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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

bis dahin noch nicht gesehen, oder wenigstens nicht beachtet hatte; mir kam es nur sonderbar vor, daß ich drei oder vier von ihnen sah, die mit ihrem Stamm eine der Palmen umschlossen und zwar so, daß es fast schien, als ob der Samen der Palme vielleicht in die Auszweigung des niedrigen Stammes hineingeweht sei und dort Wurzel geschlagen habe. Aber immer häufiger wurden diese Doppelbäume, Palme und Laubholz zusammen, und einzelne Exemplare überzeugten mich bald, daß ich es hier eigentlich gar nicht mit einem Baume, sondern mit einer zum Baume werdenden Schlingpflanze zu thun hatte.

Ich frug meinen Führer nach dem Namen, den er aber natürlich nicht wußte, denn was bekümmern sich diese Burschen um die Benennung einer Pflanze – der Baum heißt palo und das Uebrige yerba, Kraut, damit sind sie fertig. Von da an aber achtete ich fast auf nichts weiter mehr, als auf diese immer zahlreicher vorkommenden Paare und konnte zuletzt nicht mehr in Zweifel bleiben, wie sie entstanden, denn ich traf sie von den ersten bis zu den letzten Stadien an.

In die noch jungen Palmen mit den rauhen Blattüberresten – nicht in den Baum von der Palme aus – wurde der Samen eingeweht. Ich bemerkte verschiedene junge Palmen, an denen die Schößlinge aus den Blatthülsen wie aus einem natürlichen Blumentopf herausschauten. An anderen wieder, wo diese endlich vertrockneten Reste abfielen, sah ich, wie die Schlingpflanze in der grauen Rinde Wurzel geschlagen und sich um den Stamm klammerte, während sich diese Wurzelfasern oder Arme mehr breiteten und schon hier und da wie ein breites, dickes Band um die Palme lagen.

Noch deutlicher zeigte sich diese Entwickelung in anderen, an denen sich die Schmarotzerpflanze nur an der einen Seite so ausgedehnt hatte, daß sie dort wie eine feste Schale lag, während sie den Stamm selber mit ihren Armen fest umschloß. Wo sie ihn, mehr und mehr anwachsend und sich ausdehnend, schon fest genug in ihre Fesseln gezogen und in der That als Baum mit auszweigenden Aesten auftrat, konnte man noch immer an einzelnen nicht ganz geschlossenen Theilen den durchgehenden grauen Stamm der Palme deutlich unterscheiden, und erst im reiferen Alter – wie viel Jahre dazu gehören, kann ich allerdings nicht sagen – umzog der eigentliche Baumstamm Alles, und nur erst zehn oder zwölf Fuß über der Erde stieg die Palme scheinbar aus dem Holz heraus und stand mit ihrer grünen Krone mitten zwischen den dichtbelaubten und breitästigen Zweigen.

So viele solcher Paare ich antraf – viele Hundert von ihnen auf einer Strecke von kaum mehr als sechs oder acht Leguas – nicht ein einziges Exemplar fand ich, an welchem die Palme durch die enggeschlossene Umarmung des Baumes geschädigt oder gar abgestorben wäre. Im Gegentheil sahen gerade die Wipfel dieser. „verheiratheten“ Palmen viel frischer und grüner aus, als die einzeln und verlassen stehenden. Eine besonders war in der That merkwürdig, und wenn ich sie abgezeichnet hätte, würde mir doch kein Mensch geglaubt haben, daß die Natur eine so wunderliche Form hervorbringen könne. Es war eine wirkliche Gruppe, wo der erst zum Theil und ziemlich unten in der Nähe des Bodens wie etwa sechs Fuß darüber ausgebildete oder auswachsende Stamm die Palme mit starken, armähnlichen Wurzeln wie ein in Leidenschaft glühender Mensch umschloß; der erst beginnende buschige Wipfel neigte sich dabei der Palme zu, während diese – und Beide konnten recht gut so gleichmäßig durch den Wind gebogen sein – ihre Krone etwas von ihm abbog, als ob sie sich seiner Liebkosung entziehen wollte. Mit einiger Phantasie nur boten sie in der That ein lebendes und in seiner Art gewiß einziges Bild.

An dem Abend erreichten wir das Städtchen Camahuan, aber an der anderen Seite desselben erinnere ich mich jetzt nicht noch mehr von diesen gepaarten Bäumen gesehen zu haben. Die Palmen selber reichten bis nahe zu dem Waldstreifen, der die Ufer des Apure einfaßt, aber sie standen wieder so einzeln, wie ich sie weiter oben im Norden gefunden hatte.

Fr. Gerstäcker.


