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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

An dem Berghang unter den Ruinen der Burg Nassau liegen die Reste der Stammburg des Stein’schen Hauses. In ihren Umgebungen auf „dem Stein“ war man gegen Ende der siebenziger Jahre des vorigen Jahrhunderts geschäftig, die Schönheiten der Natur noch durch Kunstanlagen zu erhöhen. Die Seele dieser Arbeiten war die Mutter unseres gefeierten Staatsmannes, deren Bildniß, in den Sälen des Familienschlosses in Nassau aufbewahrt, das Gepräge einer hohen Frau trägt, geschaffen und würdig die Mutter eines solchen Sohnes zu sein. Um die Burgruinen, wo an den moos- und epheubewachsenen Mauern hin Laubgänge von Fruchtbäumen angelegt waren, schuf sie neue herrliche Spaziergänge und Pavillons, von denen man die schönsten Aussichten auf die Lahn, ihre Thäler und Berge genoß.

Einer dieser Pavillons, ein Rest wohl noch jener Anlagen, nimmt auf einem Vorsprunge der Höhe die Stelle ein, die zur Errichtung eines Steindenkmals bestimmt ist, dem er den Platz räumen wird. Die nassauischen Landsleute Stein’s, die zuerst im Herbst 1857, an seinem hundertjährigen Geburtsfeste, den Entschluß faßten, Deutschland aufzurufen zur Errichtung eines Denkmals für den großen Mann, gingen von der Ueberzeugung aus, daß Stein’s Heimath die berechtigtste Stelle sei für ein eigentlich nationales, von allen deutschen Stämmen gemeinsam erhöhtes Monument zu Ehren des Staatsmannes, dessen gewaltige Thaten, dessen Bestrebungen für die Unabhängigkeit der Völker in Wahrheit dem deutschen Gesammtvaterlande angehörten und diesem die Schuld einer gemeinsamen Dankbarkeit auferlegten. Auch beharrten jene Männer bei ihrem Gedanken noch dann, als man in Wetter Hand anlegte an ein Denkmal zum Gedächtniß der provinciellen Wirksamkeit Stein’s in Westphalen, und in Berlin an ein Staatsdenkmal, das dem Kranz der Standbilder jener Kriegshäupter sollte eingereiht werden, denen wir den siegreichen Ausgang der Befreiungskriege danken. Schien doch gleichsam Stein selbst, als er zum Andenken an die deutschen Freiheitskriege neben dem freiherrlichen Schlosse in Nassau den Thurm erbaute, in dessen Innerem die Büsten der drei Befreierfürsten aufgestellt und die Gedenktafeln an alle die bedeutenden Momente der schicksalvollen Jahre 1812 bis 1815 angebracht sind, die heimathlichen Umgebungen seines Geburtsortes als die einzige natürliche Oertlichkeit für ein Denkmal, das ihm die nationale Erinnerung setzen möchte, bezeichnet zu haben!

Auf der Ansicht der Gegend, die unser Blatt zugleich mit dem Entwurfe des Denkmals den Lesern vorlegt, ist das Monument, das erst werden soll, bereits an seiner Stelle eingetragen. Man sieht leicht, wie die Berghöhe, die von dem Thurme der Burg Nassau gekrönt ist, den landschaftlichen Mittelpunkt – nicht dieser bildlichen Aufnahme, wohl aber der Gegend – bildet; man erkennt dann ebenso bald, daß von der Bergspitze herab bis zu der thurmumgebenen Eisenbahnbrücke über die Lahn das Denkmal wieder, mit den Ruinen der Burg Stein zusammen, den mittleren Punkt einer förmlichen Kette von monumentalen Bauwerken einnimmt, die man von jenseits der Lahn, von der Stadt Nassau her, in noch deutlicherem Ueberblicke vor sich hat.

