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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

edelster Begeisterung wach erhält und den ernsten Mann mit Ehrfurcht und Stolz für seinen gottgeweihten Dichter erfüllt.

Gegenüber dem Schillerhause, am jenseitigen Elbufer, liegt das Dörfchen Blasewitz. Auch hier hat die Pietät des Enkelgeschlechts dem Dichter, der oft unter den Linden des heutigen „Schillergartens“ ausruhte, ein „Gedenket Sein“ errichtet. Unter einer uralten Linde erhebt sich aus felsenartiger, epheuumgrünter Fußbekleidung eine Steinpyramide mit den Worten:

„Wanderer, hemme den Schritt, du stehst auf geheiligtem Boden,
0 Der hier gewandelt dereinst, ist ein Unsterblicher uns;
Keiner sang so mächtig als er zum Herzen des Volkes,
0 Seelenentzückend und hehr leuchtet sein Geist durch die Welt.“

Genanntes Dörfchen hat zugleich der Wallenstein’schen „Gustel von Blasewitz“ den Namen gegeben. Die heimathliche Volkssage erzählt darüber Folgendes: An einem heißen Sommertage, an welchem der Dichter stundenweit durch Berg und Thal geschweift, langt er ganz erschöpft und verdurstet bei dem genannten Dörfchen an. Heiß glüht der Sonnengott hernieder, da bietet eine kleine am Fuße eines tiefschattenden Nußbaumes angebrachte Bretterbank Ruhe und Kühlung. Schiller nimmt Platz, sich mit dem Taschentuch Luft zufächelnd. Im benachbarten Gärtchen begießt ein Mädchen, städtisch gekleidet, ihre Blumen. Der Dichter bittet um einen Trunk Wasser. Die Blumenbegießerin verschwindet, um gleich darauf mit einem Glase frischen Rahms zurückzukehren, den sie dem verschmachteten Wanderer freundlich darbietet. Mit bestem Danke empfängt der Dichter den erquickenden Labetrunk. Er fragt nach dem Namen der anmuthigen Hebe. „Ich heiße Auguste,“ ist die Antwort. Nachdem der Dichter sich ausgeruht und erquickt, nimmt er, nochmals dankend, Abschied. Zugleich steigt in seinem dankbaren Gemüthe der Gedanke auf, dieses Mädchens für die ihm gewahrte Erquickung einmal poetisch zu gedenken.

Indeß waren mehrere Jahre in’s Land gegangen, Schiller hatte längst die Loschwitzer Rebenhügel verlassen, als ihm die Wallenstein’sche Marketenderin Gelegenheit gab, obigen Gedanken zur That werden zu lassen. So entstand die „Gustel von Blasewitz“. Leider hat sich aber Fräulein Auguste, als sie später erfuhr, daß unter diesem Namen ihre Person gemeint, keineswegs davon erbaut gefühlt. Ja, wenn Schiller eine edlere weiblichere Gestalt zur Erinnerung mit ihrem Namen bezeichnet hätte, würde sie sich wohl angenehmer berührt gefühlt haben, aber eine Lagerdirne von ziemlich zweideutigem sittlichen Renommée konnte ihr nicht eben zu großer Genugthuung gereichen. Sie war daher stets ungehalten, wenn man glaubte, ihr mit der „Gustel von Blasewitz“ ein Compliment zu machen. Auguste heirathete später einen geachteten Beamten in Dresden, woselbst sie vor wenigen Jahren in hohem Alter verstarb. –

Aber lange, lange Jahre vorher, als noch von keinen „schönen Tagen in Aranjuez“, von keinem „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit“ und keiner „Gustel von Blasewitz“ die Rede war, saß an schönen Frühlings- und Sommerabenden ein Knabe, der Sohn eines armen Landmannes in Blasewitz, am Elbufer und lauschte sinnend dem leisen Rauschen der Wellen. Dabei ließ er wunderholde Töne erklingen, die er einer kleinen selbstverfertigten Hirtenflöte zu entlocken verstand, oder war bemüht, Glastäfelchen, welche er sich vom Blasewitzer Glaser hatte zurechtschneiden lassen, chromatisch zusammenzustellen.[1] Nach wenigen Lustren klang der Name dieses Knaben als der Name eines gefeierten Meisters im Reiche der Tonkunst durch die gesammte musikalische Welt. Es war Johann Amadeus Naumann, geboren zu Blasewitz den 17. April 1741 und gestorben als Oberhofcapellmeister in Dresden den 23. October 1801.

