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verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

zu sagen, wie es eigentlich geschieht. Oft lüftet er einen Augenblick zuvor die Flügel, namentlich wenn er seitwärts stoßen muß oder der flache Wasserstand des Bassins ein Aufstoßen auf den Boden unvermeidlich macht; unter günstigen Verhältnissen plumpt er einfach senkrecht kopfüber oft mehrere Fuß tief hinunter. Der Fisch wird immer quer über dem Rücken und zwar in seinem Schwerpunkt ergriffen. Fehlstöße habe ich nie bemerkt. Ein Exemplar, dessen Unterschnabel etwas abnorm gebaut und fast drei Achtel Zoll kürzer als der Oberschnabel war, fing Fischchen von Stecknadelgröße mit Sicherheit. Dieser Vogel blieb nach dem ersten Stoß meistens auf einer flachen Stelle des Bassins bis zum Rande im Wasser sitzen und schnappte Alles, was in den Bereich seines Schnabels kam blitzschnell weg.

Ist das Bassin leer, so wird der Vogel unruhig, erinnert sich seiner Gefangenschaft und stürmt plötzlich unter schrillem Pfeifen vorwärts gegen die Netzwand. Sehr hübsch sieht es aus, wenn zwei Vögel während des Fliegens oder beim Niederlassen auf den Sitzstangen unverhofft zusammentreffen. Sie fallen dann meist beide senkrecht zu Boden und sitzen nun eine ganze Weile platt auf dem Steiß ruhend, den Körper gerade aufgerichtet, die Flügel ausgebreitet und den Schnabel weit aufgesperrt, wie ein paar Wasservögel einander gegenüber. Von Zeit zu Zeit lassen sie bei dieser Gelegenheit ein zorniges, heiseres „Järrrt järrr!“ hören, der einzige Laut, welchen ich bis jetzt außerdem bekannten Pfiff von unserm Eisvogel gehört. Vor ihren spitzen Schnäbeln haben sie gegenseitig gewaltigen Respect; indeß erinnere ich mich nicht, gerade gesehen zu haben, daß sie von dieser gefährlichen Waffe unter sich Gebrauch machten.

Auf dem platten Boden ist der Vogel höchst ungeschickt; er sitzt dann meist mit vorgestreckten Füßen und aufliegendem Steiß, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Am liebsten sitzt er auf weichen, glatten Zweigen von Fingersdicke, auf denen er oft eine ganze Strecke blitzschnell seitwärts trippelt, um einem andern Vogel Platz zu machen.

Beim Hin- und Herflattern der Eisvögel im Käfig fällt der fortwährende Farbenwechsel ihres Rückengefieders dem Beobachter auf. Bald sehen wir dasselbe einförmig graublau mit einem hellen, kalten, lasurblauen Streif – bald wieder tief warm olivengrünlich mit leuchtend spangrünem Streif. Im Halbdunkel des Gezweiges erscheint er fast bräunlich mit schwachem weißgrünem Schimmer, als ob dem Gefieder ein eigenes, schwaches Phosphorleuchten innewohnte. Diese Erscheinung ist deshalb merkwürdig, weil dem weichen, zerschlissenen Rückengefieder unsers Vogels jener metallische Spiegelglanz, welchen wir an vielen Tropenvögeln (auch an unserer Saatkrähe und Stockente) bewundern, gänzlich fehlt. Man kann dies hübsche Variiren der Farbe auch an ausgestopften Exemplaren beobachten, wenn man z. B. am Fenster stehend, den Vogel gegen das helle Tageslicht und dann, sich herumwendend, in’s Dunkel des Zimmers hineinhält.

Zwei Hauptzierden des lebenden Vogels gehen beim Ausstopfen unwiederbringlich verloren. Zunächst der wunderbar feine Atlasglanz des weißen Kehlfleckes, ebenso verlieren die weichen, schön mennigerothten Füßchen beim Austrocknen alles Ansehen und schrumpfen schwarz und drahtähnlich zusammen. Auch das durch- scheinende Lack- oder Braunroth des Schnabels verschwindet völlig.

Leider ist es dem Einsender bis jetzt nicht gelungen, alte Eisvögel am Leben zu erhalten, und er möchte daher auch keine weiteren Versuche in dieser Hinsicht machen. Die übliche Phrase vom „Todtgrämen“ oder „Trauern um den Verlust der Freiheit“ dürfte auf meine Eisvögel nicht passen, man müßte denn annehmen, daß sie wie die Eltern des „Peter in der Fremde“ ihren Gram im Essen erstickt hätten. Wahrscheinlich ist der zarte Respirationsapparat dieser Vögel nicht im Stande, die Folgen der Aufregung zu überstehen, welche das Einfangen, der Transport und das Einsetzen in die Volière unvermeidlich mit sich bringt. Der Vogel gewöhnt sich allerdings rasch in die neuen Verhältnisse, allein das Uebel ist einmal vorhanden. Eines Tags glauben wir ein etwas beschleunigtes Athemholen und nachlässigere Haltung der Flügel zu bemerken, am nächsten Morgen sitzt er platt auf dem Boden, macht noch einen vergeblichen Versuch zum Fressen, fällt um und ist todt. In ganz ähnlicher Weise verenden die meisten einsam lebenden und zart gebauten Vögel in der Gefangenschaft, z. B. Waldschnepfen, seltener die Rallen und Hühner oder die mit derberen Lungen ausgestatteten kleinen Säugethierarten.

