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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

darbringt, ist nichts als Weihrauch für Euren Hochmuth! Und nun hört, was ich beschlossen habe, was ich will, was ich durchsetzen werde, da ich ja doch der einzige Vernünftige unter Euch Allen bin, obwohl genug geschehen ist, um mich um mein bischen Verstand zu bringen! Ich reise mit dem da – er ist ja viel zu schüchtern und muthlos, um so etwas selber durchzusetzen, nach Rom zum Papst, und laß ihm den dummen schwarzen Rock ausziehen, den er angezogen hat, als er noch gar nicht wußte, was er that; ich werde mit dem alten Manne in Rom schon reden, ich werde ihm Geld, viel Geld für irgend eine Brüderschaft, ein Kloster, eine Stiftung, an der sein Herz hängt, geben, und er wird ja doch Vernunft annehmen …“

„Dazu müßt’ ich doch meine Einwilligung geben,“ sagte Heinrich die Lippen fest zusammenpressend.

„Unterdeß,“ fuhr Annette, ohne auf diesen Einspruch zu achten, eifrig fort, „bleiben Sie, Graf, hier in Maurach und bleiben für immer hier, denn ich bedarf eines Beistandes und Freundes, der mir meine Herrschaft, all’ mein reiches Gut ehrlich verwaltet. Ich bedarf dessen, ich wüßte nicht einen Tag lang fertig zu werden ohne einen solchen Beistand, und ich will deshalb nicht, daß Sie je von hier gehen – ich will es nicht, hören Sie, Graf, – und soll ich die Erbin von Allem sein, um meinen Willen nicht zu haben? Aber ich will noch mehr; ich will, daß mein Reichsverweser und Statthalter ein solider verheiratheter Mann sei, den eine verständige Frau im Zügel hält; glauben Sie, ich würde einem so wilden, ruchlosen Menschen, wie Sie sind, Graf, vertrauen, wenn Sie nicht Melusine neben sich hätten? Nimmermehr, und nun gehen Sie, bieten Sie ihr Ihre Hand an, und nehmen Sie mir wenigstens die Sorge dafür ab …“

Graf Ulrich schüttelte traurig den Kopf, Heinrich aber sagte leise:

„Du bist ein Kind mit diesen Plänen, Annette …“

„Und habt Ihr bessere?“ unterbrach sie ihn aufwallend, „sprich, habt Ihr bessere? Nein, Ihr habt sie nicht, aber ich habe einen besseren im Rückhalte, wenn Ihr Euch widersetzt, um Euch Alle zu strafen …“

„Und der wäre?“ fragte Graf Ulrich.

„Der ist,“ sagte sie heftig, „und ich schwöre Euch, daß es mein heiliger Ernst ist – der ist, unsrem Pfarrer unter der Bedingung, daß er Heinrich die Lösung von seinen Gelübden verschafft, ganz Maurach mit Allem, was dazu gehört, zu einer Stiftung, einem Hospital, einem Waisenhause zu übergeben. Macht Euch darauf gefaßt, daß dies geschieht, und dann, dann habt Ihr Alle nichts, sammt und sonders, und die arme Thurmschwalbe ist dann so arm, nein, viel ärmer als zuvor. Jetzt überlegt’s, ob es Euch praktisch erscheint, bei Euren Ehrenscrupeln zu verharren!“

(Schluß folgt.)




Der letzte Krieg um den Rhein.
Nr. 3. Im Bivouac der sächsischen Truppen.

Das Leben im Bivouac, das den meisten Ihrer geehrten Leser aus Friedenszeiten bekannt sein dürfte, nimmt im Kriege, durch die Noth und den Ernst der Verhältnisse bedingt, einen ganz neuen, ursprünglicheren Charakter an. Wie viele Rücksichten, die der Friede dem Soldaten auferlegt in Bezug auf Situirung des Lagerplatzes und Herbeischaffung von Lebensmitteln, fallen im Kriege zum größten Theile weg, und das praktische Bedürfniß des Soldaten tritt in den Vordergrund. Ein Bivouac, das diesem vor Allem entsprach und das jedem Theilnehmer in der freundlichsten Erinnerung bleiben wird, war das erste Bivouac des Schützenregiments am 6. August bei Kaiserslautern.

Das Hauptquartier des Kronprinzen von Sachsen in Homburg in der Pfalz 7. August.
Nach einer Skizze von Gey.


Gegen ein Uhr langten wir hungrig und müde bei gelindem Regen in einem herrlich grünen Thalkessel an, der fast auf allen Seiten durch steil ansteigende Wiesen und Wälder begrenzt war. Kurz nach unserer Ankunft hellte sich das Wetter auf, und bei herrlichem Sonnenscheine begann sich das fröhlichste Lagerleben zu entwickeln. Nachdem im Grunde die Bataillone die Gewehre in symmetrischer Ordnung zusammengestellt hatten, eilte jeder den ihm zufallenden Theil der Arbeit auszuführen. Während die Zimmerleute theils am Berge die nöthigen Kochlöcher gruben, theils in den Wald eilten, um Bäume zu fällen, wendete sich eine Abtheilung einem nahen klaren Wasser, dem Lauterbach zu, um das zum Kochen und Trinken nöthige Wasser zu holen. Andere „fassen“ Fleisch, Reis, Salz, Brod und Kaffee, während noch Andere das Stroh zum Nachtlager herbeischaffen. Von den herbeigeschleppten Bäumen werden eiligst mit dem Seitengewehr die Aeste entfernt, und während mit unglaublicher Schnelle riesige Flammen zum Himmel lodern, entstehen unter der Hand geschäftiger Künstler an der Berglehne hin wohnliche Laubhüttem. Das fertig gewordene Mahl, gewürzt durch einen Trunk aus der Feldflasche oder ein Glas Bier, das der vielumschwärmte Marketender herbeigeschafft hat, vereinigt endlich die verschiedenen Corporalschaften, und nach demselben giebt sich jeder, dem Charakterbedürfniß nach, entweder dem Reinigen seiner Waffen und Montirung oder eifriger Unterhaltung oder auch dem Schlafe hin. Unterdessen wird es Abend, die Feuer lodern heller und heller, der Mond und die Sterne finden sich nach und nach ein und die andächtige Ruhe einer klaren Augustnacht lagert sich mehr und mehr über das rührige Treiben. Der Anblick des Lagers um diese Zeit von der Höhe, wo der einsame Posten das wachsame Auge nach allen Seiten hinsandte, war ein so rein poetischer und malerischer, noch gehoben durch die melancholischen Klänge der Retraite, daß er eine ganze Woche mühseliger Strapazen aufwog.

Einen ganz anderen Charakter trug hingegen das Bivouac, das wir zwei Tage später bei Erbach und Homburg bezogen. In

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 592. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_592.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2019)