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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

in die Stadtvogtei und dehnte die Untersuchung auf aufrührerische und hochverrätherische Bestrebungen aus.

Neun Monate dauerte seine Haft. Das Schreiben war ihm verboten, zum Lesen erhielt er nur unschuldige Geistesnahrung, alte Jahrgänge der Vossischen Zeitung und dergleichen. Nach neun Monaten nahm man seine juratorische Caution an, mittels welcher er an Eidesstatt gelobte, sich dem Gerichte nicht entziehen zu wollen, und confinirte ihn nach Naumburg und Kösen. Man hatte damals in Berlin soviel mit demagogischen Umtrieben und burschenschaftlichen Verfolgungen zu thun, daß die Angeschuldigten jahrelang auf ihr Urtheil harren mußten.

In seinem Exil beschäftigte sich Laube wieder fleißig mit literarischen Arbeiten. Eine Anzahl kleiner Novellen und Erzählungen wurden hier vollendet, wie die „Liebesbriefe“, die „Schauspielerin“, das „Glück“. Auch eines seiner liebenswürdigsten und talentvollsten Werke entstand zu jener Zeit, die „modernen Charakteristiken“, in denen er sich als ein Portraitmaler von scharfer Auffassung, plastischer Gestaltungskraft und glänzender Farbengebung bewies.

Bald aber störte ihn die Gewalt wieder auf aus seinem künstlerischen Schaffen. „Die Schriften des jungen Deutschland“ sind verboten, hieß es eines Tages, die schon vorhandenen und die zukünftigen! Laube war einer der Hauptschriftsteller dieses jungen Deutschlands. Die Maßregel empörte ihn. Das hieß dem Schriftsteller das Messer an die Kehle setzen. Es war ein politisches „la bourse ou la vie“! Einem Schriftsteller verbieten zu schreiben! Wahnsinn oder brutale Gewalt – was ist größer in diesem Verbot? Das Organ, durch welches ich mit der Welt zusammenhänge, durch welches ich auf sie wirke, das Mittel, durch welches ich geistig lebe und leiblich existire, es wird mir mit räuberischer Rohheit und in Form des Gesetzes entzogen! Gott hat zu mir gesagt: lebe, rede und schaffe! und die Gewalt sagt: stirb, schweige und ruhe! Das war schlimmer als spanische Inquisition, schlimmer als Herodes! Es hieß das noch Ungeborne tödten, es hieß: ihr jungdeutschen Schriftsteller seid in Acht und Aberacht, ihr seid vogelfrei für jetzt und für alle Zukunft!

Laube stürmte nach Berlin. Zum Minister, zum allmächtigen Minister von Rochow ging sein Weg. Man ließ ihn lange nicht vor. Endlich gelang es ihm, vorzukommen. „Was machen Sie hier? Sie haben kein Recht hier zu sein!“ fuhr ihn der Gewaltige an, und in brausenden Strömen ergoß sich die Fluth des ministeriellen Zornes über ihn. Es ist charakteristisch für Laube’s Art, wie er sich jetzt benahm. Er ließ den Minister austoben. Als dieser geendet, verbeugte er sich kurz und schritt zur Thür. Da stutzte der Zornige, er fing an, sich zu schämen, er rief den beleidigten Schriftsteller zurück, er bat ihn, wenn auch nicht in Worten, doch in der That um Verzeihung; eine ruhigere Discussion folgte, und das Ende war, daß Laube in Berlin unangefochten blieb, um das Endurtheil seines noch immer schwebenden Processes abzuwarten.

Ehe dies Urtheil erfolgte, ehe der Kerker von Neuem für ihn geöffnet wurde, fesselte er sich selbst in lebenslange Bande. Er schloß den Ehebund mit einer anmuthigen und geistig hohen Frau, die er in Leipzig kennen und lieben gelernt, die für den geistvollen Schriftsteller sich interessirt hatte und die nun dem Verfolgten für immer angehören wollte.

Als das Urtheil erfolgte, lautete es auf sieben Jahre Festung. Ein Jahr wurde ihm wegen seiner Schriften zuerkannt, sechs Jahre wegen seiner Betheiligung an der Burschenschaft. Wie bei allen verurtheilten Burschenschaftern wurden die zuerkannten Jahre in eben so viele Haft-Monate verwandelt. Laube hatte also anderthalb Jahre Festung zu verbüßen. Aber die Festungen waren damals überfüllt im preußischen Lande von politischen Häftlingen, und man wandelte die Festungshaft vielfach in Internirung um. Auch mit Laube geschah dies. Auf Verwendung der Fürstin Pückler, einer Tochter des Staatskanzlers von Hardenberg, der Gattin des berühmten „Verstorbenen“, welche sich lebhaft für Laube’s Schriften interessirte, durfte er als Internirter in Muskau in der Lausitz seine Haft verbüßen. Dort verbrachte er nun achtzehn Monate. Aus jener Zeit stammt Laube’s Vorliebe für Gartencultur und Waldleben, seine Anhänglichkeit an das edle Waidwerk. Fürst Pückler, bekanntlich der größte Künstler in der Anlage von Gärten und Parks, verpflanzte seinen Eifer und seine schöpferische Lust auch in Laube’s Seele, und die Wälder der Herrschaft boten der frohen Jagdlust weiten Raum. Auch eine literarische Frucht keimte damals empor, das „Jagdbrevier“, ein liebenswürdig Büchlein, das bei allen Jägern Laube’s Namen populär gemacht. Liest man es doch im Palaste des Fürsten so gut wie in der einsamen Jagdhütte auf den höchsten Bergen der Alpen.

