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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

und Freunde – und draußen, die Hände auf die Herzen gepreßt, die Gattinnen und Mütter, die Schwestern und Kinder, die Bräute und Geliebten – wie hängen mit den letzten Blicken da die Augen aneinander! Wie brennt da das Herz, dem letzten Riß und Ruck entgegenbebend! O, es ist groß, welche Stärke im Menschenherzen ruht, welche Stürme es überstehen kann!

Unserm Künstler verdanken wir das Bild einer solchen Scheidescene auf dem Dresdener Bahnhof. Damals befanden sich auch viele Leipziger Studenten beim Zuge, um sich dem Heere anzuschließen. Ihnen gab der berühmte akademische Gesangverein der „Pauliner“ das Comitat. Da erscholl noch manches wehmüthige und frischmuthige Lied, und am hingebenden Leben der blühendsten Jugend erhob sich da manches niedergedrückte Herz. Es war eine rechte gegenseitige Jugendschmückung, die Studenten mit ihren Liedern, die Mädchen mit ihren Blumen – das warf selbst auf das herbe Weh noch einen Rosenschimmer.

Beim Abschied der einberufenen Studenten auf dem Dresdener Bahnhof in Leipzig.
Nach der Natur aufgenommen von Heubner.

Wieder ein anderes, aber nicht weniger fesselndes Bild gewährte der Abschied unserer beiden Garnison-Bataillone. Viele der Angehörigen unserer Soldaten waren herzugekommen. Die Scheidescenen wurden gleichwohl, nach dem Charakter unseres Volks, mit stillerer Gemüthlichkeit verlaufen sein, wenn nicht die zarten Beziehungen der Dienstmädchen zu dieser Truppe buntes Leben und aufregende Bewegung hineingebracht hätten. Nie aber wich aus diesen Gruppen ein Hauch von Feierlichkeit; der Schmerz heiligt. Erst einige Eisenbahnstunden vom Orte der Trennung entfernt ist der scheidende Mann mit der ersten Verwindung der heimischen Gefühle fertig; er packt sie zusammen, um sie vor der eisernen Hand des Berufs für gelegenere Zeiten – „Steh’ ich in finstrer Mitternacht etc.“ – aufzubewahren.

Auch die kirchliche Weihe der Scheidenden fand – wie im Jahre Dreizehn überall – jetzt hie und da statt. In Lindenau, dem als letzte Raststätte Bonaparte’s nach der Völkerschlacht bekannten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_524.jpg&oldid=- (Version vom 28.1.2019)