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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

lang zum Trocknen aus. Jetzt erst beginnt die Mischung der eigentlichen Wurstmasse; auf je hundert Pfund Schweinefleisch kommen, bei den feinsten Salamiarten, nicht mehr als fünfzehn Pfund Rindfleisch.

Eine ziemlich umfängliche Maschinerie, die mittels eines großen Rades von zwei handfesten Männern in Bewegung gesetzt wird, füllt die Masse in die Ochsendärme. Die also hergestellte, gleichsam endlose Wurst wird in die einzelnen Formate „abgebunden“, wie sie in den Handel kommen, und hierauf in ein Gefäß mit warmem Wasser gebracht, damit sich das Gemeng zu einem festen Ganzen zusammenfügt. Endlich läßt man das Product drei Monate lang unter dem Dache von dem freien Durchzug der Luft bestreichen und vollendet damit die Reihe der Processe, welche es zu durchlaufen hat, bis es verkäuflich und genießbar wird. Tritt während dieses letztern Stadiums zufällig mildere Witterung ein, so muß ein guter Keller den Dachraum ersetzen; indeß geschieht dieser Wechsel immer nur auf Kosten der Güte des Erzeugnisses. Auch die Zubereitung der zur Umhüllung benützten Ochsendärme erheischt eine besondere Kunst. Sie müssen wenigstens zwei Jahre lang im Wasser gelegen haben, ehe sie die wünschenswerthe Feinheit und Dünnhäutigkeit erlangen.

Die Gartenlaube stellt sich die Aufgabe, jedem Vorurtheil und Aberglauben nach Möglichkeit entgegenzuarbeiten, wir glauben daher, sie werde auch gern dazu beitragen, einen Irrthum auszurotten, welcher in Bezug auf die Abstammung eines vielgenannten Genußmittels sich so hartnäckig festgesetzt und so weite Verbreitung gefunden hat. Es sei uns jetzt blos noch verstattet, die volkswirthschaftliche Bedeutung unseres Industriezweiges mit einigen Ziffern zu belegen, die wir neueren Erhebungen entnommen haben. In Wälschtirol allein fallen den Salami im Jahre über fünfzehntausend armer Rüsselträger, jeder im Durchschnitt von zweihundert Pfund Gewicht, zum Opfer. Diese Schweinelegion repräsentirt einen Gesammtwerth von etwa einer Million einmalhunderttausend[WS 1] Gulden. Außerdem werden jährlich an fünfhundert Ochsen zu Salamizwecken verschlachtet, welche, jeder zu vierhundert Pfund berechnet, die ansehnliche Summe von hundertundsiebenzigtausend Gulden ergeben. Das lange Trocknen an der Luft, dem die Waare unterliegen muß, bewirkt einen sehr nennenswerthen Gewichtsverlust, mehr als dreißig Procent.

Sechszehn Arbeiter können in der Woche etwa dreißig Centner Salami verfertigen. Von dem Fabrikate erster Qualität kostet der Centner an Ort und Stelle achtzig Gulden. Sieben Achtel der Waare geht nach dem Auslande, namentlich nach dem südlichen Deutschland, nach Ungarn und Frankreich, ja selbst direct nach Asien und Afrika. Nach Norddeutschland kommt verhältnißmäßig nur ein kleiner Bruchtheil des Exports, welcher, Jahr aus Jahr ein, ein hübsches Stück Geld, über drei und eine halbe Million Gulden, in’s Land bringt. Ob und in welchem Maße die Trichinenscheu den Verbrauch der Salami beeinträchtigt hat, vermögen wir nicht zu sagen; so viel wir wissen, sind jedoch Fälle von Trichinose in Oberitalien und Tirol noch nicht beobachtet worden.

Das Salamigeschäft endlich vertheilt sich auf wohl hundert Fabrikanten, von welchen zwei, der eine in Trient selbst, der andre in der unmittelbaren Nachbarschaft, als die Salamikönige zu bezeichnen sind.




Der Kerker einer Königin. Die Conciergerie in Paris ist gegenwärtig ein Gefängniß für Angeklagte, nicht für Verurtheilte. Der Eingang zu demselben befindet sich rechts von der prachtvollen Freitreppe des Justizpalastes. So breit und herrlich diese Treppe ist, so schmal ist dieser Eingang. Man muß erst einige Stufen hinabsteigen und befindet sich dann vor einer niedrigen Thüre. Diese wurde mir von einem Aufseher geöffnet und mir nach Ablieferung meiner Eintrittskarte ein Begleiter gegeben. Ich folgte ihm durch mehrere von qualmenden Lampen nur spärlich beleuchtete Gänge. Nach einigen Minuten blieb er vor einer stark verriegelten Thüre stehen. Er schob die Riegel von derselben weg, aber nur die untere Hälfte öffnete sich, so daß ich die Ermahnungen meines Führers, mich tief zu bücken, beherzigen mußte, um mich nicht am Kopfe zu verletzen. Ich duckte mich und trat in eine kleine, mit einem stark vergitterten Fenster versehene Zelle.

