Seite:Die Gartenlaube (1868) 560.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Artikel drei sagt, daß die chilenische Regierung vierzig Pesos oder Dollars für jede erwachsene.Person, zwanzig für jedes Kind unter zwölf Jahren zahlt, und es wird im Artikel vier der Firma zur Pflicht gemacht, ihre Arbeiten zu beeilen, damit schon Anfang nächsten Jahres einige Colonisten eintreffen. Der District Nacimiento liegt im Norden von Araucanien. Lota ist eine Kohlenstation Chiles und zu Land von den übrigen chilenischen Colonien vollkommen abgeschnitten, denn sie liegt schon südlich vom Biobiostrom, im Staat Araucanien selber, und nach Allem, wie es mir scheint, hat man diesen sonst noch nie zur Ausschiffung von Emigranten benutzten Hafen, der gar keine Bequemlichkeit bietet, während das unfern davon gelegene Concepcion Alles hat, was man wünscht, nur deshalb gewählt, damit die Einwanderer vollkommen abgeschnitten von ihren Landsleuten sind und nicht vor der Zeit von ihnen gewarnt werden können. Der Krieg mit den Indianern ist nicht etwa beendet, sondern im Gegentheil in vollem Gang, und chilenische Zeitungen schreiben selber darüber. Der Mercurio vom Mai sagt, und zwar von chilenischer Seite vom Los Angelos, etwas weiter im Inneren: „Nachdem die Division (fünfhundert Mann) am 26. etwa zwanzig Leguas in’s Innere vorgedrungen war, beschloß der Commandeur sich zurückzuziehen und die Berge zur Deckung zu benutzen. Kaum hatte sich aber die Truppe in Marsch gesetzt, als zweitausend oder mehr Indianer, die in den Büschen versteckt gewesen, mit dem Vor- und Nachtrab den Kampf begannen. Da die Division solcher Art ihren Marsch nach den Bergen nicht fortsetzen konnte, sahen sie sich genöthigt eine kleine Ebene zu überschreiten, und hier wurden sie jetzt auf allen Seiten von den Indianern überfallen.“

Der Correspondent beschreibt dann die blutige Schlacht der Chilenen – Einer gegen zwanzig unter dem Feuern der Truppen und dem wüthenden Geheul der Indianer, ein Kampf Fuß an Fuß mit Lanze, Bajonnet und Messer. Die Division verlor, wie der Schluß lautet, sämmtliche Pferde mit hundert Beutethieren, und „der Rest der Truppe“ gewann endlich die Berge und es gelang ihr, indem sie Tag und Nacht eine hohe Cordillere erklommen und darauf hin geflüchtet, Chiguaguë zu erreichen. Die Zahl der Todten wußte man nicht, und der Correspondent setzt hinzu: „Alle, die an diesem Kampfe betheiligt waren, können nicht Worte genug finden, die Kühnheit sind Wildheit dieser Indianer zu schildern.“

Der Krieg mit den Indianern war das Tagesgespräch und die nämliche Nummer, welche diese Correspondenz bringt, bietet ihren Lesern auch zu gleicher Zeit den Contract, den ein deutsches Haus mit der chilenischen Regierung abgeschlossen hat, um deutsche Auswanderer in das kaum erst überfallene Gebiet dieser nämlichen Indianer zu liefern. Die Nummer vom 2. Juni bringt einen Bericht des Generals Jose M. Tinto an das Kriegsministerium, der aber nichts weiter als die Kunde enthält, daß er „einen neuen Einfall nach Araucanien“ gemacht habe, ohne eine Strecke in das Land hinein Widerstand gefunden zu haben. Er sah nur kleine Trupps von zehn bis zwölf berittenen Indianern, welche die bewaffnete Macht „beobachteten“. Er glaubt, daß sich keine größere feindliche Macht bis auf dreißig Leguas befände. – Aber wenn das selbst der Fall gewesen wäre, die Indianer brauchen kaum vierundzwanzig Stunden, um mit ihren raschen Pferden eine solche Strecke zurückzulegen, und folgen gewöhnlich den wieder abziehenden Trupps auf dem Fuße. Trotzdem erklärt der General aber mit der größten Zuversicht, daß die „alarmirten Grenzbewohner sich vollkommen beruhigen könnten; er hätte Niemanden gesehen“ – und über die Grenzen hinaus wollen sie jetzt die Deutschen schieben. Der Bericht schließt mit den Worten, daß jetzt überall vollkommene Ruhe herrsche und ein Friedensbruch nicht mehr zu fürchten wäre, und unmittelbar unter diesem Artikel beginnen „Importantes noticias de la frontera“ oder wichtige Nachrichten von der Grenze, worin von der vierten Division gesprochen wird, die nach Araucanien gerückt wäre, „um die Verluste der drei vorhergegangenen zu rächen.“

