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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

ausgebildet ist, und besonders in den Fällen, wo wir eine ungewöhnliche Stärke des Gedächtnisses vorzüglich nach einer Richtung hin entwickelt sehen, derart, daß gewisse Dinge leicht, andere dagegen schwerer aufgefaßt werden, liegen meiner Ansicht nach vorwiegendes Interesse, besondere Aufmerksamkeit oder ausdauernder Fleiß gerade für diese Dinge als Ursache der einseitig entwickelten Gedächtnißstärke zu Grunde.

Wer für Zahlen oder für Verse oder für Verwandtschaftsbeziehungen und dergleichen ein vorzüglich gutes Gedächtniß hat, der hat sich sicherlich gerade damit besonders gern und oft beschäftigt und sich das Behalten und Erlernen besonders angelegen sein lassen. Gerade die hervorragendsten Fälle von Gedächtnißstärke für specielle Gegenstände, wie das Beispiel des bekannten Rechenkünstlers Dahse, der mit einem eminenten Zahlengedächtniß begabt war, scheinen mir die Richtigkeit meiner Ansicht zu beweisen. – Bei Dahse (über dessen Leistungen Professor Jessen ausführlich berichtet) hat sich nicht einmal eine angeborne Neigung zum Rechnen gezeigt, vielmehr ist ihm, wie er versicherte, das Rechnen anfangs so schwer geworden und so zuwider gewesen, daß er deshalb mehrmals hinter die Schule gelaufen und dafür bestraft worden sei. Darauf habe er sich besondere Mühe damit gegeben und seine Neigung dazu sei in demselben Maße gewachsen, in welchem er bemerkte, daß es ihm leichter wurde.

Die außerordentliche Fertigkeit im Rechnen und das enorme Zahlengedächtniß glaubt er selbst durch Uebung erworben zu haben, indem er in einer langen Reihe von Jahren sich fast ausschließlich damit beschäftigt hat.

Ich darf wohl annehmen, daß den meisten Lesern der Gartenlaube der Rechenkünstler Dahse, der in den fünfziger Jahren in Deutschland herumreiste und sich mit seinen erstaunlichen Leistungen im Rechnen etc. producirte, aus eigener Anschauung bekannt ist. Deshalb will ich nur die eine Leistung, die sein Zahlengedächtniß betrifft, nach Jessen’s Mittheilung hier anführen. Dahse sagte eine Reihe von hundertachtundachtzig Ziffern, die er durch Addition ihm gegebener Zahlen selbst berechnet hatte, ohne Weiteres vor- und rückwärts her und gab auch außer der Reihe jede beliebige Zahl (z. B. die 25ste, die 80ste etc. auf Verlangen schnell und sicher an. Das Hersagen der langen Zahlenreihen vor- und rückwärts machte auf die Anwesenden einen solchen Eindruck, daß manche es nicht aushalten konnten und weggehen mußten, weil ihnen die dazu erforderliche Geistesanstrengung erdrückend zu sein schien. Dahse versicherte mir aber lächelnd, daß gar keine besondere Anstrengung damit verbunden sei. Ja, diese Leichtigkeit im Aufnehmen und Behalten von Zahlen ging sogar so weit, daß Dahse beim Gehen, ohne daran zu denken oder ohne es auch nur zu wollen, stets die Schritte zählte, die er machte, und somit in jedem Augenblick angeben konnte, wie weit er gewandert sei.

(Schluß folgt.)




 Wider Bonaparte!
 Von Emil Rittershaus.

Ein einig’ Deutschland! Ach, wie lang’ begehrt,
Wie oft ersteht in unsrer Träume Dämmern! –
Nun droht der Fremdling deutschem Hof und Herd,
Und es ist da! Nun muß das Frankenschwert

5
Mit einem Schlage uns zusammenhämmern!

Die Söhne Deutschlands sind von mancher Art,
Doch seit der Mutter Schmach geboten ward,
Giebt’s keinen Grenzstrich mehr auf unsrer Karte,
Da kennen wir nur einen Schrei der Wuth

10
Und einen Kampf auf’s Messer, bis auf’s Blut!

Nur einen Wahlspruch: Nieder Bonaparte!