„Das ist das Gefängniß der Königin Marie Antoinette!“ sagte mein Führer. Dieser Kerker, in welchem die Königin sechsundsiebzig Tage, vom zweiten August bis zum sechszehnten October, zubrachte, hat kaum acht Fuß im Gevierte, und man begreift nicht, wie hier Tisch, Bett und Stuhl haben Platz finden können. Dem Eingang gegenüber befindet sich das vergitterte Fenster, das mehr dazu dient, die Finsterniß zu zeigen, als zu verscheuchen. Die Königin mußte ihre Augen gewaltig angestrengt haben, als sie hier ihre Kleidung und Wäsche ausbesserte. Sie hatte zwar sehr feine, mit Brabanter Spitzen besetzte Hemden; aber die Quantität entsprach der Qualität nicht. Sie besaß deren nämlich nur drei und sie wechselte dieselben erst nach zehn Tagen. Mit einer Nadel kratzte sie in die Mauer das Verzeichniß der Gegenstände ein, die sie zur Wäsche gab. Sie mußte, um ihre Garderobe nur einigermaßen in einem erträglichen Zustande zu erhalten, allerlei Mittel ersinnen. Als sie eines Tages ein Strumpfband brauchte, dröselte sie den gewirkten Teppich an ihrem Bette auf und strickte sich ein Strumpfband mit den gewonnenen Fäden. Zwei Zahnstocher mußten bei dieser Gelegenheit die Stricknadeln ersetzen. Zu solchen Erfindungen sah sich die Tochter der Maria Theresia genöthigt!

Außer der erwähnten Eingangsthür, die unverändert erhalten worden und während der Gefangenschaft der Königin streng verschlossen blieb, befand sich links in der Kerkerwand noch eine kleine Thür, die jetzt vermauert ist, damals aber durch eine spanische Wand geschlossen wurde, welche von dem wachthabenden Posten jeden Augenblick geöffnet werden konnte. Sie war auch meist geöffnet und die unglückliche Fürstin blieb immer streng beobachtet. Ich habe in Mainz einen alten Mann gekannt, der unter Ludwig dem Sechszehnten in der französischen Armee gedient und zu wiederholten Malen versicherte, daß er vor dem Kerker Marie Antoinettens Posten gestanden und sie mit der Ausbesserung ihrer Strümpfe beschäftigt gesehen. Ich hatte schon damals keinen Grund, an den Worten des Mannes zu zweifeln, und jetzt, nachdem ich seine Schilderungen des Gefängnisses mit meiner eigenen Anschauung vergleiche, bin ich von der Wahrheit seiner Behauptung fest überzeugt. Die Königin, stets den Blicken eines gemeinen Soldaten ausgesetzt, hatte nicht einmal den Trost der Einsamkeit. Der Boden des Kerkers ist mit Ziegeln gepflastert, und die Königin mochte in ihrer dünnen Kleidung während der Herbsttage von der Kälte gelitten haben. Sie hatte anfangs einige Hoffnung, die Freiheit zu erlangen. Der General Michonis führte nämlich den als Maurer verkleideten Herrn von Rougeville ein. Dieser ließ eine Nelke zu Boden fallen. In dieser Nelke befand sich ein Billet, welches der Königin mittheilte, daß man auf ihre Befreiung bedacht sei. Die Antwort der Königin auf diese Zeilen wurde jedoch von einem Gensdarmen ausgeliefert. Michonis büßte sein geheimes Einverständniß auf dem Schaffot.

In demselben Kerker hat auch die Dubarry die letzten Stunden ihres unwürdigen Lebens vertrauert.

