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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

wie in einem Kloster … zu meiner Zeit, wie ich jung gewesen bin, da hat man gesagt: je reiner das Gemüth ist, je heller klingt’s, wenn man singt – da hat man aus der Welt kein Kloster machen wollen, und unser alter Herr Pfarrer hat gesagt, die Engel im Himmel haben ihre Freud’ daran, wann s’ irgendwo vergnügte und fröhliche Menschen sehen … Sehn’s, Hochwürden, das ist halt mei’ Glauben und bei dem will ich bleiben und glaub’, wenn’s zum Sterben kommt, wird unser Herrgott auch ein Einseh’n haben und wird’s mit einem geringen Bauernweib net so haarscharf nehmen, denn der schaut in’s Herz und net in den Kopf!“

Ein Bauernjunge, der rufend die Halde hergelaufen kam, unterbrach sie im Redefluß. Athemlos kam er heran und brachte die Botschaft vom Postmeister im nahen Marktflecken, die jährlichen Gäste des Funkenhauserhofes seien eingetroffen und einstweilen bei ihm eingekehrt, weil sie von der Reise sehr angegriffen seien, morgen aber würden sie kommen und ihren feierlichen Einzug halten.

„Also doch!“ rief die Bäuerin und beachtete in ihrer Freude gar nicht, daß der Geistliche ohne Abschied sich entfernt hatte und mit ernstem Schritt, wie er gekommen, langsam und lesend den Berg hinabwandelte. „He, Tonerl, geh’ hinauf in die gute Stuben, mach’ die Fenster auf und thu’ die Spinnweben herunter – uns’re Sommergäst’ kommen!“

Eilend schritt sie dem Hause zu, ohne Antwort abzuwarten; sie war aber wohl gehört worden, denn aus dem Innern des Hofes ertönte aus einer Mädchenkehle ein frischer langgezogener Juhschrei, wie wenn die Sennerin auf hoher Alm der aufgehenden Morgensonne entgegenjauchzt.




2. Schwarz oder Blau.

Die Junisonne stand schon hoch und brannte mit vollster Gluth auf der steilen Felswand, welche über dem Bergwalde so schroff und riesig hinanstieg, daß ein paar der höchsten Kirchthürme, über einander gestellt, kaum genügt hätten, an die oberste Kante zu reichen. Wer unten vom Fuße derselben aus der hügeligen Halde zwischen den verstreuten Heuhütten emporsah, mußte scharfe Augen haben, wenn er in den kleinen dunklen Punkten, die an dem höchsten Schrofen hingen, wie im Vorüberfluge sich rasch anklammernde Vögel, Menschen zu erkennen vermochte. Es waren zwei Jäger, welche die Felswand hinankletterten, Rucksack und Büchse über die Schulter gehängt, um im Steigen nicht gehindert zu sein, während sie mit den Füßen vorsichtig nach einer Spalte oder einem Vorsprung als Stützpunkt tasteten und zugleich mit den Händen nach einer herabhängenden Ranke oder dem Geäste einer Zwergtanne griffen, die ihre zähen Wurzeln in das Gestein einzukeilen gewußt. Es galt dabei immer noch, sich mit den Knieen fest an das Gestein zu stemmen und jeden Blick in die Tiefe zu vermeiden. Der Eine, Geübtere schien mit der Oertlichkeit vollkommen vertraut und rief voranschreitend dem Gefährten aufmunternde Worte und Weisungen zu, wie er auf die Stellen, welche er selbst eben verlassen hatte, vorsichtig den Fuß setzen und sich an den Felsen anhalten solle, um nicht in die grausige Tiefe zu stürzen.

Es war Ambros. Sein braunes Gesicht war von der Anstrengung geröthet; sonst schien er nichts von derselben zu empfinden. Seine Kniee waren stramm, und nichts zuckte an der ganzen, gedrungenen Gestalt, als er eben auf einer steil vorspringenden Platte ankam, von welcher aus jede Möglichkeit, weiter vorzudringen. durch eine tiefe Kluft abgeschnitten war. Die Wildwasser, welche im Frühling und Frühsommer aus den schmelzenden Schneemassen herniederstürzen, hatten sich mehrere Klafter tief und breit eine schauerliche Bahn eingerissen, über welche es keinen anderen Weg gab, als sich mit eingesetztem Bergstock auf die andere Seite zu schwingen, wo einige Schuh tiefer ein breiter, mit Gras bewachsener Block eine bequeme Stelle zum Ansprung bot.

