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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

in die Höhe. „Der Ambros ist mein Vetter und ist so weit ein ganz guter und handsamer Mensch – ich hab’ nichts einzuwenden wider ihn, und wenn’s Gottes Willen ist und der Deinige, Mutterl, so kann’s ja wohl geschehen, daß wir ein Paarl werden, aber nöthen und drangsaliren lass’ ich mich net! Glaub’ schon, daß er lieber heut’ als morgen Funkenhauser-Bauer werden möcht’, aber bei mir hat’s kein Eil’ … ich bin noch jung und will erst noch was haben von meiner Jugend … Also sei gut, Mutter, und tratz mich net mit der Hochzeit … Ich hab’ was ganz Andres gemeint mit dem Herrichten! Denkst gar net dran? Haben wir net übermorgen nur mehr drei Wochen auf Johanni? Ist denn das net die Zeit, um die alle Mal unsere Sommergäst’ kommen?“

„Deswegen also?“ sagte die Bäuerin enttäuscht mit gedehntem Tone. „Damit brauchst Dich gerad’ so wenig zu eilen, wie mit der Hochzeit! Die Frau von Schulze hat’s freilich beim Abreisen gesagt, sie wollten heuer wieder kommen – aber das steht noch im weiten Feld, und eh’ man das Haus umkehrt und mit dem Herrichten anfangt, muß man doch erst gewiß wissen, daß sie kommen!“

„O, sie kommen schon!“ rief Toni rasch. „Ich weiß es gewiß, er hat es auch gesagt …“

„Er? Was für ein Er?“ fragte die Funkenhäuserin, indem sie Laib und Messer sinken ließ und ihre Tochter verwundert betrachtete.

„Nun – die Frau von Schulze halt!“ erwiderte mit leichter Verwirrung das Mädchen. „Und dann ihre Tochter, die Fräul’n Wine …“

„Das sind ja aber lauter Weiberleut’ und kein Er …“ sagte die Bäuerin noch mehr verwundert.

„Nun – er hat es halt auch gesagt … der Sohn, der Herr Günther, mein’ ich …“

„So, so … also das ist der Er?“ rief die Bäueriu, die sich von ihrem Staunen noch immer nicht zu erholen vermochte. „Der junge Herr hat’s gesagt, und deswegen, meinst Du, müßt’ es schon gewiß sein … Freilich, wenn’s von ihm abhängen thät, könnt’s wohl sein, daß er sich net lang besinnen thät zu der Recration, aber die Mutter, die Frau von Schulze, die den Geldbeutel hat, wird auch ein Wört’l drein reden, und so denk’ ich, wenn Du keinen bessern Verspruch hast, als den von dem jungen Loder, dann haben unsere Spinnweben in der guten Stuben eine gute Ruh!“

„Warum?“ sagte das Mädchen, indem es die Mutter lächelnd ansah und sich wie neckend fester an sie drängte. „Er ist doch das Kind und sie die Mutter, und wenn er sie recht schön darum bittet, wird sie nicht Nein sagen … Zu was haben denn die Kinder eine Mutter, als daß sie ihr manchmal ’was abschmeicheln können?“

„Bleib’ mir vom Leib’, Du Schmeichelkatz’,“ sagte die Bäuerin und konnte sich doch ebenfalls des Lachens nicht erwehren. „Bei der Frau von Schulze schmeichelt sich nichts, das ist eine gar gescheidte Frau, die in ihre Kinder net hineinschaut, wie in einen Spiegel, wie eine gewisse Andere …“

„Das macht nichts – die gewisse Andere ist doch noch viel gescheidter, und wenn sie auch nicht in Berlin daheim ist …“

Die Bäuerin schlug die Hände zusammen. „O mein Dirnl’,“ rief sie, „wann wirst etwan Du einmal gescheidt werden! Ich fürcht’, bei Dir geht’s wie bei den Schwaben, es wird net eher einschnappen, bis der Vierziger da ist, wenn Du’s net am End’ schon ganz und gar überhört hast! Es ist kein richtiges Wort zu reden mit Dir … aber mit der obern Stuben brauchst’ Dich auf kein’ Fall zu eilen: die Frau von Schulze hat uns noch jedes Jahr geschrieben, wenn sie’s im Sinn gehabt hat, zu kommen, sie wird also heuer auch keine Ausnahm’ machen – also wart’ Du nur, bis ein Briefel kommt – in anderthalb Tagen ist doch Alles in Ordnung … Es wird wohl das Meiste drauf ankommen, wie’s dem Fräul’n geht …“

„Das glaub’ ich kaum,“ entgegnete Tonerl rasch, „bei dem Zustand, den die arme Fräul’n hat, wird’s ihr auf alle Fäll’ gut thun, wenn sie zu uns kommt – es ist ihr ja verrathen worden, daß es gar nichts Besseres giebt für ihre kranke Brust, als den guten Geruch von unsere Tannenbäum’, und da mein’ ich halt, wenn’s ihr schlechter ging’, thät sich’s von selbst versteh’n, daß sie kommt, und geht’s ihr besser, dann muß sie erst recht kommen, damit ihr Gesund’ wieder recht fest wird …“