(Schluß folgt.)




Amerikanische Schlaf-Waggons.
Von Fr. Gerstäcker.

Die Amerikaner sind uns in vielen Stücken, besonders was die Bequemlichkeit des Reisens betrifft, weit voraus, und das zeigt sich namentlich an ihren ganz vortrefflichen Schlafwaggons auf den Eisenbahnen, einer der wohlthätigsten Erfindungen der Neuzeit, zumal für die ungeheueren Strecken, welche die Züge dort durchfliegen. Doch selbst für uns wäre es angenehm und nützlich, wenn diese Schlafwagen eingeführt würden, und da ich mir wenigstens, ehe ich sie selber benutzte, nie ein rechtes Bild von ihnen machen konnte, so glaube ich, daß es den Leser vielleicht interessiren wird, eine kurze Beschreibung von denselben zu erhalten. Ich muß vorausschicken, daß sämmtliche Waggons auf den amerikanischen Bahnen ziemlich genau so eingerichtet sind, wie wir sie auf den würtembergischen Zügen finden, d. h. mit Doppelsitzen an beiden Seiten, während ein offener Gang zwischen diesen hinläuft und es den Reisenden ermöglicht, von einem Wagen in den andern hinüberzugehen und Freunde oder Bekannte aufzusuchen. Jeder Waggon hat dabei sein Cabinet.

Das non plus ultra aller Bequemlichkeit sind aber die Schlafwagen; dabei sind sie mit großer Eleganz, als Salonwagen, gebaut. Sowie man die Absicht hat, die Nacht durch zu fahren und einen solchen Waggon zu benützen, der fast immer hinten angehangen und schon von außen leicht kenntlich, auch mit der gehörigen Devise versehen ist, so steigt man gleich in denselben ein und nimmt sich einen Sitz. Der Schlafwagen ist höher als die übrigen, reich mit Farben und Gold bemalt, oben mit Fenstern ausgestattet und mit gewissermaßen etwas gewölbten Seitenwänden. Die Sitze sind weich und elegant gepolstert und vorn ist ebenfalls noch ein kleines Waschcabinet, mit einem großen Blechgefäß und Hahn daran und darunter ein Marmorwaschbecken, neben welchem Seife, Kamm und Bürste liegen, während reine Handtücher ebenfalls dabei hängen; rechts in der Ecke steht ein anderer Behälter mit Wasser zum beliebigen Gebrauch.

Ueber Tag verräth übrigens nichts weiter den Schlafwagen; man sieht keine Spur von Betten oder Vorhängen und begreift eigentlich nicht recht, wie man sich hier bequem ausstrecken können und ein wirkliches Bett hergestellt bekommen soll. Indessen fragt ein für diesen Wagen eigens bestimmter Beamter bei den Reisenden an, ob sie für die Nacht ein „bunk“ oder Bett benutzen wollen. Wer das verneint, kann in den Fall kommen, daß man ihn – besonders wenn der Schlafwaggon sehr besetzt ist – höflich ersucht, seinen Sitz in einem der übrigen Wagen erster Classe zu nehmen. Ist der Waggon nicht sehr gefüllt, so wird man ihn unbelästigt lassen, denn es geschieht nur, um später Verwirrung zu vermeiden.

Solche, die ein Bett wünschen, erhalten eine Marke oder ein besonderes Billet und zahlen dafür, wenn sie ein Doppel- oder zweischläfriges Bett benutzen wollen, anderthalb Dollar Papiergeld. Sind zwei Bekannte zusammen, die sich wegen Ueberfüllung des Wagens für die Nacht zusammenbetten wollen, so zahlen sie ebenfalls nicht mehr, also nur drei Viertel Dollar die Person. Auf dem Billet steht die Nummer des erworbenen Lagers, und die mit diesen Fahrten Vertrauten suchen sich stets gleich beim Eintritt in den Waggon einen Platz zu sichern, damit sie ein unteres Bett erhalten. Die oberen sind allerdings ebenso

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_519.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)