Seite:Die Gartenlaube (1868) 574.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

redete zur Versöhnung. Da erwachte in Letzterem die alte Jugendliebe, und er ritt in des Winters letzten Tagen mit seinen Edeln zur Trausnitz. Hocherschrocken empfing ihn der Gefangene, aber Ludwig’s Milde stillte seine Sorge. Großmuth und Dankbarkeit schlossen den Bund. Friedrich ward ohne Lösegeld frei. Er aber entsagte der Reichskrone, Oesterreichs Fürsten sollten, was sie dem Reiche entrissen, zurückstellen und vereint mit ihm Ludwig’s Feinde zwingen, ihn als den einzigen König anzuerkennen. Das verhieß Herzog Friedrich und, zur Bekräftigung seiner Sühne, seiner Tochter Elisabeth Hand dem Sohne Ludwig’s, Stephan; dazu noch: könn’ er sein gegebenes Wort nicht lösen, woll’ er aus freien Stücken bis Johannis zur Sonnenwende selben Jahres in das Gefängniß von Trausnitz zurückgehen. Friedrich beschwor feierlich die am 6. März

Treppe auf Burg Trausnitz zum Gefängniß Friedrich's des Schönen

1325 auf der Trausnitz ausgefertigte Urkunde der Versöhnung mit Ludwig. In der Kirche, wo der Prior von Maurbach das Hochamt beging, nahmen Beide aus seiner Hand am Altare den geweihten Leib des Herrn. Da, tief bewegt fielen sie sich um den Hals und küßten einander vor allem Volke.

Hier stehen wir bei einem der schönsten Momente deutscher Geschichte. Die Märzensonne des Jahres 1325 beleuchtet hier ein seltenes Bild: einen siegreichen Kaiser und seinen gefangenen Vetter und Jugendgespielen vor dem Altare in herzlicher Umarmung. Wie ihre Strahlen die eisigen Blumen von den Fenstern des Kirchleins thauten, so hat die fromme Rede des Karthäusers die Kruste von Feindesherzen gelöst und das erzwungen, was Bündnisse, Gewalt und Schwert vergeblich versuchten.

Am 23. März 1325 kehrte Friedrich zu den Seinigen nach Wien zurück. Die Welt staunte. Niemand wollte dieser Sühne trauen. Viele nannten Ludwig feig und schwach, Viele ihn unklug und Viele ihn hinterlistig. Andere suchten Friedrich zur Rache an Ludwig zu bewegen, erklärten ihn auf’s Neue als König und versprachen ihm ihren Beistand. Der Papst sprach ihn sogar von seinem Eide los, „denn so weit war es damals gekommen,“ sagt ein deutscher Geschichtsschreiber, „daß ein Wälscher sich unterstehen durfte, ein Ehrenwort, das zwei deutsche Männer sich gegeben, für nichtig zu erklären!“ – Aber Friedrich von Oesterreich hielt treu und deutsch am redlich gegebenen Wort, sandte seine Tochter Elisabeth zur Verlobung nach München, that in offenen Briefen auf des Reiches Thron Verzicht und mahnte Leopold zum Frieden. Und da er seine Mühen eitel fand, kam er nach vier Monaten wieder zum Könige gen München, wie er gelobte, sein Gefangener zu sein.

Hinter solcher Hochherzigkeit stand Ludwig nicht zurück. Er erkannte, daß kein Edlerer neben ihm zu finden sei im ganzen Reiche, und theilte darum mit ihm freiwillig das Reich selbst. Beide schlossen einen Vertrag, wonach Beide als Kaiser nebeneinander herrschen sollten und der, nach Menzel, also lautet: Jeder sollte den Titel eines römischen Königs und Augusti führen, den Andern Bruder nennen und in der Vorsetzung des einen oder andern Namens bei Freiheits- oder Gnadenbriefen von Tag zu Tage wechseln. Keiner sollte für sich und ohne den Andern etwas Wichtiges vornehmen. Die großen Lehen sollten von Beiden zugleich verwilligt und die Lehensleistungen, sowie die Huldigungen, in gemeinsamem Namen angenommen werden. Beide wollten einander gänzlich und einträchtig wider ihre Feinde beistehen. Ginge Einer nach Italien, sollte indessen der Andere das deutsche Reich verwalten. Auch sollten zwei Siegel verfertigt und in jedes Beider Namen gegraben werden, so daß in Ludwig’s Siegel Friedrich’s Name und in Friedrich’s Siegel Ludwig’s Name voranstehen sollte. Die beiden Kaiser aßen und schliefen zusammen. Der Papst wußte sich vor Erstaunen nicht zu fassen und nannte diese Freundschaft incredibilem, mirabilem (unglaublich, wunderbar).

