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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Hempel unter Schiller’s hochverehrtem Namen wohlfeil verkauft, auch nur in einem unschuldigen jungen Herzen unreine Gedanken weckt, so trifft die Schuld den Verleger, wie die Bibel sagt: „Wehe dem, von welchem Aergerniß kommt“. Herr Hempel giebt viel und Vielen Aergerniß und den Schaden, den er anrichtet, kann er nicht gut machen, selbst wenn er der Stiftung, welche Schiller’s Namen trägt, zehntausend Thaler als Buße zahlt. Seine Ausgabe von „Schiller’s Gedichten“ darf man der Jugend nicht in die Hand geben, und es wäre sehr zu wünschen, daß derselben der Eingang in jedes deutsche Haus, in jede deutsche Familie gewehrt werde, ja, daß das ganze deutsche Volk laut und öffentlich mit Entrüstung seinen „Schiller“ zurückwiese, denn es ist nicht der, welchen dasselbe an seinem hundertsten Geburtstage mit Jubel gefeiert hat – „so weit die deutsche Zunge klingt.“

Ich nenne die schlimmen und die schlimmsten Gedichte nicht. Hält aber Herr Hempel meine Worte für zu stark, so lade er zehn ehrbare, gebildete deutsche Frauen in sein Haus und lege diesen die Frage zur Entscheidung vor. Einem solchen Ausspruche unterwerfe auch ich mich.

A. Diezmann.




Das Hans-Sachs-Denkmal in Nürnberg kommt, nachdem die störende Hitze nachgelassen, im Thonmodell seiner Vollendung immer näher. Dagegen ist der Theilnahme an dem Unternehmen etwas mehr Wärme zu wünschen. Der Aufruf der Gartenlaube hat bis jetzt nur bei den Liedertafeln gezündet. Nürnberg ging mit gutem Beispiel voran und ersang für seinen Hans Sachs dreihundert Gulden; ihm folgte Augsburg nach mit zweihundert dreiundvierzig Gulden, dann kommen Rathenow, Pillnitz, Frankenthal, Edenkoben, Landstuhl mit entsprechenden Summen.

Von den deutschen Bühnen jedoch hat bis jetzt nur das Theater von Steyer eine Vorstellung zum Besten des Denkmals gegeben und Weimar ein Benefiz zugesagt; außerdem herrscht überall kaltes Schweigen.

Ebendarum erscheint es nicht ganz unnöthig, die Herren und Lenker, sowie die Freunde und Unterhalter der deutschen Bühnen auf die Bedeutung aufmerksam zu machen, welche unser Hans Sachs für die Entwickelung einer nationalen dramatischen Kunst in Deutschland anzusprechen hat. Wir müssen sie vor Allem auf Goethe’s hohe Achtung vor ihm und auf den Einfluß hinweisen, den dieser selbst (in „Wahrheit und Dichtung“) den dramatischen Werken des Nürnberger Meisters auf sich zuschreibt, ganz abgesehen von der Weihe, welche er in seinem Gedicht „Hans Sachsens poetische Sendung“ über ihn ausgießt. Uns gestattet hier der Raum nicht, das zu wiederholen, was besonders Gervinus über die Verdienste des Mannes um das deutsche Drama Anerkennendes und Treffliches gesprochen; dies Alles möchten wir den obengenannten Herren der Bühne recht dringend an das Herz legen. Der Nürnberger Denkmal-Ausschuß wird sehr gern über jedes Hans-Sachs-Benefiz der deutschen Bühnen gewissenhaft öffentliche Kunde geben, und die Presse wird nicht säumen, die Namen der Theaterstädte, welche sich durch eine solche Betheiligung an dem Denkmalunternehmen selbst geehrt, weiter zu tragen.




Ein Curirschwindel en gros. „Wenn Sie bereit sind, mir den bestimmten Preis zu senden, so sollen Sie sogleich die Mittel nebst Ordonnancen bekommen. Der Preis der schriftlichen Konsultationen (zwei Mal wöchentlich) nebst den Mitteln für einen Monat ist zehntausend Franken.“ So schreibt der durch die Behandlung des preußischen Botschafters in Paris bekannt gewordene Herr Dr. van Smitt in Paris an einen Kranken, der am Mastdarmkrebs litt und bald nach Empfang des Briefes starb. Trotzdem nun, daß ein solches Uebel stets tödtlich abläuft, versichert Herr Dr. van Smitt in seinem Briefe doch, daß dasselbe für ihn heilbar, indeß mit vielen Schwierigkeiten verbunden sei. Nebenbei wünscht der Krebsheiler eine Photographie des Patienten, um, wie er sagt, die Constitution desselben kennen zu lernen, oder, wie der Verfasser dieser Zeilen glaubt, um später ein Album von Conterfeien solcher Personen herausgeben zu können, welche ihre Erben leichtsinniger Weise um zehntausend Franken brachten.

Bock.