Jung aus dem Neste genommene Eisvögel sollen dagegen ohne große Schwierigkeiten selbst bei Fleischfütterung (am besten wohl Rinderherz in Streifen geschnitten) aufzuziehen sein. Wie schon erwähnt, ist die Lebensweise des schönen Vogels indeß nicht geeignet, ihn als Zimmergast zu empfehlen. Dagegen würde er in den großen Flugvolièren unserer zoologischen Gärten bei durchfließendem Wasser sich vortrefflich halten und in Gesellschaft der seltenen Wasserstaare und einiger feinen Strandläuferarten gewiß fortwährende Anziehungskraft auf die Besucher ausüben.

Es würde zu weit führen, alle wundersamen Eigenheiten, welche Poesie und Aberglauben unserm Eisvogel angedichtet haben, hier anzuführen. In Brehm’s trefflichem Werke „Illustrirtes Thierleben“ finden wir (Band IV., Seite 160) eine höchst ergötzliche Sammlung. Wir vermissen darunter nur die altenglische Sitte, einen todten Eisvogel als Wetterprophet oder Windzeiger zu benutzen. Der Vogel ward zu diesem Zweck nicht ausgestopft, sondern nur seiner Eingeweide beraubt, mit gewissen Specereien einbalsamirt und dann an einen Faden an der Decke aufgehängt. Seine Drehungen wurden bei geschlossenen Thüren und Fenstern aufmerksam beobachtet, bis der Schnabel anhaltend nach einer Richtung zeigte. Aus dieser Himmelsgegend mußte unfehlbar demnächst der – Wind kommen.

Noch heutzutage pflegen Freunde altenglischer Sitte in ihren Landhäusern am See einen Eisvogel unter der Decke, wenn auch nur als Curiosität, aufzuhängen. – Den Einsender erinnert diese angebliche Eigenschaft eines getrockneten Vogels immer an den empfindlichen Seehundskoffer jenes quiescirten Schiffscapitäns, welcher (der Koffer nämlich) bei eintretender Fluth regelmäßig sein Haar aufsträubte, gegen Eintritt der Ebbe aber wieder spiegelblank niederlegte.



Vom Eck- und Edelstein der Deutschen.
Von Karl Kuh in Nassau an der Lahn.


Unvergessen in der großen Geschichte der Entwickelung Deutschlands und auf immer mit ihr verknüpft ist der Name des Mannes, der ein Recht hatte auf die Ehre, als „des Rechtes Grundstein, Bösen Eckstein, der Deutschen Edelstein“ gepriesen zu werden. Was Karl Freiherr von und zum Stein als Staatsmann hat und was er als solcher gethan und wie er seinen mächtigen, durch und durch deutsch gesinnten Geist auf König Friedrich Wilhelm den Dritten und Kaiser Alexander hat einwirken lassen, das ist sattsam in der Geschichte Deutschlands verzeichnet und wurde auch von der Gartenlaube schon in ausführlichen Artikeln des Jahrganges 1859 geschildert.

Angesichts der durch Stein verherrlichten und geweihten Punkte unseres Städtchens Nassau und einem Bedürfnisse unseres Herzens folgend, versuchen wir jedoch hier, seine Persönlichkeit und was damit unmittelbar zusammenhängt, den Enkeln näher zu bringen, und dies gerade zu einer Zeit, da dasjenige zur lebensvollen Wirklichkeit gekommen ist und kommen wird, was er angestrebt, und da man beschäftigt ist, ihm ein Denkmal an dem Orte zu setzen, wo seine Wiege gestanden.

Stein war mittlerer Größe, mehr kurz und gedrungen als hoch und schlank, starken Leibes mit breiten Schultern, fester Stellung und gleichen Schrittes. Auf diesem Leibe ruhte ein stattliches Haupt mit breiter, sehr zurückgeneigter Stirn, einer mächtigen Adlernase, einem fein geschlossenen Munde und einem ein wenig zu langen und spitzen Kinn. Das Auge war braun, klein und scharf und funkelte mehr, als daß es leuchtete. In der Regel sprach dieses Auge Freundlichkeit und Treue aus; aber wenn der Mann in sehr ernster und gar, wenn er in zorniger Stimmung war, konnte es fürchterlich blitzen. Das war das Besondere an ihm, daß sich auch bei der heftigsten Seelenbewegung auf seinem Gesichte gleichsam zwei verschiedene Menschen abspiegelten. Seine Stirn, meistens auch sein Blick, wurden von dem Nebelgewölk des

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verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1870, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_391.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)