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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

zu treffen“. Nach dem Vorfall in Ems zwischen dem Könige Wilhelm und dem französischen Gesandten zweifelte indessen kein verständiger Mensch in London mehr am Kriege, wenn sich auch manche von der Vermittlung Englands viel versprachen.

Viele englische Familien, welche beschlossen hatten, am Ende der Londoner Saison (Ende Juli) nach Deutschland in die Bäder zu gehen, änderten ihren Plan und man hörte die abenteuerlichsten Gerüchte über die Hindernisse und Schwierigkeiten, welche sich einer Reise nach Deutschland entgegenstellen würden. Am zwanzigsten, Morgens fünf Uhr, fuhr ich von London nach Ostende ab, wo wir nach etwa zwölf Stunden ankamen, und fuhr um sieben Uhr weiter nach Köln. In Brüssel war es sehr lebhaft. Die Bierhäuser saßen voll junger Leute, die zur Armee einberufen waren und ziemlich viel Lärm machten; das heißt sie sangen aus vollem Halse patriotische Lieder, die ich aber leider nicht verstehen konnte, da sie in vlämischer Sprache gesungen wurden, die kein civilisirter Mensch außerhalb eines Theils von Belgien versteht.

Die Pferdeaushebung von Düsseldorf.
Nach der Natur aufgenommen von Chr. Sell in Düsseldorf.


Wir hatten unterwegs gehört, daß Köln in Kriegszustand erklärt sei, und waren auf allerlei Scherereien gefaßt; allein wir wurden höchst angenehm überrascht. Die Zollbeamten waren ganz ungewöhnlich höflich, und von dem Kriegszustande wurden wir auf dem Bahnhofe nichts gewahr. Alles ging in der gewöhnlichen Ordnung. Es war allerdings eine Militärwache auf dem Bahnhofe, und eine Menge reisefertiger Officiere gingen ab und zu; allein sie hinderten in keiner Weise das Publicum. Einige Züge mit jubelnden Kriegsreservisten gingen ab; allein Alles geschah mit solcher Ordnung, daß einige englische Reisende, die nach Hause eilten und sehr ängstlich waren, sich nicht genug verwundern konnten. Ein kleiner Abstecher rheinabwärts führte mich noch in nämlicher Nacht nach Düsseldorf, wo ich am nächsten Morgen einer höchst interessanten Pferdeaushebung beiwohnte. Die vornehmsten Häuser der Stadt und Umgebung hatten dazu ihre schlanken schönen Thiere von den Equipagen weg hergeben müssen, und neben diesen Vertretern edler Rosse stampften die plumpen Ackerpferde der umliegenden Dörfer ungeduldig den Boden; in rascher Folge aber wurden auch sie vor die Augen der Musterungscommission geführt, um unter dem Druck einer kräftigen Husarenhand das Zeugniß ihrer Tüchtigkeit in Form eines ungewohnten und schwerfälligen Galopps abzulegen. Das von Herrn Maler Sell entworfene Bild giebt eine sehr lebendige Vorstellung von diesem muntern Treiben.

Noch am nämlichen Tage fuhr ich nach Coblenz ab. Vor Köln sah ich die ersten Opfer des Krieges, die Leichen schöner Bäume, die man auf dem Glacis der Festungswerke da niedergehauen hatte, wo sie in der Schußlinie standen. Man hat nämlich sehr gut gefunden nicht alle auf den Glacis stehenden Bäume und Gesträuche zu entfernen, wie es nach früheren Annahmen geschehen mußte, und behauptet im Gegenteil, daß es vortheilhaft sei, Bäume und Buschwerk so viel als möglich stehen zu lassen, da sie die Werke maskirten und ein Recognosciren derselben verhinderten. Ueberall waren Arbeiter beschäftigt, die Werke mit Palissaden zu versehen, die in Friedenszeiten niemals gesetzt werden.

In Coblenz wollte ich mich orientiren und meine Bewegungen regeln. Ich wußte, daß hier Prinz Felix Salm ein Bataillon im vierten Garde-Grenadier-Regiment befehligte, ging sogleich mit Sack und Pack zu ihm und blieb, bis er mit dem Regiment am 26. Juli abmarschirte.

Das Leben auf den Straßen in Coblenz war bewegter als in Köln. Man sah überall eben angekommene Kriegsreservisten, ihre Kriegsmedaillen auf den Röcken und Blousen und reges militärisches Treiben. Die Reservisten warteten zum Theil gar nicht die Aufforderung ab, sich zu stellen, sondern stießen zu ihren Regimentern, sobald die Nachricht von der Kriegserklärung zu ihnen kam; unter anderen thaten das diejenigen aus dem Gebiete von Saarbrücken, und die Regierung ließ ihnen ihren Gehalt für drei Monate vorausbezahlen, damit sie Sorge für ihre Familien treffen könnten.

Prinz Salm hatte natürlich das Kriegsfieber. Er zählte die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 533. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_533.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)