Ein Erinnerungsblatt an Theodor von Kobbe. In Oldenburg weiß man sich noch manchen schönen, originellen Zug aus dem leider zu kurzen Leben des im Jahre 1845 dort verstorbenen Dichters Theodor von Kobbe zu erzählen. So theilte mir ein Freund desselben nachstehende zwei Züge mit, die für Kobbe’s Wesen und Richtung sehr charakteristisch und dabei so anziehend sind, daß sie auch in den weitesten Kreisen interessiren werden.

Das weiche, edle Gemüth des Dichters, damaligen Landgerichtsassessors in Oldenburg, der zu Karl Immermann nahe freundschaftliche Beziehungen hatte, war so zart besaitet, daß jedes Ereigniß, welches einen Eindruck auf dasselbe zu üben geeignet war, ihn, wo er auch sein mochte, augenblicklich zu poetischen Ergüssen hinriß. Als er im Jahre 1842 in der Gerichtssitzung die Nachricht erhielt, der König von Preußen habe Ferdinand Freiligrath ein Jahrgehalt verliehen, gab er dem Eindruck, welchen die Nachricht auf ihn machte, augenblicklich in folgenden Versen Ausdruck, die er, nachdem sie als interessantes Intermezzo bei den Gerichtsmitgliedern circulirt, noch aus derselben Sitzung an Freiligrath zur Post befördern ließ:

Karl Immermann war freilich Rath,
Doch ohne Pension;
Traun! was der Vater noch nicht hat,
Das überkommt den Sohn.
Die Zeit, sie eilt, sie lohnt die That –
Wenn Deine was gewann,
So denke: Du bist Freiligrath
Doch sei auch immer Mann!

Bei einer Gerichtsvisitation wurden von den Visitatoren recht viele Fragen gethan, die unverkennbar die vielleicht etwas geniale Geschäftsbehandlung des guten von Kobbe berührten und diesen sehr aufmerksam und ernst stimmten. Als sein benachbarter College ihm einen Papierstreifen hinschob, auf dem die Worte: „Machen Sie ein Impromptu!“ standen, schob Kobbe denselben wiederholt unwillig zurück. Endlich, als der College bei seinem Verlangen beharrte, nahm er hastig das Papier und schrieb schnell folgende Verse als Antwort nieder:

Ein Impromptu paßt für den Dichter,
In promptu sein paßt für den Richter,
Damit, wenn man ihn visitirt,
Man keine Poesie verspürt. –
D’rum, Muse, pack’ dich augenblicklich!
Was thust du überhaupt auf Erden?
Man kann durch dich zwar selig, glücklich,
Doch nie Geheimer Hofrath werden.

A. Schwartz.




Der neue Hofmeister. (S. Abbildung auf S. 581.) Der Künstler, von dessen Leistungen wir diesmal unseren Lesern eine Probe darbieten dürfen, C. Franz in Dresden, gehört zu der Anzahl unserer modernen Maler, die, hauptsächlich nach dem Vorgange Carl Hübner’s in Düsseldorf, in ihre Bilder Tendenz zu legen suchen, d. h. ihre Darstellungen, wenn diese auch anderen Perioden entlehnt sind, mit dem Gedankengange unserer Zeit, mit einem Ausdrucke unserer Bestrebungen, unserer Kämpfe und Errungenschaften füllen. Als ein solches Bild fassen wir wenigstens den „Neuen Hofmeister“ auf, welcher uns in jene glücklich überwundenen Tage des Rococo zurückführt, wo der Lehrer in den vornehmen Familien nichts war, als ein Bedienter, und nicht einmal der erste des Hauses, denn Kammerdiener und Jäger pflegten hochnäsig auf den armen Schlucker im abgetragenen schwarzen Rocke herabzusehen, ein Bedienter, welcher vor dem „gnädigen Herrn“ in Unterthänigkeit ersterben, allen Launen und Tyranneien der „gnädigen Frau“ in Dienstbeflissenheit zu Willen sein, von den verzogenen jungen Herren und Fräulein sich jede mögliche Bosheit, jeden erdenklichen Eigensinn und Widerstand gefallen lassen, oftmals mit den Domestiken in der Küche speisen und schließlich, um zum Gipfelpunkte seiner höchsten Wünsche, der vom hochmögenden Patron zu vergebenden mageren Pfarrstelle, zu gelangen, die Wittwe des verstorbenen Pastors oder auch wohl – das unmöglich gewordene Kammermädchen der Frau Baronin heiraten mußte.

Einen Hofmeister jener „guten alten Zeit“ zeigt uns das Gemälde von Franz, noch dazu einen Hofmeister, der erst einer werden will, der voller Demuth und Unbehülflichkeit der gestrengen Gnädigen sich vorstellt, welche ihn mit hochmüthigem Seitenblicke mustert, auf die im Ganzen recht acceptable äußere Erscheinung des Aspiranten indeß bereits allerlei Speculationen (zur Ausfüllung müßiger Stunden) zu gründen scheint – denn auch derlei war eben eine Signatur der Zeit.

Wir haben also in den beiden Hauptfiguren des Bildes die ganze Jämmerlichkeit und zugleich Frivolität der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts gewissermaßen verkörpert vor uns, in wenigen Umrissen ein anschauliches Bild jener Periode, welche die große französische Revolution zeitigte und naturgemäß zeitigen mußte.

S.




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