferdinand III. 1648 zu Prag von einem gewissen Richthausen einen Gran rothes Pulver, mit welchem der Kaiser eigenhändig dritthalb Pfund Quecksilber in Gold verwandelte. Daraus wurde eine große Medaille geschlagen, die sich noch 1797 in Wien befunden haben soll. Von einigen solchen Münzen hat man freilich später gefunden, daß sie unecht waren, so z. B. die Ducaten, die Kaiser Leopold I. 1675 aus angeblichem Golde schlagen ließ, das ihm ein Augustinermönch Seyler aus Zinn verfertigte, und welche die Inschrift tragen:

Aus Wenzel Seylers Pulvers Macht
Bin ich von Zinn zu Gold gemacht.

Solche historische Beweise begründeten denn auch bei den sonst etwas schwergläubigen Juristen die Ueberzeugung von der Existenz des Steines der Weisen. Sie widerstanden hier der Strömung der Zeit ebenso wenig wie beim Hexenglauben. Es ist eine juristische Streitfrage gewesen, ob alchemistisches Gold, das vom gewöhnlichen nicht unterschieden werden könne, letzterem vollkommen gleich gesetzt und dafür ausgegeben werden dürfe, weil es doch fraglich sei, ob es auch die geheimen Kräfte des natürlichen Goldes habe.


(Schluß folgt.)





Der letzte Dictator Venedigs.
Von Adolf Stahr.

„Der Mond der scheint so helle,
Die Todten reiten schnelle!

Ja, „sie reiten schnell“, die großen Todten unserer Zeit, welche gefallen sind in dem heiligen Kampfe für die Freiheit und Selbstbestimmung der Völker, in diesem Kampfe, dessen Fortgang unaufhaltbar und dessen letztlicher Ausgang so unzweifelhaft sicher ist, wie das E pur si muove! („und doch bewegt sie sich!“) Galileo Galilei’s, jenes heimlich geflüsterte Wort des durch die Folter der Inquisition zum Abschwören der Wahrheit gezwungenen Märtyrers der freien Forschung.

Der Mann, der uns in den nachstehenden Blättern beschäftigen soll, ist dafür ein leuchtendes Beispiel.

Am 22. September des Jahres 1857 legte in Paris nach langen schweren Leiden ein verbannter Mann, der einstige Dictator der alten Lagunenstadt, Daniele Manin, gebrochenen Herzens sein müdes Haupt zur ewigen Ruhe. Nur wenige Freunde geleiteten seinen Sarg zur Ruhestätte in fremder Erde, und auch diesen war es versagt, ihrem Schmerze um den Todten anders als durch ihre Thränen Ausdruck zu geben und dem dahingegangenen großen Bürger Italiens Worte des Preises und Ruhmes nachzurufen in sein bescheidenes Grab. Denn in Frankreich durfte und darf nur Einer reden, oder nur die, denen dieser Eine es erlaubt, und Louis Napoleon’s Polizei hatte alles Reden am Grabe des großen Todten untersagt!

Als ich ein Jahr darauf, im Herbste 1858, die Heimathstadt Manin’s besuchte, deren Beherrscher dem Verbannten selbst den letzten Wunsch verweigert hatte, seine Asche in heimischer Erde begraben zu sehen, da scholl mir in Mercantini’s Todtenklage der trauervolle Ruf des Gondeliers entgegen:

Manin! sie haben Dich so fern begraben,
Da wir doch San Michele’s Kirchhof haben! –
O Grausamkeit! Gegönnt, Du arme Seele,
Nicht ’mal ein Kreuz ward Dir auf San Michele!

Wie sollte es auch? Wehte doch immer noch hoch vom Sanct Marcusthurme herab das schwarz-gelbe Banner der fremden Zwingherrschaft; starrten doch noch immer die Kanonen derselben auf ihren schwarz-gelben Laffetten zwischen den Marmorsäulen der eisenvergitterten Vorhalle des Dogenpalastes dräuend hervor auf die Piazzetta! Und wenig Aussicht schien vorhanden, daß sich die Hoffnung des alten Gondoliers erfüllen werde, mit welcher derselbe am Schlusse seiner Todtenklage um den Wiedererwecker Venedigs, dessen Asche er so gern aus Frankreich in die Heimath holen möchte, ausrief:


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