Seite:Die Gartenlaube (1868) 732.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

in seiner Wirkung für Klee übertrifft. Ueber die chlorhaltigen Verbindungen sind die Ansichten noch sehr getheilt und nur darin herrscht Uebereinstimmung, daß sie für Wiesen, besonders auf feuchtem Boden, den Vorzug verdienen. Dr. Frank hofft sogar mit ihnen auf Moorboden die gleiche Wirkung erzielen zu können, welche der Landwirth jetzt mit dem jährlichen Brennen des Bodens erreicht, und somit die Ursache des lästigen Höhenrauchs ganz oder doch zum Theil zu beseitigen. Sicheres kann darüber jedoch nicht mitgetheilt werden. Die Düngung mit Kalisalzen erfordert noch große Vorsicht, ihre Resultate bis jetzt sind aber, wo man rationell verfahren ist, schon in solchem Grade lohnende, daß ihr die weiteste Verbreitung sicher ist.

Mit dieser uns jetzt möglichen Vervollkommnung unseres Düngeverfahrens haben wir in Deutschland schon eine Superiorität erlangt, um welche Andere uns beneiden. Französische Urtheile haben es laut anerkannt, daß die auf der letzten Pariser Ausstellung erwiesene Ueberlegenheit des deutschen Rübenzuckers auf der besseren Düngung der Rüben beruhe; sie haben constatirt, daß es in Frankreich schon mehrere Fabriken giebt, welche ihren Bedarf aus der Nähe nicht mehr zu decken vermögen; der Boden ist „rübenmüde“ geworden.

Schlößinger hat bewiesen, daß Tabak, mit Kali gedüngt, gut verbrennlich wird und nicht knöllert, während er beim Mangel von Kali kohlt und das Feuer nicht hält; schon gehen ganze Schiffsladungen von Kalisalzen aus Staßfurt nach Amerika, um den durch verkehrten Anbau erschöpften Tabaksfeldern aufzuhelfen, schon hat man mit Kalidünger in der Leincultur die Erträgnisse in Güte und Menge verbessert, auf Wiesen die Heuernten verdoppelt und den dem Landwirthe so unentbehrlichen Kleebau mit der Kali-Magnesia da wieder gesichert, wo er anfing sehr unsicher zu werden. Nicht minder haben sich diese Dünger bei Kartoffeln bewährt und nach den neuesten über Kalidüngungsversuche gemachten Mittheilungen haben die Staßfurter Präparate in der Gemüsecultur die überraschendsten Erfolge gebracht. Spargel, Gurken, Kohlrüben und alle diesen ähnliche Gemüse erlangten mit größerem Wohlgeschmack bedeutendere Erträgnisse; Erdbeeren sind mit richtiger Düngermischung in Nußgröße gezogen worden und haben an Arom zugenommen.

Freilich werden alle diese schönen Resultate nicht mit Kali allein erzielt, dieses aber darf dem Dünger nicht fehlen, die mit der Zugabe von Kalidünger erhaltenen Mehrerträge sind die besten Beweise dafür, daß die gewöhnliche Düngung, selbst mit Phosphat, noch nicht ausreichend ist.

Für die Weincultur muß der Kalidünger ebenfalls von hoher Wichtigkeit werden; die besten Weinberge sind auf Gebirgsarten angelegt, in welchen von Hause aus Kali reichlich vorhanden war. Indem man aber seit der Anlage der Weinberge in dem ausgeschnittenen Holze und den ausgejäteten Unkräutern das Kali in höherem Grade ausgeführt, als mit dem verwendeten Dünger wieder gegeben hat, haben die Berge ihre frühere Tragfähigkeit zum Theil verloren. Während man an einzelnen Orten Weinstöcke von hundert und mehr Jahren sehen kann und früher in den Weinbergen am Rhein eine Umtriebszeit von fünfzig bis sechszig Jahren mit nur etwa fünfjähriger Zwischennutzung hatte, ist man jetzt vielfach schon genöthigt, die Umtriebszeit auf dreißig bis vierzig Jahre zu verkürzen und zehnjährige Zwischennutzung einzuhalten.

Man darf hoffen, mit dem Kalidünger (und anderem) die früheren Verhältnisse, wiederkehren zu sehen, muß jedoch hier mit äußerster Vorsicht verfahren, wie überhaupt überall da, wo es gilt, Producte mit bestimmten Eigenschaften zu erzielen. Noch weiß man nicht, wie diese Dünger auf Bouquet, Fruchtholz und Zuckergehalt beim Weine wirken und in wie fern sie die Bildung derjenigen Verbindungen, welche der Weinbauer nicht wünscht, begünstigen oder nicht; noch nicht, wie man sie auf den trocknen Berghängen zur sicheren Wirksamkeit bringen kann und welche Art von Kalidünger dem Weine am zuträglichsten ist. Gleiches gilt für den Hopfen, welcher ebenfalls Kali in großer Menge braucht; hier düngt man gerne mit Compost und diese Art der Düngungsverwendung ist vorderhand Jedem, auch in der Gartencultur, zu empfehlen, wenn er Kali und anderen Beidünger geben will.

Es erübrigt nur noch, zu zeigen, in welchem Grade das Kali mit unseren Ernten dem Boden entzogen wird und um welche Mengen es sich also für die Landwirthschaft handelt, wenn voller Ersatz stattfinden soll.

