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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Franzmann, er ist ein Artillerist, macht ein ganz vergnügtes Gesicht, als er sieht, daß er denselben Weg, den er gekommen ist, nicht zurückgebracht wird, sondern nach Deutschland zu, da bekanntlich Deserteure nicht ausgeliefert werden. Der Aufenthalt in einer deutschen Festung muß ihm angenehmer erscheinen, als Metz; dort bekommt er zu essen, und in Metz war Schmalhans Küchenmeister.

„Zwei Worte inhaltsschwer“ gehen alltäglich von diesem unserem Centralpunkte aus, und an diesen zwei Worten mag der Laie am besten erkennen, was militärische Organisation bedeutet. Gegen zwei Uhr Mittags kommen jüngere verschiedenen Regimentern angehörende Cavallerieofficiere in den Hof geritten. Es sind die Ordonnanzofficiere der rund um Metz liegenden Armeecorps. Sie sitzen ab und begeben sich in das Bureau, dort empfangen sie von jenem Stabsofficier in Dragoneruniform, es ist der Adjutant des Obercommandos Major von Niesewandt, die Tagesbefehle, er giebt auch die erwähnten zwei oder auch drei Worte aus, ein zusammengesetztes oder zwei kurze, die Losung und dazu einen Namen, das Feldgeschrei. Mit Einbruch der Dunkelheit geht dieses Erkennungszeichen, ob Freund oder Feind in der Nacht den Posten nahe, durch die ganze um Metz liegende Armee und wehe dem, der nach sieben Uhr von einem Spaziergange über die Posten hinaus, in seinen Wohnort zurückkehrend, dasselbe nicht zu nennen weiß! Er hat die angenehme Aussicht, diesem bis zur Ablösung des Postens höchst unfreiwillige Gesellschaft zu leisten, oder gar eine blaue Bohne zu erhalten, wenn er nichtsdestoweniger weiterzugehen sich unterfangen sollte.


In den Parallelen einer belagerten Festung.
Von Friedrich Gerstäcker.

Die Leser der Gartenlaube haben gewiß so viel von den Parallelen vor Straßburg, von Glacis, innerer Enceinte, Couronnement, Ravelins, Bastionen, Courtinen, und wie die technischen Ausdrücke praktischer Militärs heißen gehört, daß ihnen als Laien

Gezogene Riesenmörser vor Straßburg.
Nach der Natur aufgenommen am 28. September von R. Heck.

Geschoß 154 Pfund – 10 Pfund Sprengladung. – Gesammtgewicht 164 Pfund. – Pulverladung des Rohrs 8 Pfund. – Sichere Treffweite 4500 Schritt. – Rohrgewicht 6384 Pfund. – Lafette 6 Centner.

der Kopf geschwindelt hat. Ich möchte deshalb ebenfalls als Laie versuchen, ihnen mit kurzen Worten einen Ueberblick solcher Belagerungsarbeiten zu geben, ohne dabei einen für sie unverständlichen Ausdruck zu gebrauchen.

Um an eine Festung hinanzukommen, ohne zu schwer durch die Geschütze derselben wie durch die Flintenkugeln belästigt und geschädigt zu werden, graben sich die Belagerer tiefe Gänge aus, in deren Schutz sie dann allmählich näher rücken, bis ihre Belagerungsgeschütze Bresche, das heißt eine weite Oeffnung, in die Wälle geschossen haben und ein Sturm dann aus unmittelbarer Nähe gewagt werden kann. Das ist der eigentliche Sinn und Zweck der Belagerungsarbeiten. Die Ausführung geschieht sodann folgendermaßen.

Zuerst wird die so oft genannte „erste Parallele“ ausgeworfen, und zwar ein etwa vier bis fünf Fuß tiefer Graben, der mit dem von den Festungswerken beschriebenen Bogen parallel läuft, indem er sie in einem Halbkreis umzieht. Die Erde wirft man natürlich nach der Seite der Festung aus, und dadurch bildet sich eine feste Umwallung, die bei neun bis zehn Fuß Höhe die dahinter befindlichen Soldaten vollkommen gegen jedes Gewehrfeuer, wie auch Geschosse schützt, so lange diese nicht von oben herunter in die Gräben einschlagen.

Hier in der ersten Parallele werden nun schon schwere Geschütze aufgestellt, und es gilt jetzt eine zweite, der Festung näher liegende Parallele herzustellen, das heißt vielleicht hundert Schritte weiter vorzurücken und doch dabei geschützt zu bleiben.

Darin liegt nun die Hauptschwierigkeit, denn die aus der ersten Parallele herauslaufenden Gräben, die sich der Festung jetzt nähern, müssen so eingeschnitten werden, daß man sie von den Wällen aus nicht beschießen kann, also entweder, wenn das Terrain günstig ist, in schräger und dann wieder scharf einbiegender Richtung, wie ein Schiff auf offener See bei ungünstiger Brise gegen den Wind an lavirt, oder auch in ganz kurzen Zickzacks, um dem Gegner so wenig als möglich offenen Graben zu zeigen, bis man die Stelle erreicht, wo die zweite Parallele ausgeworfen werden soll. Dann beginnt der Halbkreisbogen von Neuem; Geschütze

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 733. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_733.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)