„Da heißt’s jetzt, ein kleines bissel springen,“ rief Ambros seinem Nachmanne zu. „Es hat aber nichts zu sagen, Herr; der Bergstock tragt Einen schon hinüber, und zudem geht’s ein bissel abwärts. Ich will’s Ihnen gleich vormachen.“

Vorsichtig trieb er die Eisenspitze seines Stockes in einen Felsenspalt und prüfte wohl, daß er weder abgleiten, noch das Gestein absprengen konnte. Dann setzte er mit gleichen Beinen zum Sprunge an und schnellte sich in kräftigem Schwunge über die Kluft. Er kam glücklich auf dem Blocke an, und wenn auch im ersten Augenblicke von der Erschütterung die Kniee knickten, stand er doch bereits im nächsten wieder so kerzengerade da, wie die Tannen, welche unfern davon ihre Gipfel emporstreben, als wären sie nach der Schnur in die Höhe gezogen.

Der zweite Jäger hatte wohl den Ruf vernommen, aber er vermochte den Sprung nicht genau zu sehen, weil derselbe nach abwärts ging. Vorsichtig tastete er sich auf den Felsstücken, auf welchen Ambros zuletzt gestanden, vorwärts, und stand nun an der Schlucht über dem Abgrund, durch denselben von seinem Führer getrennt, der es sich gegenüber schon bequem gemacht und wie zur Erleichterung Rucksack und Stutzen abgeworfen hatte. Auf den Bergstock mit übereinandergelegten Armen sich stützend, stand Ambros erwartend da und schien dem Sprunge seines Gefährten mit gespannter Neugier entgegenzusehen.

Dieser trug ebenfalls die Tracht der Jäger im Gebirge: die graue Joppe mit grünem Saum und Kragen und den gleichfarbigen Hut, auf welchem weder der zierliche Federschmuck noch der krause Gemsbart fehlte. Die bloßen Kniee, welche zwischen der kurzgeschnittenen Lederhose und den Wadenstrümpfen hervorsahen, verriethen durch ihre Weiße ebenso wie der bessere Stoff, aus welchem die Kleider gefertigt waren, daß der junge Mann die Jägerei in diesen Bergen wohl nur zum Vergnügen betreibe und darin weder gehörig geübt, noch völlig abgehärtet war. Man sah dem feinen, schlanken jungen Manne die Mühe und Anstrengung an; der Schweiß rann in schweren Tropfen von der Stirn, und es kostete ihn sichtbar Mühe, sich aufrecht zu halten. Dennoch wußte er die gute Haltung, welche ihm angewöhnt schien, zu bewahren; der Wille in ihm war stärker und ersetzte, was der weniger geübten Kraft gebrach. Mit einem Befremden, das ziemlich das Ansehen des Schreckens trug, sah er von der Platte bald in die Schlucht hinunter bald zu Ambros hinüber, und in seinen Blicken lag die Frage, ob es nicht etwa einen andern Weg gebe und ob er wirklich da hinüber müsse.

„Kommen Sie nur, Herr Günther!“ rief Ambros. „Müssen sich nicht lang besinnen; es giebt keinen andern Weg! Setzen Sie nur den Bergstock fest ein! Sie sehen ja, wo ich den meinigen eingesetzt habe. Sie haben mir ja oft gesagt, daß Sie beim Turnen, oder wie das Ding heißt, so gut springen gelernt haben – da können Sie’s gleich einmal probiren! Müssen nur nicht hinunterschauen, damit Sie nicht etwa schwindlig werden.“

(Fortsetzung folgt.)




Die Altmeister der deutschen Imker.

Der Spätsommer ist gekommen, und mit ihm die Zeit der sogenannten Wanderversammlungen deutscher Berufsgenossen. In Hamburg hat unlängst der Juristentag seine Sitzungen beendet, in Wien tagen Künstler und Land- und Forstwirthe zugleich, im schönen Elbflorenz sind die deutschen Aerzte und Naturforscher vereint und in Darmstadt sitzen die deutschen Bienenväter, die Imker, wie sie sich lieber nennen hören, im Austausch ihrer Ansichten über Theorie und Praxis der Bienenzucht zusammen. Dieser letztern gebührt in der That mehr als manchem andern Zweig der edlen Landwirthschaft ein nicht unbedeutender Platz unter den Beschäftigungen der Menschen. Wie klein auch immerhin, dem großen Ganzen gegenüber, ihr Antheil an der Volksbildung, an der Entwickelung des geistigen wie körperlichen Wohles der Menschheit sein mag, immer bleibt doch der Segen, welchen sie seit dem grauen Alterthume den Menschen gespendet hat, noch spendet und in Zukunft erst recht noch spenden wird, ein nicht unbeträchtlicher. Abgesehen von dem außerordentlichen Vergnügen, welches sie gewährt – die Beschäftigung mit den Bienen ist gleich dem Lesen eines hochpoetischen, anregenden, im höchsten Grade spannenden Gedichtes – bildet vor allen Dingen der materielle Gewinn, den sie durchschnittlich ihren zahlreichen Jüngern aus allen Classen der menschlichen Gesellschaft gewährt, den Anziehungspunkt.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_596.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)