In speciellen Berechnungen habe ich ermittelt, daß befriedigende Mittelernten von Getreide, verschiedener Art etwa fünfzehn Pfund, von Klee und ähnlichen Futterpflanzen dreißig bis vierzig Pfund, von Gras auf Wiesen fünfzig Pfund, von Runkeln, Kartoffeln und ähnlichen Gewächsen etwa siebenzig Pfund und von verschiedenen Handelspflanzen, wie Tabak, Lein, Raps und dergleichen, von dreißig bis sechszig Pfund Kali pro Morgen dem Boden entziehen. (Näheres in meinem „Lehrbuch der Landwirthschaft“ Band III.)

Nach jetziger Bewirthschaftungsweise werden darnach auf Europa’s Feldern, und Wiesen alle Jahre vierhundert Millionen Centner Kali mit den Ernten entnommen, und wollte man auch noch die Wälder mit in Betracht ziehen, so würde die Gesammtsumme auf mindestens fünfhundert Millionen sich berechnen.

Aus weiterer Berechnung ergab sich, daß es sich bei dem heutigen Stalldüngerbetrieb im Durchschnitt pro Morgen Feld und Wiese nur etwa um eine Zugabe von elf Pfund Kali, so viel als etwa in einem Centner rohen Salzes enthalten ist, handelt, so daß, sollten andere Kaliquellen uns nicht eröffnet werden, die europäische Landwirthschaft aus Staßfurt immerhin einen Jahresbedarf von hundert Millionen Centner Kali oder etwa tausend Millionen Centner rohes Abraumsalz erforderte.

Wie groß bis jetzt schon der Verbrauch zum Zwecke der Landwirthschaft ist, konnte leider nicht ermittelt werden; man hat nach Dr. Frank schon bis fünfzehn Centner pro Morgen bei Zuckerrüben mit bestem Erfolg gegeben.

Daß eine rationellere Düngung der Felder dringend nöthig ist, zeigen uns die in England und bei uns im großen Durchschnitt gewonnenen Erträge, bei uns die auf rationell geführten Wirthschaften gegen die im Ganzen erhaltenen Ernten.

Die Größe der in irgend einem Lande gewonnenen Ertrage hängt bis zu gewissem Grade von der Menge des verwendbaren Stalldüngers und der demselben zugegebenen Ersatzmittel ab; Boden und Klima tragen das Ihrige mit dazu bei, doch nicht in dem Grade, daß sie bei Vergleichung großer Länder sehr wesentliche Aenderungen an obigem Satze bewirken könnten. Die Menge des verwendbaren Stalldüngers hängt von der Größe der Viehstände ab. Vergleicht man diese aus den einzelnen Ländern mit einander, so ergiebt sich, daß auf jeden Morgen des landwirtschaftlich verwendeten Areals pro Jahr entfallen könnten: in England 4849 Pfund, in Frankreich 2088 Pfund, in Preußen 2256 Pfund, in Oesterreich 2776 Pfund Stalldünger; man erntete in England 9,3 Centner Getreide aller Art und 36 Centner Heu, in Frankreich 5,3 Centner Getreide und 18,6 Centner Heu, in Preußen 4,5 Centner Getreide und .15,5 Centner Heu, in Oesterreich 5,0 Centner Getreide und 14,6 Centner Heu, giebt aber in England außer dem Stalldünger pro Morgen noch etwa für 1 Thaler und in Frankreich für 1,2 Thaler Beidünger aller Art, während in Oesterreich, Preußen und Deutschland überhaupt, mit Ausnahme einzelner Länder (Sachsen, die Rheinprovinzen), die für Beidüngung verwendeten Geldbeträge kaum erst in Silbergroschen sich ausdrücken ließen.

Die angeführten Daten werden genügen, um zu zeigen, daß Staßfurt eine großartige Zukunft hat; in welchem Grade sie sich verwirklichen wird, mag ferneren Zeiten zu erörtern vorbehalten bleiben. Joulin berechnete die bis jetzt untersuchten Kalischichten auf 21,120,000 metrische Tonnen à 20 Centner und ihren Gehalt auf 5,491,000 Tonnen Chlorkalium à 80%, entsprechend. Mit Recht dürfen wir nach alle dem die Staßfurter Lager an Werth den Goldlagern Californiens mindestens gleich achten; sie haben nach Deutschland schon Millionen gebracht und uns in einem so wesentlichen Artikel vom Auslande unabhängig gemacht.

Die Düngung mit künstlichen Fabrikaten will so gut wie Anderes gelernt sein, und das hält bekanntlich bei unserem Landmann etwas schwer; sie wäre jedoch längst mehr im Gebrauch, wenn nicht so viele verkehrt angestellte Versuche so Viele davon abschreckten, und wenn nicht von Unberufenen so viel Verkehrtes darüber geschrieben worden wäre. Mögen die landwirtschaftlichen Vereine hierin überall so segensreich wirken, wie in Sachsen, so wird bald für ganz Deutschland Staßfurt zu den Stätten gehören, wohin die Menschen wallfahrten, weil von ihnen eine große Wohlthat für Millionen ausgegangen ist.



Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_732.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)