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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)


austheilen hat mich schon oft skandalisirt. Ich würde in unserer Zeit keinem nur irgend verdächtigen Reisenden einen andern Paß geben, als um auf der Poststraße nach Prag oder nach Wien zu gehen, und hier müßte dann erst entschieden werden, ob er geeignet sei, Beobachtungsreisen im Innern des Landes zu machen.“

So weit der Brief!

Ob Herr Reimer vielleicht die Absicht gehabt hat, diesen Haupttheilnehmer an den Versündigungen gegen die deutsche Freiheit zu necken und zu ängstigen, wissen wir nicht. Aber das Stückchen Vergeltung, welches hier in so einfacher Weise durch das böse Gewissen des Betroffenen sich zeigt, wird Manchen belustigen. Und wenn Viele noch immer in eigensinniger Narrheit behaupten, daß weder die einheitliche, noch die freiheitliche Entwickelung des deutschen Volkes vorwärts komme, so verweisen wir sie immer von Neuem auf die Zeitabschnitte, welche in irgend beträchtlicher Vergangenheit hinter uns liegen. Was sind fünfzig Jahre in der Entwickelung der Völker! Und nun vergleiche man die heutigen Zustände mit denen von damals! Grundsätze wie die von Gentz entwickelten sind damals oft genug zur Geltung gekommen. Heute würden sie allerwegen als hirnverrückte Phantastereien ausgelacht werden und um so mehr, wenn sie von einem praktischen Staatsmanne vorgebracht würden.

Gewiß: wir sind auch in freiheitlicher Beziehung etwas vorwärts gekommen!

K. F.




Die Erfindung des Revolvers gehört, wie die des Hinterladers und der gezogenen Kanone, einer weit früheren Zeit an, als die Wiedereinführer derselben, namentlich außerhalb Deutschlands, angegeben oder vielleicht selbst gewußt haben. Von Hinterladern (über welche die Gartenlaube einen besonderen illustrirten Artikel bringen wird) zeigen deutsche Zeughäuser und Waffensammlungen Kanonen und Gewehre aus der ersten Hälfte des sechszehnten, ja aus dem fünfzehnten Jahrhundert auf. Daß auch gezogene Geschütze schon früher vorhanden waren, dafür zeugt eine eiserne, mit offenbar durch Zugeinschnitte gerieftem Blei überzogene Kanonenkugel, die im Holz eines alten Birnbaums am Eckardtsberge, der der Veste Coburg zunächst liegenden Anhöhe, gefunden worden ist. Die Kugel ist offenbar von der hohen Bastei aus geschossen, das betreffende Geschütz aber leider nicht erhalten worden. Glücklicher ist die Erhaltung eines alten Revolvers gelungen. Herr Garde-Artillerie-Hauptmann Schmidt in Küstrin theilt uns darüber folgende Notiz mit:

„Ich wurde 1851 von der türkischen Regierung nach Constantinopel berufen, um die Reorganisation und Leitung der dortigen Artillerie- und Ingenieurschule zu übernehmen. Bei Ausbruch des orientalischen Krieges erhielt ich den Auftrag, die Festungswerke am Bosporus und die auf dem Kriegsschauplatz an der Donau belegenen zu armiren. Dies veranlaßte mich die vorhandenen Bestände an alten Geschützrohren zu durchsuchen; hierbei fand ich unter einem Haufen alter deutscher Kanonen, die nach und nach aus den früheren Genueser Festungen zusammengeschleppt waren, so wie auch aus Ungarn und Oesterreich, darunter wahrhafte Kunstwerke der Ciselirarbeit, auch ein eigenthümliches Rohr. Bei näherer Besichtigung fand ich den leibhaftigen Colt’schen Revolver in Kanonengestalt. Das Rohr hatte das Kaliber eines Zwölfpfünders, war etwa sechs Fuß lang, und hatte hinten eine Trommel zu sechs Schuß Die Trommel wurde wahrscheinlich mit Hülfe einer Handspeiche nach jedem Schuß gedreht. Da keine Laffette vorhanden war, so blieb auch unersichtlich, ob ein besonderer Mechanismus für die Drehung der Trommel vorhanden gewesen. So viel ich mich erinnere, war die Jahreszahl 1690 darauf eingravirt, das Wappen war durch Sand und Unreinigkeit augenblicklich nicht zu entziffern. Wenn auch das Abfeuern der Schüsse durch Zündlöcher erfolgte, wie bei allen Geschützen, so bleibt doch das Princip des Colt’schen Revolvers unbestritten vertreten.

