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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Doch, wenn Ihr mich nicht ärgern wollt,
So seht hübsch freundlich aus und hold,
     So, wie ’s dem Dichter ziemet.

Ich bin Student: – mein leichter Sinn
Plagt sich zwar nicht mit Sorgen,
Doch, ohne Spieße, wie ich bin,
Hab’ ich nun müssen borgen;
Da singt der Manichäer Chor
Mir täglich denn ein Liedchen vor
     Im schlimmsten Lamentoso.

Herr Fips, mein Wirth, ein Schneiderlein,
Fällt mir gar sehr beschwerlich,
Wer selbst betrügt – kann’s anders sein? –
Hält Andre nicht für ehrlich;
Er läßt mir Tag und Nacht nicht Ruh’,
Sein Eh’weib schießt mir Blicke zu
     Gleich einem Basilisken.

Der Schuster ist von feinerm Schrot,
Er sucht mich stets zu rühren
Und mir fast täglich seine Noth
Vor das Gemüth zu führen.
Wie gerne zahlte ich ihm aus,
Hätt’ nicht des armen Schuldners Haus
     Die Bücher längst geschlossen!

Und kommt einmal ein Geldbrief an,
Da krümmen sich zehn Hände:
Der Bratwirth macht den Anfang dann,
Der Famulus das Ende.
Bleibt ja ein Rest – „Thaliens“ Hand
Macht an den Ecken uns bekannt:
     „Das Bild.      Von Ernst von Houwald.“

Ihr seht, verehrter Herr Baron! –
Auch Ihr vermehrt mein Leiden!
Wer hieß Euch denn die Lorbeerkron’
Des Dichterruhms erbeuten!?
Genug – Ihr seid in meiner Schuld,
Drum mäßigt Eure Ungeduld,
     Wenn ich Euch um ’was bitte.

Zuckt in Euch nur ein einz’ger Strahl
Von Euerm edlen Maler,[1]
So borget mir ein Capital
Von wenigstens zehn Thaler! –
Aus mir wird noch ein reicher Mann,
Der ’s einst Euch wiedergeben kann:
     Das hab’ ich nie bezweifelt.

Doch schickt mit nächster Post das Geld,
Zu enden meine Plagen;
Glaubt mir – so schwer es mir auch fällt –
Das Porto will ich tragen;
Dann zahl’ ich den Philistern aus,
Zieh’ mit den Schwalben froh nach Haus
     Und sing’ und trink’ und küsse.

Das erste Glas Euch Ehrenmann!
Mein Mädchen soll Euch loben!
Auch werd’ ich – – – doch was liegt daran,
Wenn ich Euch ein paar Proben
Aus meiner schlechten Versfabrik
Aus Dankbarkeit nach Sell’ndorf schick’ –
     Sie treibt stets hohes Wasser!

Und nehmt Ihr meine Bitte schief,
So werd’ ich mich nicht grämen:
Ich schrieb Euch keinen Bettelbrief
Und brauch’ mich nicht zu schämen.
Doch find’t sie eine gute Statt,
So denkt: Bis dat, qui cito dat![2]
     Und bleibt mir wohl gewogen!

Noch Eins! Gebt doch der Lesewelt
Dies „Bild“ gedruckt zum Besten,
Ich möchte gern den alten Held
Sehn ohne Ziethen’s[3] Gesten;
Hätt’ ich das Büchlein im Verlag,
Bei meiner Ehr’! – in Jahr und Tag
     Wär’ ich aus meinen Schulden! –


Und was that Houwald? Warf er das launige Gedicht, das lustige Kind einer übermüthigen, glücklichen Jugendminute, welches schon deshalb Anspruch hatte auf Nachsicht und Entschuldigung einer allerdings etwas kühnen Ausbeutung der licentia poëtica, griesgrämig in den Papierkorb? – Nein! Er antwortete dem jungen Dichter in seiner bekannten gutmüthigen Art und in ebenso launiger Weise und noch dazu in ebendemselben Versmaße folgendermaßen:


Mein unbekannter[4] Herr! Du meinst,
Ich sei ein reicher Sänger,
Und, weil Du zu vertrauen scheinst,
So zauderst Du nicht länger;
Du klopfest dreist beim Handwerk an
Und sprichst: „Ihr seid ein reicher Mann,
     D’rum müßt Ihr mit mir theilen!“

Reich bin ich wohl, doch nicht an Gut,
Ich kann nicht Schätze graben;
Reich nur an Gottvertrau’n und Muth,
An Mädchen und an Knaben;
Denn achte steh’n vor meiner Thür
Und rufen: Vater, wir sind hier
     Und wollen Nahrung haben!

