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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

die Stellung des Lichts etc. Rücksicht zu nehmen. – Das dem Auge des Schulkindes wohlthuendste Licht fällt schräg von oben und von der linken Seite ein und es werde dem Schüler durch viele und große (breite und hohe) Fenster so viel als möglich davon geboten. Diejenige Erhellung des Schulzimmers, wo den Schüler das Licht von vorn trifft, ist stets nachtheilig. Licht von beiden Seiten ist insofern unangenehm, als es von der schreibenden Hand einen Schatten auf das Papier wirft. Niemals darf aber Licht von unten her in das Auge des Schülers fallen und also das Fenster höchstens bis zur Tischplattenhöhe hinabreichen. Zur Mäßigung des hellen Sonnenlichtes dienen am besten Rouleaux von ungebleichter Leinwand oder Marquisen. – Zur künstlichen Beleuchtung sollte nur Gas verwendet werden, weil es das meiste und gleichmäßigste Licht liefert. Nur müssen die Gasflammen in gehöriger Menge und Höhe angebracht werden und zum Behuf ruhigen Brennens und richtiger Lichtvertheilung mit einem Glascylinder und einem Schirm (aus Papier, dünnem Porzellan, Glas, nicht etwa aus Kupfer, welches Staub aus Schwefel-Kupfer liefern könnte) versehen sein. Wo kein Glas vorhanden, da nehme man seine Zuflucht zu Oellampen; Kerzen und Petroleum sind unzweckmäßig. – Da dem Auge unreine Luft (mit Rauch, Staub, scharfen Dünsten verunreinigte) schadet, dasselbe reizt und in Entzündung versetzt; da ihm auch Zugluft, zumal bei erhitztem Körper und Auge Nachtheil bringt: so müssen in der Schule diese Schädlichkeiten von den Augen der Schüler abgehalten werden. – Verletzungen des Auges, Erschütterung, Druck und Schlag auf dasselbe, könnten beim Bestrafen des Schülers durch Schläge an den Kopf und in das Gesicht, durch Ohrfeigen, Kopfnüsse und dergleichen zu Stande kommen und dem Auge für’s ganze Leben nachtheilig bleiben.

Dr. Kohn in Breslau, welcher die Augen einer sehr großen Anzahl von Schulkindern untersuchte, fand als Ergebniß dieser Prüfung, daß es keine Schule ohne kurzsichtige Schüler giebt und die Ursache der so häufigen Kurzsichtigkeit der Schulkinder weniger in dem Lehrplan (in Ueberbürdung mit Augenarbeiten), in den Lehrmitteln (zu kleinen Schriften), in der falschen und ungenügenden Beleuchtung und überhaupt in den Anforderungen, welche an die Augen der Schüler gestellt werden, liegt, als vielmehr in den einzelnen Schuleinrichtungen und vorzugsweise an den unzweckmäßigen Schulbänken. Diese sind nämlich so gebaut, daß die Kinder gezwungen sind, die Schrift in großer Nähe und bei vorgebeugtem Kopf und Rumpf zu betrachten (siehe später über Subsellien). – Er fand ferner: daß in den Dorfschulen nur wenig Kurzsichtige zu finden sind, daß dagegen in den Stadtschulen achtmal mehr Kinder kurzsichtig sind als in den Dorfschulen, daß in den Elementar- und Volksschulen weniger Kurzsichtige als in den höheren Schulen zu finden sind, daß in allen Realschulen, höheren Töchterschulen und Gymnasien eine continuirliche, sehr beträchtliche Zunahme der Kurzsichtigkeit von Classe zu Classe stattfindet. Auf den Mittelschulen ist mehr als der zehnte, auf den Realschulen fast der fünfte, auf den Gymnasien mehr als der vierte Theil der Schüler kurzsichtig. Durchschnittlich sind in allen Schulen in den obersten Classen mehr Kurzsichtige als in den untersten. Höhere Grade von Kurzsichtigkeit, die nach und nach zur wirklichen Schwachsichtigkeit führen kann, fand er in den Dorfschulen gar nicht, während schon in den städtischen Mittelschulen die Stärke der Kurzsichtigkeit wächst und in den Realschulen und Gymnasien ganz bedeutend zunimmt. Es giebt übrigens doppelt so viel kurzsichtige Knaben als Mädchen; nach den Lebensjahren findet in allen Schulen eine stetige Zunahme der Kurzsichtigen statt. – Er fand auch noch: daß, je enger die Gasse, in welcher die Schule steht, je höher die gegenüberliegenden Häuser, in einem je niedrigeren Stockwerke die Classe befindlich, um so mehr die Zahl der kurzsichtigen Schüler steigt. – Aus diesen Thatsachen werden hoffentlich die Schulvorstände deutlich ersehen, daß die Humanität keine Knausereien für solche Schuleinrichtungen erlaubt, welche dem Wohle der Kinder dienen.