Auch seiner hat sein Vaterdorf dankbar und zugleich segensreich gedacht, indem es auf der Stelle, wo des Meisters Vaterhaus gestanden, ein stattliches im gothischen Style gehaltenes Schulhaus erbaut, welches am hundertjährigen Geburtstage des Componisten eingeweiht wurde. Am hohen Giebel desselben liest man in goldner Schrift:

Dem Andenken Naumann’s
errichtet am 17. April 1841.

Das ist die zweite Geburtsstätte.

Wir fahren, fortwährend begleitet von Wein- und Waldbergen, auf der Elbe weiter gen Morgen. Kein halb Stündchen, und der freundliche Marktflecken Laubegast wird am linken Elbufer sichtbar. Da grüßt gleich bei den ersten Häusern hart am Strande ein zweites von einer Linde übergrüntes Denkmal. Es gilt einer auf dem Gebiete des deutschen Theaters wohlbekannten Persönlichkeit, denn man liest auf der Mittagseite des Monuments folgende Worte:

Dem verdienten Andenken einer Frau voll männlichen Geistes,
der berühmtesten Schauspielerin ihrer Zeit, der Urheberin des guten
Geschmackes auf der deutschen Bühne
Caroline Frjederike Neuberin,
geb. Weißenborn aus Zwickau,
welche, nachdem sie dreißig Jahre hindurch sich und Deutschland Ehre gemacht, endlich zum Lohne ihrer Arbeiten zehn Jahre lang alle Beschwerlichkeiten des Alters und der Armuth, nur von wenigen Freunden unterstützt, mit christlicher Großmuth gelassen getragen hatte, aus dem durch Bomben eingeäscherten Dresden mit schon krankem Leibe flüchtend hier in Laubegast elend starb und in Leuben armselig begraben ward, widmeten

diesen Stein einige Kenner ihrer Verdienste und Liebhaber der Kunst

in Dresden, im Jahre 1776.

Das Grab selbst der Künstlerin befindet sich, da Laubegast keinen eigenen Friedhof besitzt, auf dem benachbarten Kirchdorfe Leuben. Wie erzählt wird, war die Armuth der gestorbenen Dulderin so groß, daß ihr Leichnam auf einem einfachen Schubkarren nach seiner Ruhestätte gebracht werden mußte. Dies Grab blieb lange Jahre ganz vergessen, bis es im Jahr 1852 einigen Kunstfreunden gelang, dasselbe wieder ausfindig zu machen und mit einem Denksteine zu ehren.

Und eine kleine Strecke stromaufwärts, auf dem idyllisch gelegenen Friedhof des Dörfleins Hosterwitz, ein zweites Grab. Nur wenige Frühlinge sind erst darüber gegangen, und die pietätvolle Pflege, in der es gehalten, und die kleine Bank neben dem Hügel verrathen, daß eine liebende Hand noch am Leben ist, welche die geweihte Stätte fort und fort in holdem, frischem Blumenschmuck erhält. Auf der einfachen weißen Marmorplatte lesen wir:

Julius Hammer,
geb. den 7. Juni 1810,
gest. den 23. August 1862.

 Was vergangen, kehrt nicht wieder,
 Aber ging es leuchtend nieder,
 Leuchtet’s lange noch zurück.

Es ist der Dichter des „Schau’ um Dich und schau’ in Dich“ und der Menschenfreund, welcher der Idee einer Schillerstiftung zuerst öffentlich Ausdruck verlieh, der hier auf ländlichem Friedhofe sein letztes Ruheplätzchen fand. Julius Hammer bewohnte während der Sommermonate sein kleines Tusculum, das er sich wenige Jahre zuvor, wie ein Vogel im Laubgrün, beim Dorfe Pillnitz erbaut hatte, als er vom Leben abberufen wurde. Da Pillnitz selbst ohne Gottesacker ist, nahm der Friedhof des benachbarten freundlichen Dorfes Hosterwitz die Asche des Dichters auf.