Falls Jemand in Constantinopel die Sache weiter untersuchen möchte, so hat er das Rohr auf dem Hofe von Top-hana (zu deutsch Kanonenhaus, Artilleriewerkstatt und Sitz der obersten Artilleriebehörde) unmittelbar am Bosporus, neben der Moschee zu suchen. Dort lagen einige dreißig der schwersten Kaliber, Vierundzwanzig- und Achtundvierzigpfünder, alle von deutscher Arbeit, prachtvoll ciselirt, und zwischen diesen lag auch jenes Rohr. Es ist leicht möglich, daß es heute noch auf derselben Stelle liegt, wo es 1857 bei meinem Abgange lag, denn die türkischen Behörden sind sehr conservativ in der Unordnung und haben kein Interesse für Geschichte.“

Somit muß Samuel Colt wenigstens für die Deutschen aufhören als alleiniger Erfinder des Revolvers zu gelten; wie aber der deutsche erste Meister dieses Waffenkunstwerks geheißen, ist bis jetzt unentdeckt geblieben.




„Instinct oder Vernunft.“ Unter diesem Titel hat die Gartenlaube schon mehrmals interessante Beiträge zur Kenntnis; der geistigen Fähigkeiten selbst niedrig organisirter Thiere gebracht. Da ich jene Artikel mit wahrem Vergnügen gelesen habe und viele Andere mit mir, so glaube ich annehmen zu dürfen, daß auch die nachstehende Mittheilung manchem Leser der Gartenlaube von Interesse sein wird. Vor zwei Jahren machte ich eine Instructionsreise in den Kohlenrevieren Belgiens und fand dabei auf einer Grube in der Nähe von Lüttich besonders freundliche Aufnahme. Ich blieb daher, nach Besichtigung alles für mich als Ingenieur Sehenswerthen, noch einige Stunden in der Wohnung des Directors in munterem Gespräch mit demselben. Während ich die in Käfigen an der Wand des Arbeitszimmers hängenden Canarienvögel betrachtete, die durch ihr lautes Schmettern oft die Unterhaltung unterbrachen, fiel mir auf, daß in ein zwischen den Gitterstäben steckendes Zuckerstück mehrere runde Löcher eingebohrt waren. Kaum hatte ich nach einer Erklärung dafür gefragt, als ich auch selbst Gelegenheit fand, mich durch den Augenschein zu überzeugen, daß der kleine Insasse des Vogelbauers diese Löcher bohrte und zwar auf folgende Weise. Der Vogel riß von dem Papier, welches zum Schutz der Tapete die Hinterwand des Käfigs bedeckte, ein kleines Stück ab, tauchte dasselbe in sein Trinkwasser und legte es dann auf den Zucker; nachdem er dies mehrmals wiederholt hatte, war der Zucker hinreichend erweicht, um dem Vogel ein Hineinbohren mit dem Schnabel zu gestatten. Dem Canarienvogel, der übrigens schon seit einer ziemlichen Reihe von Jahren bei seinem jetzigen Besitzer war, wurde es auf diese Weise möglich, eine solche Menge von Zucker zu consumiren, daß ihn seine jüngeren Nachbarn wohl darum beneiden konnten.

R. D.




Der alte Weisflog! Auch er soll aus dem Staub der Leihbibliotheken wieder hervorgezogen werden, um für seine Gemüthlichkeit Herzen in der Gegenwart zu suchen. Wir befürchteten, daß dies, nach den großen und großartigen Wandelungen, welche die Deutschen seit Weisflog’s Blüthezeit, die nun fast drei Menschenalter hinter uns liegt, durchzumachen hatte, wohl ein vergebliches Bemühen sei. Nachdem wir aber die Lieblingsstücke unserer Jugendzeit, wie „Der Pudelmütze sechsundzwanzigstes Geburtsfest“ und „Der Pudelmütze Tod und Hochzeit“ wieder lasen und uns das Herz wieder lachte, so heiter, wie beim ersten Lesen dieser kleinen Musterbilder gesundesten Humors, müssen wir uns des Unternehmens freuen, welches solche Todte wieder in’s Leben ruft. Eben deswegen können wir die von der Helser’schen Buchhandlung in Dresden veranstaltete Herausgabe der „deutschen Prosaiker des neunzehnten Jahrhunderts“ in einer „Hausbibliothek“ unseren Lesern als eine gute und billige Vermehrung des Familien-Bücherschatzes nur empfehlen. Die ersten Bändchen sollen, außer Weisflog, van der Velde, E. T. A. Hoffmann und W. J. Waiblinger[WS 1] füllen.




