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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

„Ach, Otto, Du hast mir damals das tiefste Herz erschüttert, und nur die Furcht, es nicht ungestört vor Dir ausschütten zu können, hielt das Bekenntniß noch auf meinen Lippen zurück! Wir hatten nur Minuten des Alleinseins vor uns, am nächsten Tage war ich Dein, da wollte ich Dir Alles sagen – das gelobte ich mir heilig, als Du mich so innig batest, immer offen gegen Dich zu bleiben! Aber denke an die Worte, Otto, die Du eine Stunde später zu mir sprachst, nachdem Dein Freund der anonymen Briefe erwähnt hatte! Es waren harte Worte! Du sagtest mir, nie würdest Du auf den Besitz einer Liebe Werth legen, die sich Dir unverlangt geboten – im Gegentheil! Du sagtest mir, daß Du mich gerade deshalb liebtest, weil mein Herz sich nimmermehr ausbieten würde, wie ein herrenloses Gut! Diese Worte fielen wie Donnerschläge in mein Gemüth und blieben von dieser Stunde an der Gifttropfen in meinem Glück. Nie solltest Du die Wahrheit erfahren, wenn es von mir abhing, das ward mein fester Entschluß! Ruhe fand ich darum doch nicht – ich kam mir vor wie eine Verbrecherin, so oft Du Worte der Liebe, des Vertrauens an mich richtetest, ich genoß mein Glück mit Angst und Zittern, wie ein gestohlenes Gut, auf das ich kein Recht besaß!“

„Daß Du gegen mich gesündigt hast, leugne ich Dir nicht,“ sagte Otto ernst, als sie schwieg. „Hätte ein Zufall mich entdecken lassen, was ich bis heute nicht ahnte, so würde ich Dein Schweigen, Dein Verhehlen vielleicht schwer vergeben haben! Gott sei Dank, daß endlich das Vertrauen siegte, daß Du den Muth gefunden hast, mir wahr zu sein – meine Elisabeth, mein Weib!“

„Weiß Gott, ob ich zum Entschluß gekommen wäre, ohne den heutigen Tag!“ rief die junge Frau, „ohne die Folgen des neuen unwahren Schrittes, den ich kürzlich wieder gewagt!“

„Du sprichst von der Zusendung des Kreuzes an mich?“ fragte Otto gespannt.

Elisabeth nickte. „Seit ich mich neulich halb gegen Dich verrieth, fühlte ich es klar, daß ich Dir Offenheit schuldig sei, und der alte Kampf in mir ward wieder lebendig – in diesem Zwiespalt meiner Seele that ich den letzten falschen Schritt – ich schrieb Dir abermals, diesmal aber nicht, um Dich zu täuschen, sondern in der Hoffnung, mir das Geständniß zu erleichtern. In Bamberg kam mir plötzlich der Gedanke, das unselige Kreuz als Hülfsmittel für unsere bedrängte Lage zu benützen. Ich hatte es, um jedem verrätherischen Zufall vorzubeugen, gleich nach unserer Hochzeit an meine dortige Freundin gesandt und sie gebeten, mir das versiegelte Päckchen zu bewahren, bis ich es selbst zurückfordern würde. Nun holte ich es bei ihr ab, schrieb dort die letzten Zeilen an Dich und gab es zur Post. Meine Hoffnung war, Du würdest mir den Empfang des Kreuzes vertrauen und vielleicht ein milderes Wort über die Geberin daran knüpfen, das mir Muth gab zu sprechen! – Es kam ganz anders! Du verschwiegst mir die erhaltene Sendung – ich wußte sie in Deinen Händen – Du gingst nach Bamberg, ohne mir ein Wort gesagt zu haben! Mit Centnerschwere fiel es mir nun auf’s Herz, daß Du mir gesagt, Du wüßtest, wer die Briefe geschrieben! Was habe ich heute durchgerungen, Otto! Ich wußte ja nicht, zu wem mein unbesonnener Schritt Dich führen, was daraus entstehen würde! Eine Ahnung, daß ich Dich verlieren könnte, stieg schreckensvoll in mir auf, und tief empfand ich, daß ich nicht unverdient litt! Erst heute ward meine wirkliche Schuld gegen Dich mir völlig klar, und ich gelobte mir’s hoch und heilig, Dir wahr zu sein, heut und in alle Ewigkeit!“

„Laß mich die Thränen von Deinen lieben Augen küssen!“ rief Otto tief ergriffen. „Erst jetzt bist Du ganz die Meine, mit Herz und Seele!“

Lange hielten die Glücklichen sich umschlossen, ein Hauch jener Seligkeit, die den Sterblichen nur für kurze, unvergeßliche Momente gegönnt wird, flog mit Geisterschwingen über sie hin.