Beide, größer als ihr Zeitalter, das ihre Tugend nicht begriff, beklagten fortan nur die Härte eines Schicksals, welches von ihnen Trennung oder gemeinsamen Untergang zu heischen schien. Als Ludwig seinem Sohne, dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg, den die Heiden aus Litthauen hart bedrängten, deren wilde Schwärme weder wehrlose Greise noch Säuglinge noch Weiber schonten, Rettung sandte und selbst dahin wollte, nahm er, ehe er aus Baiern schied, Friedrich, den treuen Freund, und vertraute ihm Gemahlin, Kinder und des ganzen Herzogthums Pflege.

Weder Griechenlands noch Roms hohe Geschichten bewahren ein ähnliches Denkmal argloser Treue![1]

So war Trausnitz im Thal Zeuge der edelsten Tugenden zweier hochherziger Fürsten! In der Folge kam diese Burg in die Hände verschiedener Besitzer. Auf ihr haus’ten die berühmten Geschlechter der Wiltingen, Zenger und Spornneck und ruhen die Gebeine der Letzteren in der Pfarrkirche. Nach den Freiherren von Quentel waren die Freiherren von Hanakam, dann die Freiherren Karg von Bebenburg die letzten Besitzer, und von diesen erkaufte im Jahre 1833 König Ludwig der Erste von Baiern die Burg, um sie der Nachwelt als ehrwürdiges Denkmal zu erhalten.

Neben diesem bewahrt unsere Literatur ein noch unvergänglicheres Denkmal zu Ehren der „deutschen Treue“ in dem Gedichte, das Friedrich Schiller ihr widmete und das, in wie viel hunderttausend Händen es jetzt auch sei, doch hier, als Schluß dieses Geschichtsbildes, an seine richtigste Stelle gesetzt wird:

Um den Scepter Germaniens stritt mit Ludwig dem Baier
Friedrich aus Habsburgs Stamm, Beide gerufen zum Thron;
Aber den Austrier führt, den Jüngling, das neidische Kriegsglück
In die Fesseln des Feinds, der ihn im Kampfe bezwingt.
Mit dem Throne kauft er sich los, sein Wort muß er geben,
Für den Sieger das Schwert gegen die Freunde zu ziehn;
Aber was er in Banden gelobt, kann er frei nicht erfüllen;
Siehe, da stellt’ er auf’s Neu’ willig den Banden sich dar.
Tief gerührt umhalst ihn der Feind, sie wechseln von nun an,
Wie der Freund mit dem Freund, traulich die Becher des Mahls,
Arm in Arme schlummern auf einem Lager die Fürsten,
Da noch blutiger Haß grimmig die Vetter zerfleischt.
Gegen Friederich’s Heer muß Ludwig ziehen. Zum Wächter
Baierns läßt er den Feind, den er bestreitet, zurück.
„Wahrlich! So ist’s! Es ist wirklich so! Man hat mir’s geschrieben,“
Rief der Pontifex aus, als er die Kunde vernahm.



  1. Wenigstens in einer Anmerkung verdient ein Beispiel deutschen Worthaltens in den Ritterkreisen derselben Zeit Erwähnung. Als es in dem Kriege der beiden Kaiser 1313 bei Eßlingen mitten im Neckar zu einem Gefecht kam, gerieth der österreichische Ritter Heinrich Schweinkenrist in die Gefangenschaft des Baiern Stephan von Gumpenberg. Dieser ließ ihn auf Ehrenwort frei, um daheim das Lösegeld zu holen, und vertraute ihm sogar sein eigenes Pferd zur Heimreise an. Der Oesterreicher ritt davon und kam zu guter Zeit richtig mit Roß und Lösegeld auf des Gumpenbergers Burg bei dem Sieger an, der natürlich, brav wie sein Kaiser, das Geld zurückwies, aber einen Freund gewonnen hatte
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 574. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_574.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)