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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Festen in den Tuilerien, in Malmaison und St. Cloud den Reiz, einer heiteren, lebensvollen Geselligkeit verleihen.

Seine Gemahlin Josephine und seine Stieftochter Hortensie, Beide graziös, liebenswürdig, regsam, munter, glänzten in der Gesellschaft. Sobald nur die Kriegsstürme ausgetobt, suchten sie das Gerassel der Waffen, die Verheerungen des Kampfes durch gesellige Genüsse vergessen zu machen. Obwohl Napoleon, dessen Geist immer auf dem Weltschauplatz schwebte, an derartigen Vergnügungen keinen Geschmack fand, beförderte er sie seiner politischen Zwecke halber. Er wollte eine oder die andere diplomatische Bitterkeit aus dem Gedächtniß Derer, die sie getroffen, durch Scherz, Laune, glänzende Lustbarkeiten verwischen und darum ward seiner Gemahlin wiederholt, zuerst durch ihren Aufenthalt im Schlosse Montebello bei Mailand, der dem Frieden von Campo Formio vorausging, dann durch ihren Aufenthalt zu Mainz im Jahre 1807 die Aufgabe zu Theil, in einem fremden Lande durch den Zauber ihres Wesens die Anhänger des Kaisers noch mehr zu fesseln oder seine Gegner versöhnlicher zu stimmen.

Auf dem Congreß zu Erfurt im Jahre 1808 erschien Josephine nicht mehr, vielleicht aus konventionellen Rücksichten, weil Kaiser Alexander ohne seine Gemahlin kam, vielleicht dachte auch Napoleon schon damals ernstlich an die Auflösung seiner kinderlosen Ehe und an eine Vermählung mit einer russischen Großfürstin. Doch war er bedacht, der militärischen und diplomatischen Versammlung durch zwei anmuthige Frauengestalten, von denen die eine in der That eine reizende Blüthe der Geselligkeit war, frischeres Leben, einen gefälligeren Ton zu verleihen. Die dritte Dame, welche der Aufforderung des Kaisers nach Erfurt gefolgt, hatte Napoleon wohl theils aus Courtoisie, theils aus Achtung vor dem Muthe, den sie selbst ihm gegenüber einmal gezeigt, eingeladen. Es hegte keine von ihnen das Verlangen, in die dunklen Regionen diplomatischer Fehde einzudringen; zwar nicht frei von persönlichen Wünschen und Hoffnungen auf staatliche Veränderungen, aber ohne den Muth, sie laut werden zu lassen, nahmen sie nur an den Lustbarkeiten Theil; die beiden ersterwähnten fühlten sich befriedigt durch die Strahlen der kaiserlichen Sonne, welche auf sie herabfielen; die dritte bewahrte ihre edle Frauenwürde, unter der sie manche schmerzliche Empfindung über die Zeitereignisse zu verbergen wußte.

Die Königin Katharina, eine Tochter des Königs von Württemberg, war, obwohl eine Deutsche, durch ihre Vermählung mit Hieronymus Bonaparte, dem jüngsten Bruder Napoleon’s, ganz für das französische Interesse gewonnen; sie regierte, in einem deutschen Lande, war aber von Herzen Französin, und hegte eine große Verehrung für den Kaiser Napoleon. Als gute Tochter hatte sie ehedem die Freude ihres Vaters über die Vergrößerung des württembergischen Gebiets, die Erhebung des Kurfürstenthums zu einem Königreiche durch Napoleon getheilt. Außerdem fühlte sie sich, als Gemahlin eines französischen Prinzen weit glücklicher denn früher als deutsche Prinzessin. In ihrer Kindheit und Jugend hatte sie viel zu leiden gehabt und frühzeitig die Mutter verloren, welche vor der tyrannischen Behandlung ihres Gemahls geflüchtet, dann dem Leichtsinn verfallen und bald gestorben war. Nur die Jahre, welche die Prinzessin Katharina unter dem Schutze ihrer Großeltern verlebt, waren ungetrübt verflossen. Dort hatte sie eine sorgfältige Erziehung genossen und sich in einem Kreise bedeutender Persönlichkeiten bewegt, wodurch ihre natürlichen Anlagen sich schnell entwickelt. Sie war lebhaft, verständig, sehr gebildet, heiter und fröhlich. In ihrem sechszehnten Jahre raubte der Tod ihr die Großeltern; sie mußte in das väterliche Schloß zurückkehren. Obwohl dem Vater die muntere, kluge Tochter viel Vergnügen machte, behandelte er sie doch mit Strenge und Härte. Er hatte sich inzwischen zum zweiten Male vermählt mit der Tochter des Königs Georg des Dritten von England, einer Dame von sehr festen Grundsätzen, aber kalt, steif und langweilig. Zwischen der heiteren, lebenslustigen Tochter und der ernsten, schweigsamen Stiefmutter war kein vertrautes Verhältniß möglich; die Tochter zollte der Mutter Achtung, aber sie hegte keine Liebe für sie, fühlte sich in ihrer Nähe unbehaglich, gedrückt. Der Mutter war die Tochter gleichgültig; sie zeigte sich unfreundlich, lieblos gegen sie.