Diese Division fand, nachdem der andere Artikel erklärt hatte, daß das Land vollständig pacificirt sei, sieben Leichen, unter ihnen den Beamten Argomedo. „Sie schienen erst seit wenigen Tagen, und zwar nicht in einem Kampf, getödtet zu sein – es waren Märtyrer. Der Beamte war,“ wie das Blatt schreibt, „seinen Wunden nach, von Lanzen getroffen, geschleift und dann aufgehängt, die Zunge war ihm ausgeschnitten und andere Scheußlichkeiten begangen. Die Soldaten waren ebenfalls auf furchtbare Weise verstümmelt.“– Ein anderer Bericht aus Santa Juana, an der unmittelbaren Grenze, meldet erneute Einfälle und Viehdiebstähle, und der Bericht schließt mit den Worten: „So, während unsere Truppen im Süden von Araucanien vor Hunger schmachten, plündern die Indianer im Norden, und es sollte uns gar nicht wundern, wenn sie selbst die Städte angriffen.“ Und auf der nämlichen Seite steht wieder eine Notiz über die Colonisation von Arauco durch die Deutschen. Die Chilenen sind dabei theilweise zu entschuldigen. Sie wollen das Land gern bevölkern, um den Indianern, deren sie nie habhaft werden können, einen Damm vorzuschieben, aber hat sich das Handlungshaus in Hamburg oder dessen Stellvertreter in Chile so wenig um die Verhältnisse dort bekümmert, daß es die Gefahr gar nicht kennt, der es unsere deutschen Landsleute entgegenschicken will? Man kann doch nicht annehmen, das es des Kopfgeldes wegen sei!

Schon die ganze Art und Weise, in welcher der Contract abgefaßt ist, zeigt die Absicht der chilenischen Regierung. Artikel fünf lautet: „Der gegenwärtige Contract soll auf vier Jahre lauten, und wenn die chilenische Einwanderung in Deutschland ‚gute Aufnahme‘ findet, würde das Gouvernement im ersten Jahre einhundert Familien, einhundertundfünfzig das zweite, zweihundert das dritte und dreihundert das vierte einführen.“ Sehr natürlich[WS 1] – die Regierung hofft mehr und mehr von dem Lande zu erobern oder durch deutsche Auswanderer besetzen zu lassen, und je größer das gewonnene Terrain wird, desto mehr Familien braucht sie.

Ich weiß nicht, ob sich deutsche Regierungen veranlaßt sehen werden, einem solchen Unfuge mit deutschen Landeskindern zu steuern. Bis dies aber geschieht, wäre es recht von Herzen zu wünschen, daß alle jene Blätter in der Nähe solcher Districte, wo vorzüglich für Auswanderung geworben wird – hauptsächlich Tirol, auf welches die chilenische Regierung auch speciell hinweist, die ärmeren Districte am Rhein etc. – ihre unmittelbare Nachbarschaft vor einer Auswanderung warnen möchten, deren Gefahren sie hier in Deutschland gar nicht absehen können. Der deutsche Auswanderer will, wenn er das fremde Land erreicht, wenigstens Sicherheit und Ruhe, um sein Land bebauen und seine Früchte ernten zu können. Die bietet ihm aber in jetziger Zeit Araucanien nicht, und es hieße mit der Unwissenheit unglücklicher Menschen freveln, wenn man sie einem solchen gefährdeten Zustand ahnungslos entgegenschicken wollte.

Sowie es die Berichte aus dem jetzigen Krieg melden, ist es aber von jeher gewesen. Vor den regulären Truppen weichen die Indianer, wenn sie sich nicht stark genug glauben, zurück, aber umgehen sie und fallen in ihrem Rücken wieder in das Land ein; um seine Grenzen gegen ihre Ueberfälle zu schützen, wünscht Chile eine Bevölkerung von deutschen Arbeitern für das nur erst eroberte, aber von den Indianern noch nicht einmal aufgegebene Land. Dazu aber bietet ein deutsches Handlungshaus die Hand, ihm durch vier Jahre hindurch die betreffenden Familien hinüber zu führen und sie gleich in einem Hafen zu landen, wo sie von dem Verkehr mit ihren besser situirten Landsleuten abgeschnitten sind und sich willenlos in den Händen der Regierungsbeamten befinden, die dort hingestellt sind, um sie an die gewünschten Punkte zu dirigiren.

Friedrich Gerstäcker.