„Es ist völlig aus mit Dir, Tonerl,“ rief die Bäuerin. „Du red’st ja ganz doctormäßig daher!“

„Na ja,“ sagte das Mädchen etwas innehaltend, „das kann sich ja ein Jedes selber zusammen setzen, und er hat es auch gesagt …“

„Schon wieder der Er? Das ist wohl wieder der Sohn, der Günther oder wie er heißt? … Madel, Madel, ich will net hoffen, daß Du mir Dummheiten machst und daß hinter dem Hinauszögern mit der Hochzeit gar ’was Anderes steckt! Bis jetzt hast’ das Gered’ von den Mannerleuten für das genommen, was es ist – für ein Gered’ … wirst doch bei dem wildfremden, hergelaufenen Bürschl kein’ Ausnahm’ machen?“

„Ich? Wo denkst’ hin, Mutter!“ entgegnete Toni mit Lachen, aber diesmal klang es, wenn auch ebenso munter, doch nicht so ganz frei wie zuvor.

Das mochte auch der Bäuerin nicht entgehen, denn sie ließ ihr Geschäft völlig ruhen und wandte sich ganz gegen das Mädchen hin. „So ’was ist leicht gered’t,“ sagte sie dann, „aber ich muß das schon gewiß wissen … Du hast mich in Dein’ Leben noch nie angelogen, Madel … schau’ mir einmal g’rad’ und ehrlich in’s Gesicht und sag’ Nein, wenn Du kannst … ich mein’, ich müßt’ Dir’s in den Augen ablesen, wenn Du mir die erste Lug’ sagen wollt’st … Na, wie ist’s?“ fuhr sie fort, da Tonerl einen Augenblick zu zögern schien. „Kannst’ mich net anschau’n?“

„O ja, Mutter, ich kann …“ erwiderte diese herzlich, indem sie die Rechte der Frau zwischen ihre beiden Hände faßte und herzlich drückte.

„Ich brauch’ mich also net zu ängstigen wegen Deiner?“ fragte diese entgegen. „Du hast nichts mit dem jungen Menschen? Hast Dir net das Maul machen lassen von ihm, denn das versteh’n sie dort, wo er daheim ist! Bis Unsereiner sich besinnt, was er sagen soll, reden sie uns in ein Mausloch hinein und auch wieder heraus! Er hat Dir nichts vorgeschwatzt?“

„Nein, Mutter, wahrhaftig net!“ rief Tonerl. „Ich thät’s sagen, wenn’s so wär’. Er ist alleweil freundlich mit mir und grüßt mich, wenn er mir begegnet … da muß ich ihn doch auch grüßen und kann nit entgegen grandig sein mit ihm! Und diemalen … da schwatzen wir halt miteinander, von allem Möglichen … es ist ihm gut zuhören, weil es ihm so flink von der Zung’ geht, und hat doch Alles, was er sagt, Hand und Fuß, wie sich’s gehört, und er – er unterhalt’t sich auch gern mit mir, er sagt, ich wär’ …“

„Nun, was wärst’ denn?“

„Er sagt …“ fuhr Tonerl stockend fort, „… ich wär’ so brav …“

„Das brauchst’ Dir net von dem jungen Windreißer sagen zu lassen! Was versteht der davon! Sei zufrieden, wann Dir’s Dein Gewissen sagt … Aber das ist doch gewiß nicht Alles?“

„O nein … er sagt auch, er hätt’s in sein’ Leben net für möglich gehalten, daß er sich mit einem Bauermädel so gut unterhalten könnt’ und – und …“

„Und? nur frisch heraus damit!“

„… Und daß, wer mich reden hört, in Ewigkeit net glauben sollt’, daß ich auf dem Land aufgewachsen wär’!“

„Da haben wir’s!“ rief die Bäuerin und schlug wieder die Hände zusammen, aber diesmal nicht im Scherze, sondern mit dem Anflug eines wirklichen Schreckens. „Also, daß Du so brav bist, hat er Dir gesagt? Und so gescheidt? Und so sauber auch? Sag’s nur, ich errath es doch …“

„Nein, nein …“ rief Tonerl, mit dunklem Roth übergossen … „das hat er mir nie gesagt …“

„Das net? Aber wohl ’was Anderes, das gerad’ so laut’t? … Besteh’ mir’s nur ein, Tonerl – jetzt muß ich Alles wissen, jetzt geht’s in einem Aufwaschen hin! Was hat er also gesagt, der preußische Er?“

„Aber, Mutter, wie kommst’ mir denn vor?“ rief Tonerl, welche auf einmal alle Befangenheit von sich warf und ganz ihren früheren heiter neckischen Ton wieder fand. „Du nimmst mich ja in’s Verhör, als wenn ich vor dem Schwurgericht steh’n thät’! Kennst’ mich denn erst seit gestern? Wenn Du so genau wissen willst, was er gesagt hat, warum fragst’ net auch um das, was ich geantwort’t hab’? Das wissen alle Burschen in der G’meind’, daß die Funkenhauser-Tonerl die dumme Dirn’ net ist, die sich

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