Das Gehörorgan, Ohr, verlangt allerdings in der Schule nicht eine solche Berücksichtigung wie das Auge; jedoch muß der Lehrer auch diesem Sinneswerkzeuge seine Aufmerksamkeit schenken. Es ist dies deshalb besonders nöthig, weil sehr oft im elterlichen Hause zu wenig auf den Zustand dieses Organs geachtet wird und die ersten Anfänge eines Ohrenleidens, zumal der Schwerhörigkeit, welche in der Schule manchmal eher als im Hause entdeckt wird – sofort die Behandlung durch einen wissenschaftlich gebildeten Ohrenarzt verlangen, wenn der Gehörsinn nicht für’s ganze Leben Schaden erleiden soll. – Von Seiten des Lehrers sind Schläge an das Ohr (Ohrfeigen) und auf den Kopf ängstlich zu vermeiden, weil sie durch Erschütterung und Lähmung des Hörnerven sofortige Taubheit, sowie auch durch Eindruck auf das Trommelfell und die Theile in der Paukenhöhle Schwerhörigkeit veranlassen können. – Der gefährlichen Spielerei der Schulkinder, fremde Körper in den Gehörgang zu stecken oder mit einem Stift darin zu bohren, muß streng entgegen getreten werden. – Zugluft (besonders an nicht dicht schließenden Fenstern), ebenso große Wärme (in der nächsten Nähe des Ofens) müssen vom Ohre fern bleiben. – Auf Ausflüsse aus dem Ohre, ja auch auf Reinhalten desselben den Schüler aufmerksam zu machen, sollte der Lehrer nicht als etwas für ihn Ungehöriges und Entwürdigendes ansehen.

Das Geruchsorgan, die Nase, kann insofern beim Schulkinde Gelegenheit zur Beachtung von Seiten des Lehrers geben, als die Kinder nicht selten durch Bohren mit dem Finger in der Nase, sowie durch das Hineinstecken fremder Körper Veranlassung zu langwierigen Nasenleiden geben. – Widerwärtige und stark reizende Gerüche müssen von den Geruchsnerven fern gehalten werden. – Das ordentliche und anständige Reinigen der Nasenhöhle braucht vom Lehrer nicht unbemerkt zu bleiben. – Die Stinknase, welche bei Schulkindern zuweilen einen unerträglichen Gestank verbreitet, ist für die Mitschüler sehr eklig.

Das Geschmacksorgan, die Zunge in der Mundhöhle, ist ist Bezug auf übelen Mundgeruch und auf die Beschaffenheit der Zähne wohl einiger Aufmerksamkeit von Seiten des Lehrers werth.

Das Tastorgan, die Haut der Hände und Finger, verdient ganz besonders, abgesehen vom Reinhalten, hinsichtlich des Erfrierens Berücksichtigung. Denn es kommen nicht nur Kinder mit Händen, die sie auf dem Schulwege erfroren haben, in die Schule, sondern sie erkälten selbige sogar in zu kalten Schulstuben. – Das Schlagen auf die Hand und Fingerspitzen, die sogenannten „Tatzen“, ist eine Bestrafungsart, die durchaus aus der Schule fern bleiben muß.

Bock.

Die Darsteller von Oberammergau.

