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verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

ist es mir auf einmal warm aufgegangen um’s Herz, daß wir von allen Menschen verrathen und verlassen sind, daß wir gar nichts mehr haben, wenn wir zwei von einander lassen. … Ich bin herunter und hab’ Dir sagen wollen, wir wollen Alles vergessen und gut sein lassen und fest zusammenhalten, und jetzt treff’ ich Dich so? Das F. F. das soll wohl Franz Falkner bedeuten? Du denkst also noch alleweil an den elenden Kerl, der vor Allen an unsrem Unglück schuld ist? Und das thust noch obendrein heut’ … heut’, wo das Unglück vollends in Erfüllung gegangen ist. … Du hast wohl gemeint, weil ich die Zeit her still gewesen bin, ich fanget’ an, nachzugeben. … Nichts da, sag’ ich Dir! Jetzt reden wir aus einem andern Ton, jetzt sollst Du den Bergwirth erst kennen lernen. … Ich will Euch einen Tanz aufspielen, Dir und dem verfluchten Feldmesser, der Tanz soll auch aus dem F. F. gehen … das versprech’ ich Dir!“

Umsonst versuchte Juli, die nicht zu Wort zu kommen vermochte, den Tobenden zurück zu halten, er riß sich los und stürmte trotz der immer stärker einbrechenden Dunkelheit hinaus, um bald in dem hinterm Hause beginnenden Walde zu verschwinden. Er wußte selbst nicht, was er beginnen, wohin er sich wenden wollte, die Leidenschaft war um so heftiger in ihm entbrannt, als er sich nun selbst der weichern Regung schämte, die ihn kurz zuvor angewandelt hatte. In planlosem Irrgange rannte er fort, ohne Ziel und Zweck und wußte selbst nicht, wie ihm geschah, als er nach einiger Zeit mit einem Male aus dem sich lichtenden Walde trat und die Niederpoint vor sich liegen sah. …

Zähneknirschend, mit geballten Fäusten gewahrte er die Verwüstung des herrlichen Rasens, der sein Stolz gewesen – sah die traurigen Stöcke der gefällten Eichen und diese selbst, seine Lieblinge, als entästete, rindenlose Stämme daneben liegen und die sonst ungewohnten Augen wurden ihm naß. Er tastete daran herum und streichelte sie, als wären es lebende Wesen, die Gefühl hätten für sein Mitleid, er sprach mit ihnen und jammerte: „Meine schönen Eichen – meine schönen Staatsbäum’ … so hab’ ich euch nit erretten können.“ …

Er stand stille vor einem in den Boden gerammten Stein, trotz der fast eingebrochenen Finsterniß vermochte er das darin eingemeißelte, schwarzgefärbte F. F. zu erkennen – das Markzeichen des neuen Eigenthümers. Die Gewalt der Eindrücke schlug ihm gleich lodernden Flammen über dem Kopfe zusammen, es war als ob sich ihm die Gedanken zu verwirren anfingen. …

„Muß ich denn den verdammten Buchstaben überall begegnen?“ schrie er in die Nacht hinein. „Und der Mensch soll meinen schönen Grund haben, und ich muß mir’s gefallen lassen und kann ihm nichts anthun dafür, dem Räubergesindel übereinander …“

Da scholl die Signalpfeife des auf seiner Rückkehr aus den Bergen heransausenden Zuges.

Er horchte auf und rannte vor bis an den Rand des neuen Steinbruchs, der tief und steil unter ihm abstürzte. … „Da kommt das Ungeheuer, das mich zu Grunde gerichtet hat – mit den rothen glühenden Augen und dem Feuerrachen, g’rad’ als käm’s mitten aus der Hölle …“

Er sprang auf einen Baumstamm, um besser hinabsehen zu können – der Baum regte sich unter seinen Füßen und ein entsetzlicher Gedanke blitzte in ihm auf. „Brüll’ nur zu und spei’ Feuer, Du höllischer Drach’!“ schrie er außer sich, ich fürcht’ Dich nit – ich nehm’s auf mit Dir und wenn Du der Teufel selber bist.“ …

Wüthend stemmte er sich gegen den Baum – er begann zu rollen, erst langsam, dann immer schneller und schneller, bis er in mächtigem Schwunge über den Rand des Steinbruchs stürzte – am Fuße desselben, wenige Schritte entfernt zogen die Eisenschienen sich hin. …

Die Locomotive des Zuges bog bereits um den nächsten Vorsprung hervor … der Bergwirth sah es nicht mehr, von seinem eigenen Thun entsetzt, war er in den Wald entflohen.

