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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

durch eiserne Disciplin geknebelten Reihen zahlreiche Exemplare der zügellosen französischen Jugend, unter dem Collectivnamen „gamins de Paris“ bekannt. Ihre Unstätigkeit und Rauflust, in knappe Formen gepreßt, hat dem Vaterlande wesentliche Dienste geleistet, so daß unter den jetzigen (vier) Zuaven-Regimentern fast nur Franzosen und sehr wenig Eingeborene zu finden sein dürften. Den ersten (Garde-) Zuaven anzugehören, ist eine absonderliche Ehre, und dieses Regiment ergänzt sich vorzugsweise aus der Elite der drei übrigen.

Zuave in voller Ausrüstung.

Der Angriff der Zuaven ist stets ein ungestümer, mit überlautem „vive l’empereur!“ verbundener; ihre frühere Weise, nach der ersten Salve zum stürmenden Bajonnetangriff überzugehen, in dem sie eine außerordentliche Wucht entfalteten, hat sich mit der Einführung der Hinterladungs-Handfeuer-Waffen natürlich geändert. Das bei ihnen sehr beliebte Handgemenge kommt jetzt kaum mehr vor; sie haben dafür schießen (anstatt wie früher knallen) und das sogenannte aufgelöste Gefecht lernen müssen. In Beidem haben sie bei ihrer unleugbaren natürlichen Anstelligkeit sich bald zurechtgefunden und sind unzweifelhaft in diesem Augenblicke die besten leichten Infanteristen der französischen Armee. Wären sie zahlreicher (man vergesse nicht, daß jene vier Regimenter, wie man auch in Paris prahlen möge, höchstens je fünfzehnhundert Mann stark sind!), so könnten sie der norddeutschen Armee stellenweise ziemlich gefährlich werden. Als wirksames Gegengewicht besitzt übrigens nach dieser Richtung hin die preußische Armee fünf Regimenter (zwanzigstes, vierundzwanzigstes, fünfunddreißigstes, sechszigstes, vierundsechszigstes) überwiegend Berliner oder doch märkische, mit Spree- oder Havelwasser getaufte, ausgetragene Kinder, die, was Bravour, Manövrirtüchtigkeit und – übermüthige Schelmenstreiche anlangt, jenen zu jeder Minute gewachsen sind und nicht mit Unrecht sich bei Düppel etc. den Namen der preußischen Zuaven erworben haben.

 Spahis.   Europäischer und afrikanischer Turcosofficier.

Der französische Zuave ist schließlich in jeder Beziehung vortrefflich ausgerüstet. Der den kurzgeschorenen Kopf umhüllende, meistens grüne Turban, die rothwollene, eng anliegende gestickte Jacke, die überaus bequemen, weiten Pumphosen, verbunden durch kurze Ledergamaschen mit den praktische Schuhen, die am Hacken mit weichem Wildleder ausgelegt sind, um das Durchreiben zu vermeiden, giebt ihm ein hübsches, wenn auch für deutsche Augen etwas theatralisches Ansehen. Was seine Waffe betrifft, so erhielt er zuerst (mit den grünen Chasseurs de Vincennes) das Chassepot-Gewehr mit dem breiten, geschweiften Haubajonnet. Wir wollen hier gleich unsere offene Meinung, die sich gar bald bestätigen dürfte, abgeben, daß diese Büchse schwerlich, auf die Länge der Zeit, dem seit Jahr und Tag ausgegebenen verbesserten Zündnadelgewehr gewachsen sein wird. Wir können, nach jahrelanger Erfahrung, kein Zutrauen zu einer Schußwaffe haben, zu deren Fertigstellung organische Stoffe (hier ein Kautschuk-Präparat, behufs luftdichter Verpackung der Explosionskammer) erforderlich sind. Ueberdies gestehen selbst geübte französische Corporale ein, daß bei dem Chassepot ziemlich häufige Versager vorkommen, was sie der mangelhaften Herstellung der Patrone, die überdies stark schleimt, zur Last legen, Mißstände, die beim Dreyse-Gewehr nie bemerkt wurden.

Jedenfalls in Anwandlung einer seltsamen Laune hat der Kaiser Napoleon gegen Ende der fünfziger Jahre jener immerhin schätzbaren Truppe einen (man verzeihe den militärischen Kraftausdruck!) „Affenschwanz” in den sogenannten Turcos gegeben. Es läßt sich dies auch nur dadurch erklären, daß der Kaiser in militärischen Dingen (und das sagen nicht wir, sondern erfahrene Genie-Officiere seiner Armee!) über den Dilettantismus nie hinausgekommen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 517. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_517.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)