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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

No. 25. 1870.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.


Zum Heimathland steht mein Verlangen.

O sprich von keiner schönern Zone –
Ich häng’ an meinem Heimathland,
Und mir ist aller Länder Krone
Des Rheines rebengrüner Strand.
O sprich nicht von des Südens Palmen –
Des Schwarzwalds süße Tannen-Nacht,
Das Thal mit Blumen und mit Halmen,
Wo find’ ich diese deutsche Pracht?

O sprich von keinem bessern Volke,
Als dem, das meine Sprache spricht!
Der Stern bleibt Stern, auch wenn die Wolke
Verfinstert hat sein gold’nes Licht.
Und jene Sprache – sanft und linde
Klingt sie im Herzen fort und fort,
Darin die Mutter mit dem Kinde
Gekoset einst das erste Wort.

O sprich von keinen frohern Stunden,
Die hier die Zukunft bringen mag;
Die Heimath heilt die tiefsten Wunden
Und Freuden bringt sie jeden Tag.
O Zeit, wo froh im Lenz als Knabe
Ich wilde Rosen suchen ging,
Und, knieend auf des Vaters Grabe,
Um’s Kreuz die duft’gen Kränze hing!

O sprich von keinem treuern Herzen,
Und sprich von keinem fremden Glück,
Mild, wie der Strahl der Himmelskerzen,
Ist meines deutschen Mädchens Blick!
Zum Heimathland steht mein Verlangen,
Ein müder Fremdling such’ ich Ruh’,
Und wo das Licht mir aufgegangen,
Drück’ man mir auch die Augen zu.[1]

Baltimore.

Karl Heinrich Schnaufer.


  1. Der letzte Wunsch des Dichters ging nicht in Erfüllung, denn bald, nachdem er sein tiefgefühltes Lied gesungen, starb er und liegt nun drüben in fremder Erde begraben. Es waren aber deutsche Hände, die ihm die Augen zudrückten.
    Die Redaction.

Der Bergwirth.
Geschichte aus den bairischen Bergen.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)

Der Metzger war anfangs vollständig verblüfft, denn die fest auf ihn gerichteten Augen des Mädchens zeigten, daß sie die Tochter ihres Vaters war, und drangen ihm gleich Messerspitzen durch und durch; jetzt hatte er sich eben genug wieder gefunden, um den alten höhnischen Ton anzuschlagen. „Oho,“ rief er, „so ist das gemeint? Ist es schon so weit, daß man im Bergwirthshaus die Gäst’ ausschafft, die Jahr aus, Jahr ein einkehren und ihr schweres Geld sitzen lassen? O, mir kann’s recht sein, unser Einer laßt sich so ’was nit zweimal sagen. … Komm’, Niederkirchner, ich fahr’ noch weiter mit Dir, wirst mir wohl über Nacht eine Liegerstatt geben können in Deinem Haus … ich will keine gesunde Stund’ mehr haben, wenn ich noch einen Fuß herein setz’ in das Bergwirthshaus, wo man die Leut’ hinauswirft. … – Es kann leicht eine Zeit kommen, wo sie froh wären, wenn ihnen ein Gast noch hereingeht! … Das ist für meine Zehrung,“ fuhr er fort, während er sich mit dem Bauer erhob und ein Guldenstück auf den Tisch warf, daß es zu Boden kollerte.

Juli hob es auf. „Wir brauchen von Dir nichts,“ sagte sie, „was Du genossen hast, ist Dir geschenkt, den Gulden aber leg’ ich in die Armenbüchs’ …“

„Das ist gescheidt,“ rief der Metzger noch zur Thür herein, „da könnt Ihr ihn wieder herausnehmen – kann sein, daß ihr ihn bald selber braucht …“

In aufloderndem Unmuth eilte ihnen Juli nach, ein scharfes Wort schlagfertiger Erwiderung auf der Zunge; als sie an die Thür kam, rollte das Fuhrwerk bereits durch die schwarze Regennacht davon; unwillig wollte sie zurückkehren, als an den Stufen eine dunkle Männergestalt auftauchte und vor sie trat.

Es war Falkner.

„Erschrecken Sie nicht – ich bin es,“ sagte er, ihre Hand

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_385.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)