Todtenfeier in den Pyrenäen. Einer meiner Freunde hatte vor einigen Jahren einen mehrwöchentlichen Ausflug nach Andorra gemacht und bei dieser Gelegenheit die Gebirgsdörfer der ganzen Umgegend besucht. Er wanderte beständig umher, mit dem hohen Stab in der Hand bestieg er die höchsten Berge, das Haupt stets frisch durch die balsamische Luft des frühen Morgens. Dunkelgrüne Wiesen wechselten mit der Einsamkeit duftiger Tannenwälder ab, dichter und wilder als die der Tiroler Alpen. Abends deckte die Sonne einen rothen Mantel über die Landschaft und hier und da erschien ein hervorragender Baumgipfel wie eine Rose. Manch alte Kirche mit romanischem Gemäuer war zu sehen, und um sie herum lagen todtenstill die Kirchhöfe mit unzähligen Kreuzen von Holz. Aus diesen Gräbern sieht man keinen Kranz und keine Blume. Es konnte scheinen, als ob die Bergbewohner ihre Todten schneller vergessen als die Städter.

Keineswegs; sie erinnern sich ihrer im Gegentheil länger als wir. In unseren Städten ist alle Jahr nur ein einziger Tag den Todten geweiht, da geht man hinaus auf ihre Gräber und widmet ihnen eine Blume und einen Immortellenkranz. Ganz anders bei jenen Bergbewohnern, wo man jede Woche ein rührendes Schauspiel erleben kann.

Es ist Sonntag. Um zehn Uhr Morgens belebt sich der Weg zur Kirche. Es ist große Messe. Die Kirche ist mit wilden Bergblumen und Eichenblättern geschmückt. Vorn in der ersten Reihe der Stühle bemerkt man schwarze Tücher in Teppichform. Hier sind die Plätze der Wittwen; wenn sie sich wieder verheirathen, so wird das Trauertuch fortgenommen. So will es die Sitte des Landes.

Draußen stehen auf der einen Seite die Bursche, auf der anderen die jungen Mädchen und warten die Ankunft der Alten ab. Die jungen Männer tragen einen hellblauen Rock, einen großen Hut mit breitem Rand und kurze, unten zugeknöpfte Hosen. Die jungen Mädchen haben ein rothes Kleid mit grünem Leibchen, aus dem, nicht ohne ländliche Anmuth, schöne nackte und kräftige Rosenarme hervorragen. Alle aber waren in Trauer, die Frauen mit einer großen Kappe bedeckt und die Männer in einen großen schwarzen castilianischen Mantel gehüllt.

Sobald die Aeltern erscheinen, stellt sich Jeder auf seinen Platz; die Alten treten zuerst in die Kirche, das junge Volk folgt ihnen.

Nach Beendigung der Messe bietet sich alle Sonntage, gleichviel in welcher Jahreszeit und bei welcher Witterung, eine merkwürdige Scene dar. Die Dorfbewohner schreiten ordnungsmäßig, jede Familie für sich abgetheilt, aus der Kirche heraus, gehen in großem Schweigen vorwärts, bilden einen Kreis um das Kreuz, welches in der Mitte des Friedhofes steht, machen das Zeichen und gehen rechts und links auseinander an die Gräber der Ihrigen.

Die Frauen knieen nieder. Hier sagt eine junge Mutter mit lauter Stimme: „O mein Sohn, mein armes Kind, ich werde dich immer beweinen, ich konnte dich nicht groß und schön werden sehen, ich soll nicht mehr den süßen Namen Mutter hören!“ Dort ruft eine Wittwe: „O, du Einziger, den ich geliebt, o mein Mann, wie warst du so schön und immer so muthig bei der Arbeit!“

Auf dem ganzen Gottesacker hört man weiter nichts als Schluchzen und Wehklagen. Nur die Männer bleiben schweigsam, das Haupt entblößt und niedergebeugt, ohne eine Thräne zu vergießen, immer in ihren großen Mantel gehüllt.

Diese wöchentliche Todtenfeier dauert dreiviertel Stunden. So wahren jene schlichten Bergbewohner das Andenken an diejenigen, welche sie im Leben liebten und die sie auch im Tode nicht vergessen können.

A. W.


Bock’s erst neulich in diesen Blättern angekündigtes Schulbuch: „Bau, Leben und Pflege des menschlichen Körpers in Wort und Bild“ hat einen überraschend schnellen Erfolg gehabt. Heute, wo wir diese Zeilen schreiben, ist das Buch bereits in den Schulen folgender Städte eingeführt: Memmingen, Dresden, Meißen, Coburg, Döbeln, Zürich, Chemnitz, Grimma, Eichstädt, Annaberg, Sondershausen, Wunsiedel, Gleiwitz. Halle, Breslau, Köthen, Schwabach, Leipzig (3 Schulen), Langensalza, Coblenz, Freiberg, und in vielen anderen Orten steht die Einführung noch bevor. In dieser Woche ist bereits die dritte, abermals 15,000 Exemplare starke Auflage ausgegeben.