Dr. Giskra und das Stuttgarter Rumpfparlament. Um in dem Artikel über Oesterreichs dermaligen Minister des Innern, in dieser Nummer unseres Blattes, den Eindruck des Selbständigen und Runden in Urtheil und Darstellung, das Kolisch so gut gelungen, nicht durch Anmerkungen oder Einschiebsel zu beeinträchtigen, haben wir auch die Stelle unverändert abdrucken lassen, welche Giskra in den Verdacht bringt, aus Mangel an der allzu nöthigen Entschlossenheit nicht mit den Männern der Linken nach Stuttgart ausgewandert zu ein. Es verdient aber nunmehr bekannter zu werden. als es zu sein scheint, daß im selben Augenblick, wo Giskra sich der Stuttgarter Schaar anschließen wollte, ein kaiserlicher Verhaftungsbefehl gegen ihn erlassen wurde, daß ein Leipziger Freund es war, welcher ihm noch durch rechtzeitige Warnung die Flucht möglich machte, und daß Giskra dann mehrere Jahre im Auslande lebte, ehe er nach Oesterreich zurückkehren konnte.




An alle Freunde der Gartenlaube.

Die Schweiz, die Zufluchtstätte der Verfolgten aller Nationen, durch Jahrhunderte europäischer Erniedrigung der Stolz und letzte Trost der Freiheitsfreunde, das Reiseziel aller Verehrer großartiger Naturpracht, die Schweiz ist in ihren lieblichsten und vom Strom der Waller besuchtesten Thälern vom Schicksal furchtbarster Zerstörung heimgesucht worden. Was ist die verheerendste Feuersbrunst gegen eine Wassersnoth, zu welcher die Schluchten der Hochgebirge das Bett und Gletscher und Wolkenbrüche die Fluthen liefern, um mit den menschlichen Wohnungen in den breiten Thälern Alles um sie her, den Fruchtacker wie das Blumenbeet, die Maulbeerbaum- wie die Rebenreihen, den Obstgarten wie die Wiesenflur erbarmungslos zu umstürmen, zu unterspülen, umzustürzen und mit dem Gestein und Geröll der Höhen zu bedecken! Eine Feuersbrunst kann Häuser und die Früchte der Felder und selbst ganze Wälder verzehren, doch das Land, den Boden muß sie dem Verarmten lassen: in der Schweiz ist Tausenden mit Haus und Hof und Vieh und Frucht auch der Acker und die Wiese genommen, tief unter der Schlamm- und Sanddecke liegt ihr Hab und Gut; wer hilft solchen Armen, wenn nicht die Menschenliebe in jedem Lande ihre Opferaltäre errichtet?

Wie reichlich auch der Himmel den Fleiß gesegnet hat, der in dem freien Lande seine Frucht ungeschmälerter, als irgendwo, in die Hand des Arbeiters giebt, so ist solch ungeheuren Verlusten gegenüber dennoch das Land zu klein, um allein allen Bedrängten Hülfe zu gewähren. Hier muß der Nachbar dem Nachbar beistehen, und mehr als alle Nachbarn der Schweizer müssen wir Deutsche uns dazu verpflichtet fühlen. Warum? Das brauchen wir wenigstens keinem Leser der Gartenlaube auseinander zu setzen. Auf denn: Hier heißt es: rasche That! Die Redaction der Gartenlaube wird freudig die Liebesgaben für die Schweizer entgegennehmen, quittiren und an den Ort ihrer Bestimmung befördern.

Die Redaction.

Wir beginnen die Sammlung mit: Prof. Bock 10 Thlr.; Mimi und Ella 2 Thlr.; Redaction der Gartenlaube 50 Thlr.; Dr. Albrecht 2 Thlr.




Inhalt: Süden und Norden. Eine bairische Dorfgeschichte von 1866. Von Herman Schmid. (Fortsetzung.) – Oesterreichische Berühmtheiten. Von Sigmund Kolisch. 2. Der Minister des Innern. Mit Portrait. – Wunderliche Heilige. 1. Deutsche Wiedertäufer im Hinterwalde – Ein Bauernhaus der rothen Erde und ein Schloß am Schwabenmeer. Mit Abbildung und Portrait. – Blätter und Blüthen: Ein Demagogenriecher in Aengsten. — Die Erfindung des Revolvers. – Instinct oder Vernunft. – Der alte Weisflog. – Dr. Giskra und das Stuttgarter Rumpfparlament – An alle Leser und Freunde der Gartenlaube.




Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. gemeint wohl: Wilhelm Waiblinger
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_688.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)