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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

päpstlichen Syllabus erscheinen ließen und ihn zu einem der „geliebtesten Brüder“ Pius des Neunten machten.

Aber so sehr Dupanloup auch dem päpstlichen Stuhle ergeben war, er blieb zugleich immer ein auf sein Vaterland, dessen Geschichte und Vorrechte stolzer Franzose, und gerade sein conservativ-legitimistischer Sinn mußte ihn zu einem Anhänger der Rechte der gallicanischen Kirche machen und zu einem Gegner der radicalen Jesuitenpartei, welche die Centralisation der Kirche mit Mißachtung aller verbrieften Privilegien bis zur denkbar schärfsten Consequenz durchzuführen beabsichtigt. So schrieb er denn kurz vor der Eröffnung des Concils seinen bekannten Brief gegen die Infallibilität des Papstes, und wir erlebten das Wunder, daß wie auf eine ausgetheilte Parole hin sämmtliche ultramontanen Jesuitenblätter, die den Bischof von Orleans vordem als einen der edelsten Paladine der Kirche gepriesen hatten, in ihrem Tone umschlugen und den früheren Helden als ein verlorenes Schaf zu beklagen anfingen. Es ist Dupanloup nachzurühmen, daß er hier in Rom allen Verführungskünsten der allmächtigen Partei – was anfangs nicht Alle von ihm erwarteten – widerstanden hat. Selbst persönliche Audienzen beim Papst haben ihn in seinen Ansichten nicht wankend gemacht, und während er selbst im Beginn des Concils die erste Größe desselben zu werden versprach, erkannte er augenblicklich neidlos die Superiorität Stroßmayer’s, den er als Redner wie Thiers bewundert, in der Führung der Opposition an. In der römischen Gesellschaft ist Dupanloup eine ebenso gern gesehene und berühmte Größe wie einst in Paris unter den Orleans; er besucht die vornehmen Cirkel der römischen Fürsten, der Principi Massimi della Colonna, Borghese, Doria, der auswärtigen Gesandten oft und gern, und Jedermann drängt sich dort hinzu, um mit dem Bischof von Orleans ein Wort gewechselt zu haben. Ja er gehört unter die wenigen Prälaten, die auch außerhalb der Salons auf der Straße und auf dem Pincio unter Fremden und Römern bekannt sind. –

Unter den großen katholischen Festlichkeiten, welche in die vergangenen Wochen fielen und die in diesem Jahre durch den Aufenthalt der vielen Prälaten in Rom an Glanz außerordentlich gewinnen, haben wir neulich das Fest der „Lämmerweihe“ in der alten Basilica St. Agnese vor Porta Pia gefeiert. Die Nonnen des Klosters in der Via Torre de’ specchi am Capitol genießen das Vorrecht, die beiden Lämmer aufzuziehen, zu waschen und mit Gold und rothseidenen Schleifen reichlich zu schmücken, welche an jenem Tage in der Kirche der bekanntlich immer mit dem Lamm abgebildeten, in Rom ganz besonders hochverehrten heiligen Agnes von einem Cardinale geweiht werden. Da schönes Frühlingswetter war, hatte sich eine große Menge Volkes vor das Thor begeben, um dem kirchlichen Acte beizuwohnen und dann gleich in einer der vielen hier zerstreut liegenden Vignen in heiterer Gesellschaft einen frischen Trunk im Freien zu thun. Die kleine Kirche füllte sich mit Menschen. Auf dem schönen Altar, wo das Bild der Heiligen steht (dies ist zur Hälfte ein antiker Torso aus Alabaster von schöner Arbeit, Kopf und Hals hat man von Goldbronze angesetzt), wurden auf reich verziertem Kissen die beiden Lämmer niedergelegt. Da den kleinen, in ihrem weißgewaschenen und rothbebänderten Vließ sich sehr niedlich ausnehmenden Thieren die vier Beine gebunden waren, so lagen sie mit Engelsgeduld still und ließen alle Weihsprüche, Bekreuzigungen, Besprengungen und Salbungen über ihr junges Schafsgemüth ergehen. Das Volk drängte sich bis auf die Stufen des Altars hinauf, um dem seltenen Acte zuzusehen. Die Nonnen des oben genannten Klosters nehmen alsdann die Lämmer wieder in Empfang und fahren mit ihnen nach der Stadt zurück. Im Klosterhof werden die seidenen Schleifen abgenommen, und die jungen Vierfüßler erhalten wieder den freien Gebrauch ihrer Beine und einen eigens dazu hergerichteten reinlichen Stall. Hier werden sie gut gefüttert und genießen die beste Behandlung bis Ostern, wo das scharfe Schlachtmesser ihrer harrt, denn sie sind für die Tafel des Papstes bestimmt. Junger Lammsbraten (bacchio) gilt in Rom als etwas sehr Feines. Der Papst zieht einige Cardinäle zur Tafel und verspeist mit ihnen die beiden Osterlämmer. Aus den schönen weißen Fellen aber werden die Pallien für die Cardinäle gewebt.