Plötzlich tönte von unten ein ungeheurer schmetternder Krach – die Locomotive war an den Eichstamm gestoßen und bäumte sich wie ein wuthheulendes verwundetes Ungeheuer daran empor – dann flatterte greller Feuerschein auf … ein markerschütternder Jammerschrei schlug an die Sterne. …

Dann war Todtenstille. …

(Fortsetzung folgt.)




Meine Eisvögel.
Von Ludwig Beckmann.


Gewiß hat schon Mancher unserer freundlichen Leser den schönen blaugrünen Eisvogel oder Halcyon im Freien erblickt und sich an dem reizenden Anblick erfreut, allein nur Wenige werden Gelegenheit gehabt haben, das eigenthümliche Wesen und Treiben des scheuen Vogels in unmittelbarer Nähe zu beobachten. Nachstehende Mittheilungen dürften daher einiges Interesse für Freunde der Thierwelt haben, umsomehr, als unser Eisvogel in den Volièren der zoologischen Gärten (mit Ausnahme des Regent-Park) unseres Wissens bis jetzt nicht dauernd gehalten wurde.

Der Eisvogel (Alcedo ispida) ist der einzige europäische Vertreter der so viele Mitglieder zählenden Familie der Alcedinen unter den Leichtschnäblern, welche größtentheils die heißere Zone bewohnen. – Auch unser Eisvogel ist keineswegs ein Freund eisiger Regionen und geht über einen gewissen nördlichen Breitegrad wohl nur als Strichvogel hinaus. An Deutschlands Gewässern ist er fast überall zu finden, indeß immer nur vereinzelt vorkommend, mit Ausnahme der Paarungszeit. Die gestreckte Länge des ausgewachsenen Männchens beträgt selten über neunzehn Centimeter, wovon allein auf Kopf und Schnabel sieben Centimeter gehen. Daher das Groteske, Zwerghafte seiner Erscheinung. Die ziemlich schwach gebauten, rundlichen Flügel erreichen zusammengelegt just den Anfang des kurzen, zwölffederigen Schwänzchens, die winzig kleinen, weich behäuteten Füßchen haben drei Vorder- und eine Hinterzehe. Die äußere Vorderzehe ist fast ebenso lang als die große Mittelzehe und mit dieser bis zum zweiten Gelenk dicht verwachsen. Auch die weit kürzere dritte oder Innenzehe ist nicht völlig frei, sondern bis zum ersten Gelenk mit der Mittelzehe verbunden. Der Fuß des Eisvogels ist daher weder zum Gehen noch Klettern, Schwimmen oder Scharren, sondern vorzugsweise zum ruhigen Sitz auf Zweigen geeignet, und in der That macht der Vogel fast keinen andern Gebrauch von seinem Pedal.

Der lange, scharfgespitzte Schnabel ist nach innen scharfkantig aufgezogen und für das Festhalten der glatten Fische vortrefflich geeignet. Das große Auge mit brauner Iris ist weit nach vorn gerückt und wirkt beim lebenden Vogel tiefschwarz glänzend. Der Rachen ist auffallend weit, die kurze Zunge hat die Form einer stumpfen Pfeilspitze. Dem Schlunde fehlt der Kropf, der ganze Verdauungsapparat ist überhaupt sehr einfach, wie bei den meisten Fischfressern.

Betrachten wir nun die Lebensweise unseres Eisvogels im freien Zustande. – Er ist ein einsam lebender, mißtrauischer und vorsichtiger Vogel, so daß es – namentlich zur Sommerzeit – meistens schwer hält, sich ihm selbst auf Schußweite zu nähern. Indeß scheint er den Menschen vorzugsweise nur an seinen Bewegungen zu erkennen, denn er erscheint oft ganz unerwartet dicht neben einem Fischer, welcher ruhig am Ufer hockt, und setzt sich wohl gar für Augenblicke auf die eingesteckten Angelruthen.

Seine Nahrung besteht fast ausschließlich aus kleinen Fischen von der Größe einer Stecknadel bis zur Länge eines Zeigefingers, bei anhaltendem Regenwetter und trübem Hochwasser sucht er kleine Schalthiere, Wasserinsecten und Libellen, welche auch beim Auffüttern seiner gefräßigen Jungen mit aushelfen müssen. Der Fischfang bleibt indeß die Hauptsache und wird vom frühen Morgen bis zum Abend geübt, indem der Vogel unbeweglich auf einem überhängenden Zweig oder Stein am Ufer hockend auf die vorüberziehenden Fischchen lauert und im Moment ihres Erscheinens blitzschnell mit angezogenen Flügeln auf sie hinunterstürzt. Oft verschwindet der Vogel beim Stoß völlig unter der Wasserfläche, arbeitet sich aber sofort wieder empor und flattert nun, den erbeuteten Fisch quer im Schnabel haltend, auf seinen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1870, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_388.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)