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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

gründen, dessen Verbreitung und Belebung hauptsächlich sein Werk war. Bis zum Jahre 1849 bekleidete er die Stelle des Vorsitzenden, auf die er jedoch freiwillig verzichtete, als seine politische Gesinnung, die er keineswegs verleugnete, von seinen conservativen Gegnern, besonders von dem bekannten Senfft von Pilsach dazu benutzt wurde, Spaltungen hervorzurufen. Ebenso hatte er an der Bildung eines solchen Vereins für den Regierungsbezirk Potsdam und des landwirthschaftlichen Provinzialvereins für die Mark Brandenburg den wesentlichsten Antheil.

Unter seiner Mitwirkung trat auch der „Verein zur Beförderuug des Seidenbau’s“ in der Mark Brandenburg in’s Leben, der besonders die Lage der Landschullehrer verbesserte indem sie durch diese gewinnbringende Nebenbeschäftigung eine nicht unerhebliche neue Einnahmequelle fanden. Als bei der ersten deutschen Gewerbeausstellung im Jahre 1844 von einer Anzahl wohlhabender und gesinnungstüchtiger Männer die Errichtung eines „Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Classen“ beschlossen wurde, ward Lette eines der thätigsten Mitglieder und Präsident desselben, muthig gegen das Mißtrauen der Regierung und die Gleichgültigkeit des Publicums für die gute Sache mit dem besten Erfolge kämpfend. Nicht minder betheiligte sich Lette an der politischen Bewegung und den parlamentarischen Kämpfen seit dem Jahre 1848. Er war vielleicht der erste Beamte, der ohne Furcht und Scheu, ohne jede Rücksicht aus vollem Herzen sich der Bewegung anschloß und in den constitutionellen Club trat, zu dessen Vice-Präsidenten er damals gewählt wurde. Als Mitglied des ersten deutschen Parlaments zog er am 18. Mai mit mehreren alten Universitätsfreunden und Burschenschaftern nach Frankfurt am Main, voll freudiger Hoffnung auf die Erfüllung seiner Wünsche für die Freiheit und Einheit des Vaterlandes, für die er als junger Student geschwärmt und gelitten hatte. Leider sollte es dem gereiften Manne nicht besser ergehen, als dem unerfahrenen Jüngling.

Präsident Lette.
Nach einer Photographie.


Lette hatte sich seiner vermittelnden Natur gemäß der sogenannten Casinopartei angeschlossen und stand mit seinen Freunden Simson, Dahlmann, Georg Beseler auf Seiten Gagern’s, der damals noch die Ausscheidung Oesterreichs aus dem deutschen Bunde, dessen Reconstituirung unter Führung eines freisinnigen Preußens in Anknüpfung an den Zollverein und eine weitere Verbindung mit dem österreichischen Kaiserstaate im Auge hatte. Selbst dieses keineswegs übertriebene Ziel blieb bekanntlich unerreicht, das Parlament wurde gesprengt, nachdem Lette schon früher mit dem größten Theil der Casinopartei seinen Austritt erklärt hatte und nach Berlin zurückgekehrt war. Hier erwarteten den Mann dieselben Verfolgungen, die er bereits als junger Burschenschafter kennen gelernt. Die siegreiche Reaction benutzte ein von ihm an seine Wähler erlassenes Circular, in welchem er seine Ansichten über die deutsche Frage und das Verfassungswerk offen aussprach, um ihn aus seinem Amte zu entfernen. Zunächst erhielt er von dem damaligen Minister der landwirthschaftlichen Angelegenheiten eine Aufforderung, sich wegen seiner ausgesprochenen Ansichten zu rechtfertigen, was auch Lette that, so daß man die Angelegenheit wieder fallen ließ, da sich kein genügender Grund fand, gegen ihn, wie man es wünschte, einzuschreiten. Damit begnügten sich jedoch seine politischen Gegner nicht. So erklärte der ihm sonst freundlich gesinnte wirkliche Geheimrath von Meding, daß er mit Lette wegen dessen politischer Gesinnung nicht länger zusammen als Präsident des landwirthschaftlichen Vereins fungiren könne worauf jener im Interesse der Erhaltung des Vereins seine Stelle niederlegte. Um dieselbe Zeit machten auch einige reactionäre Mitglieder des Landes-Oekonomie-Collegiums den Versuch, ihn zum freiwilligen Rücktritt aus seinem Amte zu bewegen, wogegen sich jedoch die Mehrzahl des Collegiums und an der Spitze der Präsident von Beckedorf erklärte.

Aber Lette ließ sich durch diese Anfeindungen weder einschüchtern noch abhalten, ein neues Mandat als Abgeordneter für die erste preußische Kammer anzunehmen und besonders durch einen freisinnigen Antrag auf Untersuchung der Regierungsmaßregeln gegen die dissidentischen Religionsgesellschaften seine Gegner von Neuem herauszufordern. Die Reaction stellte gegen ihn, ähnlich wie gegen Waldeck, einen Denuncianten auf, der ihn wegen verschiedener in einer Wahlrede ausgesprochener Ansichten über die ländlichen Verhältnisse fälschlich beschuldigte, worauf die Disciplinar-Untersuchung gegen Lette eingeleitet wurde. Obgleich der Zeuge, der später von seinem Amte entlassen werden mußte, bei der eidlichen Vernehmung die erheblichsten Aussagen zurücknahm und sich in die größten Widersprüche verwickelte, so daß eine große Zahl der Richter – zur Ehre des preußischen Richterstandes sei es gesagt –, darunter von fünf anwesenden Präsidenten vier, für Lette’s vollständige Freisprechung stimmten, so wurde doch eine Verwarnung gegen ihn wegen seines der Würde und Pflichten seines Amtes nicht entsprechenden Verhaltens ausgesprochen und wurden ihm die Kosten der Verhandlung auferlegt. Zugleich erfolgte seine Entlassung aus dem Staatsrath auf Befehl des Königs, während der Minister von Westphalen ihn seiner Würde als Mitglied des Landes-Oekonomie-Collegiums enthob.

Es blieb nur noch übrig, Lette aus seiner Stellung als Präsident eines Gerichtshofes zu entfernen, was jedoch nur in Folge eines richterlichen Erkenntnisses möglich war. Damals ging ihm, und zwar durch den Unter-Staatssecretair Bode, die Erklärung zu, daß es der ausdrückliche Wunsch einer hohen Persönlichkeit sei, daß Lette sein Amt als Präsident niederlege, wogegen ihm als Entschädigung eine Advocatur beim Ober-Tribunal

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 793. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_793.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)