Nicht jenem Frankreich deutschen Haß und Groll,
Das gern mit uns der Freiheit Banner trüge,
Deß’ Blut in den Decembertagen quoll! –

15
Dem Frevler gilt’s, den Gott verderben soll,

Dem Corsen, jener menschgeword’nen Lüge!
Den Rom verwünscht, das er zu Boden trat,
Dem er zerstampfet seiner Freiheit Saat,
Der sich den Eid brach mit der feilen Lippe,

20
Für ihn Vernichtung! Seine Stund’ ist da!

Für ihn ein Ziel nur, eins: Sanct Helena
Für ihn, für ihn und seine ganze Sippe!

Jahrzehnte hat die feige Welt gebebt
Vor jedem Runzeln seiner Augenbrauen –

25
Ihr Fürsten, die ihr heut’ das Schwert erhebt,

O, dreimal Weh’ euch, wenn ihr Frieden gebt,
Bevor im Staub wir jenen Einen schauen!
Der Völker Blut ist kostbar überaus!
Um keiner Krone willen Kampf und Strauß!

30
Doch ruft wie heut’ das Vaterland um Rache,

Wer böte freudig nicht sein Letztes dar? –
Wir legen alles gern auf den Altar,
Doch nur für ganze, nicht für halbe Sache!

Wer noch im Busen trägt ein deutsches Herz,

35
Dem muß es schlagen heut’ für unser Ringen! –

Kein Weinen um der Trennung bitt’ren Schmerz,
Den Segen jedem, der mit scharfem Erz
Den deutschen Namen will zu Ehren bringen!
Und wär’ entfernt ein Bruder noch so weit

40
Von uns – das Höchste gilt’s! – in dieser Zeit

Kämpft er im Geiste mit in unsern Reihen!
Mit uns, mit uns, was deutsche Sprache spricht!
Kein Deutscher wider uns – in das Gesicht
Des Judas müßte jeder Teufel speien! – –

45
An unsern Rhein hast du die Hand gelegt

Und Hohn geboten uns, dem deutschen Volke,
Dem Volk’, das nie um Ruhmsucht sich geregt!
Wenn dich der Sturm nicht von der Erde fegt,
Dann lebt kein Rächer über Stern und Wolke,

50
Napoleon! – Der Republiken zwei

Hast du getödtet! Horch, der Racheschrei
Steigt aus den Fiebersümpfen von Cayenne!
Dir folgt der Wittwen und der Waisen Fluch! –
Zum Sieg’ voran, du deutsches Fahnentuch,

55
Und wenn das Blut auch d’rum in Strömen ränne!


Den Lohn empfängst du, Corse! Ja, du mußt! – –
Die in der Jugend Kraft als Leichen lagen,
Gemordet für des Cäsars Herrscherlust
(Auch Kaiser Max mit der zerschoss’nen Brust!) –

60
Sie stehn vor Gott, um Einen zu verklagen.

Mit diesem Einen macht die Rechnung glatt
Das deutsche Schwert! – Wohlan denn, Blum’ und Blatt
Des Sommers mag das heiße Herzblut färben!
Wir sterben gern den Tod für’s Vaterland !

65
Auf, nach Paris! Den Degen in die Hand!

Komm, Corse, komm! – Zum Siegen oder Sterben!




Einer der Unversöhnlichen!

Im Haag bewegte sich am Morgen des 28. Juni vom sogenannten „plaats“ aus ein stattlicher Leichenzug nach einem der Friedhöfe der holländischen Residenzstadt; der Himmel war mit düsteren Wolken bedeckt und häufige Regenschauer ergossen sich mit nur kurzen Unterbrechungen über die Häupter der dem Zuge folgenden Menge. Es wurde ein Mann zu Grabe getragen, der mit dem edelsten Herzen und der reinsten Gesinnung für die erhabenste Idee, das Glück und die Freiheit seines Vaterlandes, gekämpft hat, dessen Leben eine ununterbrochene Kette von Täuschungen und schmerzlichen Entbehrungen bildete und der, ebenso wie jener

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_505.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)