Die Natur dieser Oertlichkeiten: der Vorsprung der Felsplatte, auf der das Denkmal stehen wird, aus der waldbewachsenen Höhe, die ihn um zwei Dritttheile überragt, die Sichtbarkeit der Stelle in weite Ferne nach den beiden Thälern der Lahn und des Mühlbachs hin, deren Zusammenfluß der Pavillon bisher überschaute und künftig das Denkmal überschauen wird, die Mittelstelle zwischen den zwei augenfälligen Alt- und Neubauten auf der Höhe und in dem Thale, bedingte einen entsprechenden Umfang des Denkmals, eine gewisse Größe und Mächtigkeit seiner Verhältnisse, wenn es sich nicht kleinlich verlieren sollte. Entschied man sich, ein Standbild an so ausgesetzter Stelle zu errichten, so bedurfte es ohnehin eines architektonischen Schutzes gegen die Unbill der winterlichen Witterung. Baurath Zais hat den gothischen Ueberbau entworfen, der zu diesem Schirmdache für die Statue bestimmt ist. Er war ursprünglich noch größer, thurmartiger angelegt; allein die leidige Unzulänglichkeit der Mittel nöthigte zu bescheidener Beschränkung. Diese größere Einfachheit muß indessen dem neun und einen halben Fuß hohen Standbilde entschieden zu Gute kommen, das sich in der Mitte der weiteren Bogenöffnungen zwischen den schlankeren Eckpfeilern um so wirkungsvoller herausheben wird. Die Werke des architektonischen Kunstveteranen und des jugendlichen Bildhauers, Pfuhl in Berlin, werden sich, wie sie im einträchtigen Verständniß entworfen sind, ausgeführt in eben so erfreulicher Uebereinstimmung verbinden und ergänzen; die photographische Ansicht, die wir abbilden, mag eine ungefähre Vorstellung davon geben. Das Werk, wenn vollendet, wird der reizenden Gegend zur neuen Zierde gereichen; es wird ein Anziehungspunkt für die Tausende von Gästen werden, die jährlich das nur fünfzehn Minuten entfernte Ems besuchen. Möchte nun nur die Vollendung rasch von Statten gehen. Die Arbeiten haben nach allen Richtungen hin begonnen; der neue Ausruf des Heidelberger Vollzugsausschusses, an dessen Spitze Dr. Pagenstecher sen. und Gervinus stehen, wendet sich – wie wir ihm wörtlich entnehmen – „noch einmal an alle deutschen Herzen, welche die großartige Wirksamkeit des edlen Mannes für die innere und äußere Freiheit des Vaterlandes in treuem Andenken tragen, mit der Bitte, dies begonnene Werk zur frohen Vollendung fördern zu helfen. Die vorhandenen Mittel decken noch kaum die vereinbarten Vertragssummen, geschweige die unausbleiblichen Mehrkosten; die beiden Künstler haben sich in einer ruhmwürdigen Uneigennützigkeit an ihr Werk begeben, ohne eine Gewähr, ja ohne eine Aussicht auf irgend einen Entgelt. – Der Ausschuß hegt das feste Vertrauen, daß das deutsche Volk die gleiche Gesinnung theilen und ihm auf diesen Aufruf die noch fehlenden Mittel sowohl zur Hinausführung des Denkmals, als zu einem würdigen Kunstpreis für die trefflich entworfenen Werke der beiden Künstler freudig steuern wird.“

Ist es nicht erhebend, daß die beiden Künstler „ohne eine Gewähr, ja ohne eine Aussicht auf irgend einen Entgelt“, in bloßem patriotischen Ehrgeize an ihr Werk gegangen sind? Aber ist es nicht eben so beschämend für uns, wie es erhebend ist? Das Heidelberger Comité hat sich über zehn Jahre bemüht, seine Sammlungen zu erhöhen, ohne durchschlagende Erfolge. War es, weil die Denkmale in Wetter und Berlin die Theilnahme Preußens abzogen? War es, weil Oesterreich sich ausschied, das doch dem Manne für seine Herstellung aus der französischen Bedrückung so viel wie alle Anderen verpflichtet war? War es, weil die Natur der Wirksamkeit des Mannes, um dessen Gedächtniß es sich handelt, der großen Volksmasse nicht in der Art zum Verständniß nahe liegt, wie die eines Luther und Schiller? War es, weil unglückliche Kriegsjahre die friedliche Arbeit der Sammler zwei Mal gewaltsam störten? Die Sammlungen haben sich bis jetzt nicht über zwölf- bis dreizehntausend Gulden erhoben. Die Künstler haben mit Vertrauen zu dem Comité begonnen, das Comité mit Vertrauen zu dem deutschen Volke, dem es in seinem letzten Aufrufe an die Ehre greift.

Wir fordern daher alle Freunde der Gartenlaube, die ja ohne Ausnahme auch Freunde der guten Sache sind, auf, ungesäumt mit der Hand in den Säckel zu fahren und endlich den Tribut der Dankbarkeit für den bewährtesten deutschen Staats- und Volksmann öffentlich in sichere Hand niederzulegen. Wer seinen Opferpfennig bereit hält, wird nach einem Opferstock nicht lange zu suchen haben.




Blätter und Blüthen.

Das Erdbeben an der Westküste von Südamerika im Jahre 1868. Vor ungefähr zehn Jahren verließ der Verfasser der nachstehenden Schilderung als sächsischer Officier das Vaterland und ist seitdem viel in Südafrika, Nord- und Südamerika gereist. Während des großen Bürgerkrieges befand er sich im Dienste der Vereinigten Staaten, arbeitete sodann als Militäringenieur in der argentinischen Republik und pachtete später die chilenische Insel Juan Fernandez. Gegenwärtig befindet er sich in Lima, und auf einer Fahrt an den dortigen Küsten schrieb er für die Gartenlaube die Schilderungen nieder, die wir, trotz der vielen ihnen zuvorgekommenen Zeitungsberichte über denselben Gegenstand, hier mittheilen, weil sie auf der eigenen Anschauung von mehreren unserer deutschen Landsleute beruhen.

Caldera, den 19. August 1868.

Unsere Küste hat soeben eine Erschütterung erfahren, wie sie schrecklicher vielleicht nie stattgefunden. Es ist diesmal kein einzelner Punkt, welcher vom Erdbeben heimgesucht wurde, sondern eine lange Reihe bewohnter Plätze, und sie alle liegen verheert und verödet.

Ich befand mich am 16. August in Valparaiso, wo die Luft so

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 670. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_670.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)