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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Barbara Uttmann.


sein Stückchen Spitzen nach der drei Viertelstunden entfernten Stadt brachte, wurde gefragt, wie viel sie denn täglich verdiene. „Eenen Sechser,“ antwortete sie, fügte aber sogleich mit einem gewissen Stolze hinzu: „Mei Bruder is zwee Gahr äller als ich, der klippelt aber noch besser, der verdient siem Pfänge (Pfennige).“ Die Genügsamkeit der Spitzenklöppler wie der Erzgebirger überhaupt ist eine sprüchwörtliche. Das stehende Gericht bilden „Kartoffeln in Uniform“, dazu giebt es Kaffee – d. h. einen unverfälschten Blümchenkaffee vom reinsten Wasser, „fünfzehn Bohnen auf sechszehn Tassen“, wie man scherzhaft sagt. Scheinheilig haben Cichorie und Runkelrüben die Maske und das Anhängeschild „Kaffee“ vorgenommen, um durch diese Taschenspielerei ihr schwarzes Dasein zu verbergen. Ein Dichter bezeichnet den Verrath mit den Worten: „Es ist Mephistopheles, der das Antlitz eines Engels borgt.“

Vorschläge verschiedener Art sind gemacht worden, damit die Spitzenklöppelei des Erzgebirges nicht noch mehr verfalle! Das geeignetste Heilmittel scheint die Weiterbildung der Klöppelei zu sein, damit sie die Concurrenz des Auslandes nicht zu fürchten braucht. Mögen die vierundzwanzig Klöppelschulen, welche die Regierung für diesen Zweck der Weiterausbildung gründete und unterhält, ihre Aufgabe segensreich lösen, damit dem Erzgebirge das Erbtheil der Barbara Uttmann nicht entfremdet werde!

Frau Barbara ruht auf dem Friedhofe zu Annaberg. Eine Messingplatte, welche früher ihr Grab bezeichnete, ist im Jahre 1834 einem Denkmal aus Sandstein gewichen, welches die Firma Eisenstuck und Comp. der Erfinderin der deutschen Klöppelei setzen ließ. Das schönste Denkmal würde für sie freilich sein die Wiederbelebung ihrer zierlichen vaterländischen Kunst, damit sie noch einmal werde – die gütige Fee des Erzgebirges![1]


  1. Barbara Uttmann hat die künstlerische Phantasie mehrfach beschäftigt, wie sie denn auch auf dem oben erwähnten Denkmal abgebildet ist, auf einem Bienenkorbe, dem Symbol des Gewerbfleißes, sitzend und mit Klöppeln beschäftigt. Ein Portrait, das heißt ein portraitgetreues Bildniß der hochverdienten Frau war bis zur jüngsten Zeit nicht bekannt. Der leider vor einigen Wochen plötzlich verstorbene Chef des Hauses Eisenstuck und Comp., Herr C. Hohl in Annaberg, ließ in den reichen Dresdener Sammlungen Nachforschungen nach einem solchen anstellen, die auch insofern von Erfolg begleitet waren, als im Grünen Gewölbe sich eine Elfenbeinschnitzerei fand, welche Barbara Uttmann am Klöppelkissen darstellt. Nach dieser hat Historienmaler Sachse in Dresden das Portrait der Frau Uttmann in geistreicher Weise construirt. Sein in Kreidemanier ausgeführtes Bild befindet sich im Besitze der Hohl’schen Erben und wurde auf’s Liebenswürdigste der „Gartenlaube“ zur Verfügung gestellt.
    Die Redaction. 


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_125.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)