In den vergangenen Wochen haben auch die Todten den Römern Feste gegeben. Leichenzüge hoher Personen werden hier mit großem Glanze begangen. Sie finden immer Abends mit Kerzenbeleuchtung statt; die Capuzinermönche mit ihren braunen Kutten, meistens alte charakteristische Gesichter mit schneeweißen langen Bärten, geleiten den Sarg nach der Kirche. Musikbanden fehlen nicht, und unter dem unheimlich eintönigen Gemurmel von Litaneien bewegt sich der lange Zug in greller Fackelbeleuchtung durch die Hauptstraßen der Stadt, welche voll von Neugierigen sind. Bei hohen Personen kommen mehr oder weniger militärische Abtheilungen dazu. So sahen wir jüngst das besonders reich ausgestattete Leichenbegängniß des Großherzogs von Toscana und des Obersten von Argy, eines verdienten päpstlichen Officiers. Ersterer wurde in der Apostelkirche, letzterer in der französischen Nationalkirche St. Luigi de’ Francesi beerdigt. Am Morgen nach dem Leichenzuge findet dann gewöhnlich die Trauermesse statt, für die schaulustigen Römer ein neues Fest. Die Musik spielt manchmal Weisen auf, die für unser Ohr mehr auf die Parade oder in öffentliche Concerte gehören würden, als für so ernste Gelegenheiten passend erscheinen. Indeß der Römer, überhaupt der Italiener, ist daran gewöhnt; in dieser Tonart bewegt sich seine ganze jetzige Kirchenmusik. Auch überläßt sich die Menge dabei vollständig unbefangen allen gelegentlichen Freudenäußerungen, Scherzen und Witzen, wie sie sich bei andern Festlichkeiten, beim Zusammenströmen großer Massen immer von selbst ergeben. Das Ganze soll eben nichts als ein Fest sein, das die Hinterbliebenen des Verstorbnen der Menge zu geben gewissermaßen verpflichtet sind.

Neulich besuchte ich den Janiculus jenseit der Tiber in Trastevere. Auf diesem kleinen Hügel steht die Kirche St. Pietro in montorio und auf dem Platze vor derselben wird das Monument errichtet, dessen Grundstein sonderbarer Weise schon vor der Eröffnung des Concils „zum Andenken an dasselbe“ gelegt wurde. Bekanntlich bildet eine kolossale Säule aus grünem feingeäderten afrikanischen Marmor, welche bei den Ausgrabungen im alten Emporium (dem Marmorlandungsplatze der Römer) zum Vorschein kam, den Hauptschmuck dieses Denkmals. Dieselbe hat einen Durchmesser von mehr als vier Fuß und eine entsprechende Länge. Sie wurde aber ohne Capitäl gefunden, und auch der Schaft war noch nicht vollendet. In einer großen an die Kirche sich anlehnenden Holzhütte ist nun der Steinmetz beschäftigt, diese Riesensäule ihrer Vollendung entgegenzuführen. Der Marmor ist von ausgezeichneter Beschaffenheit. Das Capitäl für die Säule soll aus weißem carrarischen Marmor und zwar in ionischer Form aufgesetzt werden. Es wird in der Werkstatt eines römischen, übrigens ziemlich unbekannten Bildhauers modellirt, welcher auch die Statue des Apostels Petrus anfertigt, die das Monument krönen soll. Petrus wird in der einen Hand die Schlüssel tragen, die andere segnend über die Stadt Rom ausstrecken, auf die man mit ihren sieben Hügeln mit ihren Kuppeln und Palästen von dem Platze des Monumentes aus einen der schönsten Ueberblicke genießt. An dem aus breiten Travertinquadern zu errichtenden Unterbau der Säule werden große, auf die Geschichte der Päpste und der Kirche bezügliche Bronzereliefs eingelassen werden. Die Arbeiten werden auf Geheiß und Betreiben Pius des Neunten sehr beschleunigt, da es sein Wunsch ist, daß die Bischöfe selbst noch Zeugen der Einweihung des glorreichen Denkmals sein sollen.

Im Uebrigen beschäftigt die künstlerische Welt Roms augenblicklich in hohem Grade die „Ausstellung in den Thermen des Diocletian“, die ja auch eine der Veranstaltungen ist, welche die „Tage des Concils“ verherrlichen sollen. Sie wurde am 18. vorigen Monats in dem Klosterhofe von St. Maria degli Angeli (dies Kloster ist eben in die Ruinen der alten Thermen hineingebaut) eröffnet und enthält nur Gegenstände der kirchlichen Kunst, nicht der profanen. In Italien, wo so ziemlich alles in den Bereich der Kirche zur Verherrlichung ihres Cultus hineingezogen wird, will dies nicht so viel bedeuten, wie etwa im protestantischen England oder in Norddeutschland. Durch Einfluß der Cleriker aller Welt sind aus den entferntesten Gegenden der Erde Kunstwerke aller Zeiten, wie sie in den „Schätzen“, Capellen, Archiven und Bibliotheken der katholischen Kirche zum großen Theil verborgen liegen, hierher gesendet worden und man sieht auf diese Weise manche werthvolle Bilder, besonders aber Kleinodien, Gefäße, kunstvolle Webereien etc., übersichtlich geordnet, bequem an einem Platze, die oft nicht einmal an Ort und Stelle, auch wenn man dort gegenwärtig wäre, vorgezeigt werden dürfen. Ich gedenke in meinem nächsten Briefe Ihnen Näheres über die Bedeutung dieser Ausstellung zu berichten.

Rom, Anfang März 1870.

nn. 




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_215.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)