Rechts von dem Kerker der Königin und nur durch eine jetzt durchbrochene Mauer getrennt, befindet sich noch ein anderer kleinerer Kerker, in welchem Robespierre mit zerschmetterter Kinnlade die furchtbare Nacht vor seiner Hinrichtung verbrachte. Diesem gegenüber befindet sich eine bogenförmige Oeffnung, die zu dem Saale führt, in welchem nach der bekannten Sage die Girondisten am Vorabend ihrer Hinrichtung das Banquet gefeiert haben sollen. Dieser Saal, oder vielmehr dieses weite Gewölbe ist jetzt in eine weite Capelle umgewandelt, wo jeden Sonntag die Gefangenen dem Gottesdienste beiwohnten. Der Kerker Marie Antoinettens hat einige Veränderungen erlitten. Die Wände sind mit neuen Tapeten bekleidet, und an der Wand rechts vom Eingang befindet sich eine Marmortafel, auf welcher in goldenen Lettern zu lesen ist, wie lange die Königin in diesem Kerker gefangen saß. In der Nacht, auf welche ihre Hinrichtung folgte, schrieb sie den schönen Brief an Diadame Elisabeth. Ich habe diesen Brief im Staatsarchiv gesehen. Er besteht aus zwei Quartblättern. Das Papier ist vergilbt und mehrere Tintenkleckse sind wahrscheinlich durch Thränen entstanden, welche der Schreiberin entfallen. Die Handschrift aber ist fest und sicher und verräth durchaus nicht, daß die Zeilen einige Stunden vor ihrer letzten Stunde geschrieben sind. Marie Antoinette hatte keine Zeit mehr, diesen Brief zu vollenden. Er bricht in der Mitte ab, er ist ein Fragment; er zeigt aber von der Energie der Frau, die mit seltener Fassung und Ruhe in den Tod ging.




Deutsche Kunst in Bild und Lied. Unsere Leser kennen das seit mehreren Jahren von Albert Traeger literarisch redigirte, bei J. G. Bach in Leipzig erscheinende Album von Originalbeiträgen deutscher Maler, Dichter und Tonkünstler, dessen elfter Jahrgang den diesjährigen Weihnachtstisch zu schmücken bestimmt ist. Die Beiträge der bildenden Kunst von vierundzwanzig Malern und Zeichnern, von welchen ein Drittel München angehört, sind größtentheils nach guter Vorlage gelungene lithographische und Buntdruckblätter, die für Auge und Herz eine anregende Unterhaltung bieten. Der musikalische Theil ist durch J. Albert in Stuttgart, Ad. Jansen in Berlin und Arno Kleffel in Pösneck vertreten. Den breitesten Raum nehmen die fünfundsechszig Dichter ein, unter denen wir die bekanntesten Namen unserer gegenwärtigen Lyriker finden. Traeger’s feiner Tact und Geschmack vermochte eine so gute Auswahl und eine so anmuthende Abwechselung in der Anordnung zu treffen, daß dieses Album uns wahrhaft erfrischende und erhebende Stunden bereitet. Vieles Einzelne verdiente namentliche Erwähnung, die nur unser beschränkter Raum uns verbietet.




Der deutsche Rechtsschutzverein in London hat in seinem dritten Geschäftsberichte, für das Jahr 1867, mit einer Darstellung seiner Wirksamkeit und zugleich seiner Behandlung von Seiten des “Norddeutschen Bundes-Kanzleramts sich an die Nation gewendet; wir verweisen unsere Leser auf die „Deutschen Blätter“ Nr. 50.




„Unser Präsident“, Dr. Lette, dem wir in letzter Nummer die wohlverdiente öffentliche Anerkennung noch bei Lebzeiten bezeugen wollten, ist am 3. December, an demselben Tage, an welchem der Druck jener Nummer begann, in Berlin gestorben.


Inhalt: Lorenz und Lore. Novelle von Paul Heyse. (Fortsetzung.) – Christkindlein auf dem Friedhof. Gedicht. Von Fr. Hofmann. Mit Illustration. – Der Eislauf. Von Max Wirth in Bern. – Der Ausbruch des Vesuv vom 16. bis 20. November 1868. Von Heinrich Boernstein. – Ein Schloß für etwaige Weihnachtswünsche. Mit Abbildung. – Eine Burgfehde im neunzehnten Jahrhundert. – Blätter und Blüthen: Aus der Jugendzeit Felix-Mendelssohn Bartholdy’s. – Ehre wem Ehre gebührt. – Der Kerker einer Königin. – Deutsche Kunst in Bild und Lied. – Der deutsche Rechtsschutzverein in London. – „Unser Präsident“.



Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das vierte Quartal unserer Zeitschrift. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, die Bestellungen auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Reichsgräfin Gisela“, der neue Roman von E. Marlitt, Verfasserin der „Goldelse“ und „das Geheimniß der alten Mamsell“ beginnt mit Nr. 1 des nächsten Quartals.

Die Verlagshandlung.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. oder einhunderttausend; Vorlage: einmahunderttausend
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 816. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_816.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)