„Der Passion“ in Oberammergau hat begonnen, und allwöchentlich wallfahrten Tausende auf allen zum Fuß der Zugspitze führenden Straßen und besonders am Ettaler Kloster vorbei zu dem bairischen Dorfe an der Ammer, aus dessen bescheidenen, längs des Flusses hingestreuten Häusern die Künstler hervorgehen, welche jahrüber mit erfahrener Hand zu schnitzen und zu bilden, zu gestalten und zu formen pflegen, und nun von erhabener, weitgedehnter Bühne herab zu dem in Staunen und Andacht versunkenen Volke sprechen. Die zierlichen Gebirgshäuser, hinter deren Fenstern die schmalen Werktische der fleißigen Kunstjünger sichtbar sind, tragen an ihrer Vorderseite bunte Bilder aus der biblischen und aus der Heiligengeschichte; blumenreiche und obstbaumbergende Gärtchen schließen das einzelne Besitzthum ein, und über dem Thale erheben sich die schönen, waldgeschmückten Berge von Unterammergau. Viele der zuströmenden Touristen mögen nur aus Neugierde kommen und mit dem einzigen Zwecke, sich durch den Anblick des Oberammergauer Passionsspiels ebenso unterhalten zu lassen, wie sie sich in Leipzig etwa durch die Messe oder in München durch das Octoberfest unterhalten lassen; schon Vielen von ihnen aber erging es ganz wider Erwarten, und ernster gestimmt, als sie kamen, in der Tiefe ihres Gemüthes angeregt und jeder spöttischen Bekrittelung unfähig, die der echte Bädecker-Reisende wohl überall im fremden Lande zur Schau trägt, verließen sie den Schauplatz einer so seltsamen und ganz einzigen Erscheinung.

Unleugbar sind Theilnahme und Aufmerksamkeit, die dem Oberammergauer Passionsspiel rings in Deutschland vom Volke im Allgemeinen, wie von den Gebildeten im Besonderen geschenkt werden, seit den letzten Jahrzehnten in bedeutender Zunahme begriffen und diese Thatsache ist als eine um so erfreulichere zu begrüßen, als das Oberammergauer Passionsspiel nicht allein darum so beachtenswerth ist, weil es sich durch den Raum von zweihundert Jahren bis in unsere, wie man versichert, Alles gleichgestaltende Gegenwart herauf gerettet hat, sondern auch darum, weil es bei der unmittelbaren Frische, mit welcher es wirkt, von einer Bedeutung für die deutsche Kunst und für die Entwickelung des deutschen Theaters zu werden verspricht, die heute noch gar nicht in ihrem weitesten Umfange gewürdigt werden kann.

Die Gartenlaube hat es bereits vor zehn Jahren für ihre Pflicht gehalten, dem Passionsspiel die eingehendste Aufmerksamkeit zu schenken; auch in diesem Jahre schon brachte sie, gleichfalls aus der geistvollen Feder Herman Schmid’s einen Artikel über die Vorproben zum Passionsspiel, der allgemeines Interesse gefunden hat. Und wie vor zehn Jahren bringen wir auch heute die portraitähnlichen Abbildungen der Hauptdarsteller, die in Schmid’s Artikel bereits Erwähnung gefunden haben: Christus, der in diesem Jahre zum ersten Male von dem Bildschnitzer Joseph Mair dargestellt wird, nachdem der frühere von Ammergau fortgezogen ist; Johannes, der in dem Bildschnitzer Zwink gleichfalls einen neuen tüchtigen Vertreter gefunden hat; Petrus, der auch heuer von dem Bildschnitzer Hett in unnachahmlich einfacher Treuherzigkeit gegeben wird, und Maria, deren Rolle zum ersten Male in den Händen der Franziska Flunger liegt, der Tochter des Schnitzers und Zeichnungslehrers, der vor zwanzig Jahren den Christus gespielt hat und nun wiederholt den Hohenpriester Annas darstellt.

Wir kommen gewiß mit Mittheilung dieser interessanten Portraits dem Wunsche vieler unserer Leser zuvor, denen es nicht vergönnt ist, in das schöne oberbairische Gebirgsthal zu wandern; wir aber rufen den wackern Spielern von Oberammergau auch für dieses Jahr ein herzliches Glückauf zu.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_400.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)