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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


Beziehung nimmt die römische Bevölkerung am Concile allerdings von ganzem Herzen Theil, die Peterskirche füllte sich am Tage der Eröffnung zum ersten Male seit langer Zeit so mit Menschen an, daß viele ohnmächtig wurden und an einzelnen Stellen fast Lebensgefahr durch das Gedränge entstand. Aber auch die großen Festlichkeiten, welche einzelne Cardinäle und auswärtige Gesandten an öffentlichen Empfangsabenden gaben, Illuminationen der Stadt an feierlichen Tagen (die am Eröffnungstage wurde leider durch den unaufhörlich strömenden Regen fast zu Nichte gemacht), endlich militärische Revuen und Manöver müssen dazu beitragen, das Volk bei guter Laune zu erhalten. Das Vergnügen dabei besteht für die Römer, wie ich schon sagte, lediglich im Auf- und Abwandern und bequemen Anstaunen der vielen Menschen, der Carossen, der Feuerwerke. Gegessen oder getrunken, gesungen oder getanzt, wie bei nationalen Festen in Deutschland, wird hier bei dergleichen Gelegenheiten nie. Das Volk verhält sich hier passiv, es läßt sich die Feste geben; wir Germanen geben sie uns meistentheils selber.

Großartig war zum Beispiel das Schauspiel, welches die letzte militärische Revue im Garten Borghese gewährte. Nach langem Regenwetter hatte man einen ersten sonnigen, lauwarmen Wintertag, so daß man ohne Ueberzieher in dem prächtigen Garten des Fürsten auf- und abwandelte. Ganz Rom strömte zur Porta del Popolo hinaus. Dort befindet sich eine Art Amphitheater, das durch eine natürliche Vertiefung des Terrains entsteht; in dem ringsum sich allmählich wieder erhebenden Boden sind theils steinerne Sitzreihen, theils Rasenbänke angebracht. Herrliche Exemplare von immergrünen Eichen, Cypressen und Pinien umgeben diese Stelle. Große Wiesen und breite Fahrstraßen machen den ausgedehnten Park für starken Verkehr und das Sichausdehnen großer Massen sehr passend. Bald gewährten die Bänke des Theaters einen bunten Anblick. Fremde aller Nationen, Leute jedes Standes und Ranges hatten sich dort niedergelassen. Man sah die schönen jungen römischen Mädchen in ihrer geschmackvollen Tracht und die feinsten und reichsten Toiletten vornehmer Damen nebeneinander. Bald marschirten die einzelnen Truppenkörper auf, alle in glänzender Paradepracht. Unter den Klängen der Musik ritt der Generalstab, begleitet von einigen römischen Fürsten, welche hohe Beamtenstellen einnehmen, und französischen Officieren sowie anderen hervorragenden Fremden, die Reihen der Bataillone entlang. Darauf setzten sich dieselben in Bewegung, um an der Estrade des für den Fürsten Borghese reservirten Gartens vorbei zu defiliren. Hier nämlich hatten die Bischöfe, denen zu Ehren man die katholische Armee paradiren ließ, Platz genommen. Ist doch dieses päpstliche Heer fast ebenso ökumenisch wie das Concil selbst; denn es mag wenige Länder der Erde geben, die nicht einige ihrer Söhne in die Reihen der „Gottesstreiter“ oder „neuen Kreuzritter“, wie die hiesigen Organe sich ausdrücken, gesandt hätten.

Als die einzelnen Regimenter vorbei marschirten, wurden sie nach italienischer Sitte mit reichlichem Händeklatschen von oben empfangen. Am lautesten erklang der Beifall beim Erscheinen der Zuaven, deren Bataillone jetzt so stark sind, wie seit langer Zeit nicht. Sie gelten als die eigentlichen Wächter des Concils, als die Truppe, auf die man sich am unbedingtesten verläßt. Durch ein Einlaßbillet, das ich von unserer Gesandtschaft erhalten hatte, war ich in den Garten gekommen und konnte zum ersten Mal bequem einen großen Theil der Väter in der Nähe sehen und beobachten. Ein Römer, den ich kennen gelernt hatte, zeigte mir die hervorragenden Erscheinungen, die Bischöfe von Orleans und Sura, die Herren Dupanloup und Maret, welche er für Häupter einer Opposition erklärte, „welche dem Heiligen Vater gewiß noch viel Kummer machen würde“. Auch die deutschen Bischöfe, welche ich größtentheils schon auf dem großen Empfangsfeste des neuen österreichischen Gesandten v. Trautmannsdorff gesehen, waren zahlreich vertreten. Einige uncultivirt Aussehende aus Amerika bezeigten besonders lebhaft ihre Freude bei dem Anblicke der schönen glänzenden Soldaten. Der italienische Episkopat war schwach vertreten und enthielt sich sonderbarer Weise aller Beifallsbezeigungen, ganz ebenso der römische Adel. Erst gegen drei Uhr war der Zug der Truppen beendet (man hatte um zwölf Uhr begonnen) und bis gegen Abend dauerte es, ehe die kolossale Menschenmenge – man schätzt sie nicht mit Unrecht auf nahe hunderttausend Personen – und der Knäuel der eleganten Equipagen und elenden Miethskarren durch das nicht allzuweite Gartenthor und die Porta del Popolo zurück, den engen Corso entlang wieder in das Innere der Stadt gelangte.