Von wem ist die Anekdote nun wahr? Dr. Gwinner in seinem Buche: „Arthur Schopenhauer, aus persönlichem Umgang dargestellt,“ (Leipzig 1862) erzählt von dem Philosophen Folgendes: „Um ein Uhr ging Schopenhauer zu Tisch im Englischen Hof. (Der Philosoph lebte bekanntlich in Frankfurt am Main.) Bei der Mahlzeit, sprach er gern, doch verhielt er sich aus Mangel an tauglicher Tischgesellschaft öfter beobachtend. So legte er z. B. eine Zeit lang täglich ein Goldstück vor sich hin, ohne daß die Tischnachbarn wußten, was er damit wollte; nach aufgehobener Tafel nahm er es wieder zu sich. Endlich darüber zur Rede gestellt, erklärte er: ‚das sei für die Armenbüchse, wenn die am Tische sitzenden Officiere (Preußen und Oesterreicher) nur ein einzig Mal eine andere ernsthafte Unterhaltung auf die Beine brächten, als über Pferde, Hunde und Frauenzimmer.‘“ – In einem ältern Buch: „Der französische Soldat unter Napoleon, von E. Blase, (aus dem Französischen, Leipzig, 1839) finde ich die Anekdote so erzählt: „Wir lagen bei Breslau im Cantonnement, ein Theil unseres Regiments, bei dem ich stand, in Oels, wo wir Officiere im besten Wirthshaus unsre gemeinschaftliche Tafel hielten. Zu den Officieren unseres Regiments gehörte auch ein Capitain R., ein schweigsamer, wunderlicher, aber sehr geistreicher Mann. Bei der Tafel in Oels legte dieser täglich, wenn er sich mit uns zu Tische setzte, ein Vierzigfrancsstück vor sein Couvert. Nach dem Dessert nahm er das Goldstück wieder weg, steckte es in seine Börse und entfernte sich. Auf unsere oft wiederholte Frage nach dem Grunde dieses Manövers, erwiderte er: ‚Ihr werdet es erfahren, wenn wir abmarschiren,‘ mit welcher Antwort wir uns einstweilen bescheiden mußten. Endlich beim letzten Mittagstisch in Oels erklärte er: ‚An den Officiertafeln dreht sich die Conversation immer nur um Dienstangelegenheiten oder um Liebesabenteuer oder Gewinnst und Verlust im Spiel, nach meinem Geschmack höchst langweilige Gegenstände. Ich hatte mir nun vorgenommen, das Goldstück den uns bedienenden Marqueuren zu geben, wenn ich einmal das Glück haben sollte, über andere Dinge sprechen zu hören. Es wurde mir niemals zu Theil, und ich habe mein Goldstück behalten.‘“

C. Sp.


Petersen’s Rettungsboot erprobt! Diese Nachricht wurde uns wenige Tage, nachdem unser Artikel über das Normal-Rettungsboot in der Gartenlaube (Nr. 32) erschienen war, aus Altona direct mitgetheilt und hat bereits die Runde durch alle Zeitungen gemacht, wie wir dies bei der Wichtigkeit des Gegenstandes voraussagen konnten. Die Erprobung fand am 6. und 7. August auf der Elbe bei Hamburg und vor einer Prüfungscommission statt, welche aus Vertretern der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und des norddeutschen Marineministeriums bestand. Was wir in unserem Artikel besonders betont, die Wiederaufrichtungsfähigkeit des Bootes nach dem Umschlagen, hat es auf das Glänzendste bewährt. Mit und ohne Belastung, Wasserballast und Masten bestand es Proben, welche der zahlreichen Zuschauer und der Fachmänner höchste Bewunderung erregten. An seinen Masten trug es zum ersten Mal die neue Flagge der Rettungsboote der deutschen Gesellschaft für Schiffbrüchige: in weißem, schwarzgerandetem Felde ein rothes Kreuz.

Kleiner Briefkasten.

F. in A–dt. Leider haben uns die Wiener Zeichner, die uns Darstellungen aus dem Schützenfeste zu liefern versprochen hatten, nicht Wort gehalten; wir verzichten daher nunmehr auf alle Illustrationen des erwähnten Festes und glauben dies um so mehr thun zu müssen, als die große Auflage unserer Zeitschrift, wie Sie ja wissen, eine äußerst langsame Herstellung derselben bedingt und überdies inzwischen das Lesepublicum von allen möglichen Blättern mit Mittheilungen über das Bundesschießen förmlich überfluthet worden ist. Unser Beiblatt, „Die deutschen Blätter“, wird dagegen noch einige interessante Episoden aus dem letzten Bundesschießen mittheilen. D. Red.



Inhalt: Die Brüder. Novelle von Adolf Wilbrandt. (Fortsetzung.) – Der Reformator der Erziehungslehre. Von Gustav Steinacker. Mit Abbildung. – Bettina’s Theetisch. – Zu Deutschlands Sagenthron. Eine Thüringer Bergfahrt. Von Fr. Hofmann. – Der Laternenmann. Mit Portrait. – Der Teufel. (Fortsetzung und Schluß.) – Blätter und Blüthen: Auswanderung nach Araucanien. Von Fr. Gerstäcker. – Von wem ist die Anekdote nun wahr? – Petersen’s Rettungsboot erprobt. – Kleiner Briefkasten.

  1. Vorlage: natürllich
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_560.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)