Da geht die Kunst denn wohl nach Brod
Und darf nicht stehen bleiben;
Du schlägst zehn Thaler eher todt,
Eh’ ich sie kann erschreiben;
Ich sitz’ in meinem Stübchen fest,
Du aber kannst nach Ost und West
     Dein lustig Wesen treiben.

Doch – – weil ich auch ein Bursche war,
So laß ich mich nicht lumpen;
Ich weiß, wie oft die Spieße rar,
Und will Dir etwas pumpen! –
Du giebst mir ’s wieder einstiglich –
Dann wollen wir uns sicherlich
     Versteh’n bei vollen Humpen.

Geh’! Zeige diesen Zettel vor
Bei Voß[5], er wird ihn ehren! –
Nimm gern den einen Friedrichsd’or,
Mehr kann ich nicht gewähren:
Zum Reisegelde reicht er schon,
Will froh zurück der gute Sohn
     In seine Heimath kehren.

Nach Deinem Namen frag’ ich nicht –
Ich mag ihn jetzt nicht wissen;
Dumm bist Du nicht – ’s sagt Dein Gedicht –
Doch flüchtig auf den Füßen! [6]
So geh’ und werd’ ein braver Mann,
Dann klopf an meine Thüre an,
     Ich will Dich freundlich grüßen. –


Siebzehn Jahre waren verflossen. Der „Alte in Neuhaus“ hatte den Bruder Studio und mit ihm den ihm geliehenen Friedrichsd’or längst vergessen, wie so manche andere gute That; denn das kennzeichnete ihn besonders, daß er sich nie erinnern wollte, Jemandem wohlgethan zu haben, und daß er jeden Dank bescheiden zurückwies. Es war – erzählt der Volksmund – am 29. November 1838 – dem sechszigsten Geburtstage des Dichters – und ein recht kalter Tag, als spät am Abend eine Equipage Lübben passirte. Sie hielt in der Stadt, und ein Herr, in einen großen Pelz gehüllt, steckte sein gleichfalls pelzverbrämtes Gesicht aus dem Wagenfenster heraus, mit dem Kutscher einige leise Worte tauschend und dann wieder verschwindend. Der Kutscher verließ einen Augenblick seinen Bock und sprach, die Zügel der dampfenden Pferde in der Hand, einen Vorübergehenden an. Dieser deutete nach Südost und der Andere bestieg seinen Sitz wieder, indem er nickte. Und fort ging’s

„mit verhängtem Zügel“

nach der angegebenen Richtung und zum Thor hinaus. Der Boden war verschneit, aber fest gefroren, und die Sterne flimmerten hell. Es schien, als ob dem Manne auf dem Wagen, wie den Pferden, darum zu thun sei, bald unter Dach und Fach zu kommen; denn Ersterer redete letzteren gut zu und diese griffen noch einmal rüstig

aus, daß ihre Hufschläge tactmäßig fernhin durch die Stille

  1. Der Held des gedachten Dramas.
  2. Doppelt giebt, wer schnell giebt.
  3. Der Schauspieler Ziethen gab damals den Maler, den Helden
    im „Bild“.
  4. Die Antwort des Dichters scheint darauf hinzudeuten, daß der Student seinen Namen bei Zusendung seines Gedichts verschwiegen und die Antwort unter einer Chiffre poste restante erwartet hat, wie er sie denn auch in der That erhielt.
  5. Voß war der Verleger der Schriften des Dichters.
  6. Der Dichter scheint hier weniger auf die körperlichen, als vielmehr auf die Versfüße des Bruders Studio hinzudeuten.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_104.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)