Kleiner Briefkasten.


D. in Cassel. Herr Professor Carl Vogt aus Genf, der augenblicklich starkbesuchte Vorlesungen in rheinischen und westfälischen Städten hält, ist Ihren Wünschen zuvorgekommen. Die „Gartenlaube“ bringt schon in einer der nächsten Nummern aus der Feder dieses geistreichen Forschers eine ausführliche Schilderung der neuentdeckten Iserlohner Höhle, mit Abbildungen des Düsseldorfer Malers Carl Hoff.

X. in Schaffhausen. Verehrter Freund!, schreibt Dr. Brehm in Berlin an den Redacteur dieser Blätter, „haben Sie die Güte, den Herren in Schaffhausen mitzutheilen, daß diejenige Wettpartei das Bier zu bezahlen hat, welche behauptet, die weißen Mäuse seien eine von den gewöhnlichen Hausmäusen verschiedene Art.

Allerdings pflanzen sich die weißen Mäuse fort und erzeugen in der Regel wiederum Albinos; das aber kann für die angeregte Frage in keiner Weise von Gewicht sein. Freigelassene Albinos von Hausmäusen erzeugen fast regelmäßig graue Junge, welche sich von der Stammart in Nichts unterscheiden.

Zu bedauern ist für mich noch, daß ich meinestheils beim Entscheid dieser Angelegenheit trocken sitzen muß und die Gesundheit beider Parteien höchstens in Berliner Gerstensaft trinken kann.

R. in Berlin. Besorgt und aufgehoben. Für jetzt freilich ist die Erfüllung Ihres Wunsches unmöglich. Anfangs December beginnt eine neue Novelle von Paul Heyse, mit welcher der Jahrgang schließt, das neue Jahr aber wird mit der längsterwarteten Erzählung von E. Marlitt: „Die Reichsgräfin Gisela“ eröffnet, der dann eine Novelle von Karl Gutzkow: „Durch Nacht zum Licht“ folgt. Also Geduld!

Herrn R. Glave in Buenos Ayres. Der Beitrag des deutschen Vereins „Concordia“ von 275 Mk. B ist uns in Ihrer Tertia zugegangen und wird entsprechende Verwendung finden.



Für die Wasserbeschädigten in der Schweiz

gingen wieder ein: J. K. und J. R. in Gönnheim 1 Thlr. und 1 fl. rhein.; beim Krappelspiel in Lengefeld 1 Thlr.; Gesangverein Harmonia in Döbeln 1 Thlr. 20 Ngr. 2 Pf.; W. W. in Mühlhausen 2 Thlr.; Dr. R. in B. 2,Thlr.; im Familienkreise am Theetisch in Schönlinde 13 fl. österr und 20 Ngr.; E. Kr. in K. 1 Thlr.; Kn. in R. 3 Thlr.; R. Roth in Reichenbach 2 Thlr.; von mehreren Mitgliedern der Societät in Ludwigslust 6 Thlr.; Ibsen in Hannover 1 Thlr.; Pastor Krecke in Augustdorf 2 Thlr.; Cl. Giseke in Eisleben 2 Thlr. 7 1/2 Ngr.; F. F. 2 Thlr; M. in Graz 1 Thlr.; R. T. in St. Petersburg 1 Rubel; Gebr. Just u. Co. in Sebnitz 10 Thlr.; A. Hamel in Fokschan 2Thlr. 20 Ngr.; A. O. in Fokschan 5 Thlr. 10 Ng. Summa aller bisherigen Eingänge 218 Thlr. 19 Ngr. 2. Pf.

Berichtigung. In Nr. 46 ist zu lesen: Esche u. Hager in Leipzig 20 Thlr. anstatt Cosche u. Hager. Die Redaction.     


Inhalt: Das Erkennungszeichen. Von A. Godin. (Fortsetzung.) – Die Kinderwelt in Bild und Lied. Mit Abbildungen. – Gutes Wasser und gute Luft! – Der Redacteur im fernen Westen. – Thiercharaktere. 4. Der Fuchs. Von Gebrüder Adolf und Karl Müller. Mit Abbildung. – Schulze-Delitzsch und seine Stiftung. – Blätter und Blüthen: Verheirathete Bäume. – Todtenfeier in den Pyrenäen. – Bock’s Schulbuch. – Kleiner Briefkasten. – Quittung.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 768. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_768.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2023)