Doch hinweg aus dem Reiche des Todes und der Gräber und zur dritten Geburtsstätte. Hart an der Landstraße, am Ende des soeben genannten Dorfes, aber umgrünt von fruchtbaren Obstbäumen und mit fröhlicher Aussicht nach den Bergen und dem Strande der Elbe, steht ein einfaches Häuschen von nur einem Stockwerk.

Wenn hier vor länger denn vierzig Jahren der Landmann in heiliger Morgenstunde, wo der Thau von den Zweigen tropft und die Thränen in den Augen der Blumen stehen, vorüberging, wie oft blieb er da lauschend stehen ob der himmelvollen Töne eines Piano, die aus den offenstehenden Fenstern des Erdgeschosses erklangen. Es waren dieselben einem Engel abgelauschte Töne, welche bald darauf die ganze Welt entzückten – Carl Maria von Weber dichtete in diesem Parterrestübchen sein Lieblingskind, die Oper „Euryanthe“ und seine herrliche, in unversiechbarer Frische perlende „Aufforderung zum Tanze“.

Die dankbare Nachwelt konnte auch an diesem Häuschen nicht vorüber gehen, ohne dasselbe mit einem „Gedenket Sein“ zu kennzeichnen, und so schaut bereits seit einer Reihe von Jahren von demselben eine goldene Lyra herab mit der genugsagenden Umschrift:

Carl Maria von Weber.“

In dem Stübchen selbst erblickt man unter Glas und Rahmen eine von der Hand des Meisters geschriebene Composition und sein Portrait, nebst einem Album, in welchem zahlreiche Verehrer in gebundener Rede ihren Dank und ihre Huldigung ausgesprochen haben.

Das sind im Raume einer kleinen Stunde am Elbestrande die drei Geburtsstätten und zwei Grabmale, einfach und prunklos, aber von Poesie und Erinnerung umklungen für alle Zeiten.

F. Stolle.     



Noch einmal „sprachliche Mißverständnisse“. In Bezug auf die in Nummer 28 der Gartenlaube mitgetheilten sprachlichen Mißverständnisse erlaube ich mir, die geehrte Redaction noch auf zwei Fälle ähnlicher Art aufmerksam zu machen.

1. Mul bedeutet im Plattdeutschen sowohl Maul als Haufen. Aus Mißverständniß hat man daher aus einen: Haufenwerfer, dem Mulwurf, einen Maulwurf gemacht, während derselbe doch bekanntlich sein Maul zu dem Aufwerfen dieser Haufen gar nicht gebraucht;

2. Schepken heißt im Plattdeutschen Schäfchen und Schiffchen. Nur in der letzteren Bedeutung kann die Redensart einen Sinn haben: Sein Schepken in’s Trockene bringen. Durch den Gleichklang verführt, hat man das Wort aber im Hochdeutschen mit „Schäfchen“ übersetzt.

Dr. Rudolph Kleinpaul.     


Nothgedrungene Erklärung.

Aus Regensburg, Carlsruhe, Wiesbaden und Zürich sind von Hotelbesitzern, Redactionen etc. bei uns Erkundigungen nach einem Herrn Heribert Malten, – aus dem vorletzten der erwähnten Orte sogar ein Postnachnahmebrief an denselben – eingegangen, aus denen hervorgeht, daß der Genannte sich für einen Berichterstatter der Gartenlaube ausgiebt. Wir erklären in Folge dessen, daß wir einen Heribert Malten gar nicht kennen, noch viel weniger in irgend welcher Beziehung zu ihm stehen.

Leipzig, am 27. Juli 1868.Die Redaction. 


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 512. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_512.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2021)
  1. In späteren Jahren ward er Meister auf der Glasharmonica und schrieb sechs Sonaten für dieselbe.