Andere Feste werden folgen: Ricevimenti bei Cardinälen – wobei gewissermaßen auch das Volk theilnimmt, indem auf dem Platze vor dem Palaste Musikbanden spielen, bis das Fest vorüber ist, während die dichtgedrängten Römer und besonders die kleinen Römerinnen mit neugierdefunkelnden Augen die Kutschen vorfahren sehen und die Uniformen und reichen Toiletten des Adels mustern – ferner die andern öffentlichen Sessionen des Concils, d. h. die Sitzungen, bei denen der Papst gegenwärtig ist, und wo die Flügelthüren der Aula offen stehen für die Blicke der Menge, während die Väter im höchsten Ornate, wie bei der Eröffnung, gegenwärtig sind. Von alledem das nächste Mal, wo ich Ihnen auch Einiges über die Opposition und die in ihr hervortretenden Bischöfe, sowie überhaupt über die bekanntesten Persönlichkeiten der Versammlung mitzutheilen gedenke.



Doctor Reinhard.
(Fortsetzung.)

Ein glänzendes Casino, an dem vorzugsweise die Officiere der Marine mit ihren Familien theilnahmen, zählte auch heute Adalbert und Eva zu ihren Gästen und der fröhliche Ton, welcher in der Gesellschaft herrschte, schien diesmal einen besonderen Einfluß auf Ersteren zu üben, denn die junge Frau, welche ihn nach ihrer Gewohnheit aus der Ferne sorgsam, wenn auch unbemerkt, beobachtete, nahm zu ihrer Freude wahr, daß er sich ungezwungener und heiterer der Unterhaltung hingab, als er sonst zu thun pflegte. Er stand jetzt nicht weit von ihr in einer Gruppe von Officieren, mit denen er sprach, und ihr Ohr erquickte sich an seinem herzlichen Lachen, das von Zeit zu Zeit zu ihr herüberscholl.

In diesem Augenblick trat ein anderer Marineofficier, den sie bisher in der Gesellschaft noch nicht gesehen hatte, an die Herren heran und wandte sich mit den Worten: „Sag’ mir ein Wort des Willkommens, Wallberg!“ an Adalbert, dem er zur Begrüßung die Hand hinhielt.

Wie mit einem Zauberschlag war alle Heiterkeit von Adalbert’s Gesicht verschwunden und Eva sah seine Wangen bleich werden; doch faßte er sich auf der Stelle und sie hörte ihn fragen, indem er die gebotene Hand faßte und schüttelte:

„Soll ich an Geister glauben, Rosen? woher kommst Du?“

„Direct von Japan!“ entgegnete der Andere, bei dem sich ein gewisses aufgeregtes Wesen verrieth, und fuhr, nachdem er auch die übrigen Herren begrüßt hatte, fort: „Ich habe Urlaub gefordert und erhalten, weil Familienverhältnisse meine Rückkehr nöthig machten, während die ‚Arethusa‘ noch auf Jahre hinaus dort stationirt bleiben wird, und bin mit dem Transportschiff ‚Diomed‘ heute im hiesigen Hafen eingelaufen.“

Die Unterhaltung war eine Weile allgemein und schien sich auf die erwähnte Expedition zu beziehen; dann aber bemerkte Eva, daß Rosen sich wieder speciell an Adalbert wandte und, indem er ihm die Hand auf die Schulter legte, zu ihm sagte: „Ich höre, daß Du verheirathet bist, alter Junge, und daß Deine Frau sich hier in der Gesellschaft befindet; so bitte ich, stelle mich ihr vor!“

Es war Eva, als ob Adalbert der Aufforderung nur ungern Folge leistete, und auf seinem Gesicht lag jener finstere Zug, der ihr schon so manchen Kummer bereitet hatte, als er in der nächsten Minute mit dem Neuangekommenen vor sie hintrat und ihr denselben mit kurzen Worten als seinen Freund, den Capitainlieutenant Rosen, vorstellte. Letzterer schien aber in keiner Weise die Stimmung Adalbert’s zu theilen, vielmehr nahm er unbefangen an ihrer Seite Platz, nachdem er sie zuvor in der verbindlichsten Weise begrüßt hatte, und begann sofort eine eifrige Unterhaltung anzuknüpfen, in deren Verlauf Adalbert die ihm augenscheinlich höchst unangenehme Wahrnehmung machte, daß dem Cameraden schon von vielen Seiten ein Willkommstrank credenzt sein mußte, denn nur der Wirkung des Weins konnte er dessen allzu ungebundene Weise zuschreiben.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_044.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)