Unter solchen Verhältnissen konnte die Prinzessin Katharina am Hofe ihres Vaters sich nicht gefallen, dennoch blieb sie lebensfrisch und immer gut gelaunt, ihr angeborener Frohsinn ließ sie das Unangenehme leichter überwinden. Gegen ihre Vermählung mit dem Könige von Westphalen hegte sie eine entschiedene Abneigung. Sie hatte damals die Aussicht, den Erbprinzen von Mecklenburg zum Gemahl zu bekommen, den sie gern mochte und den man ihr sehr vorteilhaft geschildert. Eine Hofintrigue brachte die Unterhandlungen in’s Stocken und der Prinz vermählte sich später mit der Prinzessin Caroline von Weimar, die ihm die nachmalige Herzogin von Orleans gebar. Mehr noch als das Wohlgefallen, welches sie an dem Prinzen von Mecklenburg fand, hielt sie von einer Verbindung mit Hieronymus Bonaparte seine frühere Ehe mit Elisabeth Patterson zurück, deren Auflösung sie als ein schweres Unrecht ansah. Aber sobald der Vater ihr vorstellte, daß das Glück der ganzen Familie, das Fortbestehen und die Zukunft des Landes von ihrer Einwilligung abhingen, gab sie jeden Widerstand auf und brachte, wie sie in ihren Denkwürdigkeiten erzählt, sich selbst zum Opfer, wo so heilige Interessen im Spiel waren. „Ich konnte damals nicht voraussehen,“ sagt sie in ihren Denkwürdigkeiten, „daß ich darin das reinste, dauerndste Glück finden würde.“

Zur Zeit ihrer Vermählung war die Prinzessin Katharina vierundzwanzig, der König von Westphalen dreiundzwanzig Jahre alt. Ihre mittelgroße Gestalt prangte in lieblicher Fülle, in der etwas gehobenen Haltung des Kopfes, der von zarten, aber zugleich kühnen Linien umschriebenen Stirn drückte sich ein edler Stolz aus, die blauen Augen blickten freundlich aus dem frischen, blühenden, von goldblondem Haar umrahmten Antlitz hervor, das Lächeln auf den rosigen Lippen ließ zwei Reihen blendend weißer Zähne sichtbar werden. Die persönlichen Reize der jungen Fürstin, ihre edle Denkweise, ihre Hochherzigkeit und Liebenswürdigkeit gewannen ihr die Achtung und Zuneigung ihres Gemahls, wenngleich sie das Andenken an seine erste Liebe nie verdrängen konnte. In den Augen der Prinzessin contrastirte das leichte ungezwungene Wesen, die elegante Tournüre des Königs Hieronymus sehr vortheilhaft gegen die damalige Steifheit der deutschen Cavaliere, und bei ihrer Lebenslust müßten ihr die glänzende Hofhaltung in Kassel, die vielen Vergnügungen mehr zusagen, als das langweilige, einförmige Leben und die große Sparsamkeit in Stuttgart. Während die Prinzessin Katharina früher immer gehorchen, in die Wünsche Anderer sich fügen mußte, lebte ihr Gemahl ihr ganz zu Gefallen, war aufmerksam und zärtlich gegen sie; von Seiten des Kaisers Napoleon und der Kaiserin Josephine hatte sie sich einer außerordentlichen Aufnahme und vieler feinen Artigkeiten zu erfreuen. Sie theilt in ihren Denkwürdigkeiten mit: „Als Mitgift erhielt ich hunderttausend Gulden. Obwohl mein Vater der Verbindung mit dem Kaiser Napoleon, der über sein ganzes Schicksal zu entscheiden hatte, eine große Bedeutung beilegte, mußte ich Schulden machen, um die gebräuchlichen Geschenke einzukaufen, bekam eine Aussteuer, die ich nicht tragen konnte, und sah mich genöthigt, mit hundert Louisd’or in der Tasche abzureisen. Der Kaiser ließ mir mein Hochzeitkleid machen, mein Gemahl bezahlte meine Schulden, schenkte mir eine neue Aussteuer und wußte durch seine Zartheit und Großmuth meine unangenehme Lage zu verbergen.“

Als Nichte und Adoptivtochter des Kaisers, dem sie allein die Erhebung auf den Thron zu verdanken hatte, mußte wohl auch die Erbprinzessin Stephanie von Baden mit dem innigsten Dankgefühl zu Napoleon aufblicken, dessen Ruhm die halbe Welt erfüllte, der Könige ernannte und absetzte und mit seinen Winken fast Europa regierte. Von Kindheit an hatte Josephine, mit mütterlicher Zärtlichkeit über sie gewacht, sie mit ihrer Tochter zusammen in dem berühmten Institut der Frau von Campan erziehen lassen. Die junge Stephanie, von einem lebhaften Geist und regen Eifer unterstützt, erwarb sich gediegene Kenntnisse, mit Liebe und Ausdauer pflegte sie Wissenschaften und Künste, vereinigte mit der feinsten Sitte eine reizende Liebenswürdigkeit und hohe Bildung. Sie hielt sich noch im Institut der Frau von Campan auf, als Napoleon sie adoptirte, zur kaiserlichen Prinzessin erhob und dem Erbprinzen von Baden zur Gemahlin bestimmte. Der Erbprinz von Baden war schon halb und halb mit der Prinzessin Auguste von Baiern versprochen gewesen, als Napoleon diese zur Gemahlin Eugen Beauharnais’ begehrte. Da dem König von Baiern die Allianz mit Frankreich bereits eine Vergrößerung seines Territoriums eingebracht und er durch eine Familienverbindung noch größere Vortheile zu erlangen hoffte, nahm er sein dem Prinzen von Baden gegebenes Wort zurück. Der Großherzog von Baden, Großvater des Erbprinzen, ein eifriger Anhänger des Rheinbundes,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_185.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)