Als sie sich endlich ließen, sagte Otto mit einem scherzenden Ton, in dem noch die tiefste Bewegung nachzitterte: „Nun aber sollst Du Dich für mich schmücken, wie Du es einst im Sinne hattest!“

Er öffnete das Etui und knüpfte das Sammtband, welches durch den Ring des Brillantkreuzes gezogen war, um Elisabeth’s Hals. Mit leuchtenden Blicken sah er sie an, nie war sie ihm so schön erschienen! In bräutlicher Verwirrung, mit hoch erglühter Wange und gesenktem Auge stand sie vor ihm – von Neuem schloß er sie an’s Herz und sagte mit tiefer Empfindung: „Dein Erkennungszeichen hat uns doch zusammengeführt!“




Hermann’s Hort in Hildesheim.

Es war am 17. oder 18. October dieses Jahres um die Mittagszeit, als sich in der guten Stadt Hildesheim das Gerücht verbreitete, daß in der Nachbarschaft ein großer Schatz gefunden worden sei. Dasselbe bestätigte sich, und bald war der Fund in Aller Munde. Wochenlang bildete er dann das Gespräch der Stadt, das Räthsel, an dem alle Welt mit rieth, die Zufallsgabe, über deren Vertheilung jeder sein Urtheil abgeben zu müssen meinte.

Und in der That war der Schatz ein der Besprechung in weiten Kreisen in ungewöhnlich hohem Grade würdiger Gegenstand. Denn abgesehen davon, wie hoch man seinen Metallwerth taxirt hat, erwies sich sein Kunstwerth als höchst bedeutend, und sodann stammen die gefundenen Gefäße ohne Zweifel zum größten Theil und wahrscheinlich alle aus der Zeit der ersten römischen Kaiser. Ja, wenn ein gewisses Stückchen Pergament nicht wäre, welches in einem der Gefäße gelegen haben soll, oder wenn ein gewisser Archivar, der auf diesem Pergamentfragment ein gewisses neuhochdeutsches Wort las, nicht zu scharfe Augen gehabt hätte, so wäre die Vermuthung nichts weniger als zu kühn, daß der gefundene Schatz, der beiläufig jetzt nach Berlin gewandert ist, nichts Geringeres sei, als ein Theil der Beute aus der Befreiungsschlacht im Teutoburger Walde, der Schatz eines der germanischen Häuptlinge, die jene Schlacht mitschlugen, vielleicht der Hort des Helden, der ihr oberster Führer war, Hermann’s des Befreiers also.

Die deutsche Gründlichkeit wird darüber bald auf’s Reine kommen, und muß sie dem bedächtigen Archivar Unrecht geben, so wird das deutsche Volk an dem Hildesheimer Fund einen geradezu unvergleichlichen Schatz besitzen, ein Kleinod ersten Ranges, ebenso schön als ehrwürdig durch seine Beziehung zu einem der größten Ereignisse unserer Geschichte.

Der Ort, wo der Schatz gefunden wurde, liegt am westlichen Fuße des Galgenberges und gehört dem preußischen Fiscus. Die Finder waren Soldaten, die hier einen Schießstand ausgruben. In der Tiefe von neun Schuh stieß ihr Spaten auf eine hohle Stelle. Etwas wie ein Stück verrostetes Metall kam zu Tage. Unten in der Erde glänzte es wie Silberbruch. Die Leute gruben vorsichtiger weiter, und siehe da, ein reicher Schatz silberner Gefäße zeigte sich ihren überraschten Blicken. Einzelnes war von der Feuchtigkeit zerstört und gelangte nur in Bruchstücken an’s Licht, das Meiste erwies sich, nachdem es kunstgerecht gesäubert war, als wohl erhalten, wozu die Reinheit des Metalles, welches nur einen geringen Zusatz von Kupfer hat, wesentlich beigetragen haben wird. Kenner aber gaben schon auf den ersten Blick ihr Urtheil dahin ab, daß der Fund, dessen Silberwerth jetzt auf etwa dreitausend Thaler veranschlagt wird, in Betreff des Kunstwerthes der einzelnen Gefäße beinahe unschätzbar genannt werden müsse.

Eins stand zunächst fest: die gefundenen Vasen, Schalen, Becher, Kandelaber, Tiegel etc., im Ganzen einige fünfzig Stücke, hatten das Küchen- und Tafelgeräth eines Fürsten oder sonst eines vornehmen Mannes gebildet, und diese Ansicht ist nicht angefochten und widerlegt worden.

Anders verhielt sich’s mit der Meinung, die man anfänglich über die Kunstperiode hegte, welche diesen Gegenständen ihre Gestalt gegeben. Edle, der Antike entnommene Formen, reiche Masken, trefflich erfundener Thier- und Blätterschmuck ließen auf Arbeiten der Renaissancezeit, also auf Meister der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts schließen. Mehreres war offenbar von Künstlern ersten Ranges geschaffen, und man rieth bei einigen besonders vollendeten Stücken sogar auf den Großmeister jener glorreichen Schöpferzeit, Benvenuto Cellini.

Diese Ansicht, die unter Anderem auch von dem hochgebildeten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 796. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_796.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)