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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Bei den Cernirungstruppen.
Erinnerungen an die Tage vor Metz.


„Gott sei Lob und Dank, das freut uns für unsere armen Soldaten!“ So riefen Tausende in Deutschland, als die Nachricht der Uebergabe von Metz kam. Nicht die Großartigkeit des Triumphs und das Ungeheuerliche dieser feindlichen Niederlage bestimmte den ersten Eindruck, sondern die Theilnahme für die braven Kämpfer, welche dort nur allzulange den gesundheitsfeindlichsten Unbilden der Witterung preisgegeben waren. Die Krankenzüge, die von Metz her nach Deutschland kamen, stellten dem dortigen Lagerleben gar betrübende Zeugnisse aus.

Beim Baierischen in Fleury vor Metz.
Nach der Natur aufgenommen von Chr. Sell.

Erst nachdem die böse Regenzeit vorüber war, kam auch in unsere Berichterstatter wieder Leben, und einer dieser Wandervögel erzählte uns Eingehendes von dort Erlebtem und Erschautem, wovon wir auch jetzt, nachdem der Siegesjubel den Soldaten alle ausgestandene Drangsal vergessen läßt, wenigstens das Wesentlichste mittheilen, denn unseren Lesern würde ein ebenso leichtes Gedächtniß weniger gut anstehen und für ihre Dankbarkeit gegen unsere Truppen ein gar zu gefährliches Fundament bilden.

„Der heiterste Himmel,“ so schreibt uns H. v. B., „begünstigte am 11. September den Marsch eines kleinen Commandos einer von Wunden und Krankheiten wiedergenesenen Mannschaft, die von Pont à Mousson gegen Metz aufbrach. Ihr schloß ich mich sofort an, warf mein Gepäck auf den Bagagewagen und marschirte wohlgemuth mit vorwärts. Die Landschaft am linken Moselufer hin gemahnte mich an die von Gebirgsausläufern durchzogenen Gegenden Thüringens und Frankens.

Nachdem wir in Novéant, des eigenen Proviants bereits bar, Wein, Brod und Speck aus einem Johanniterdepôt erlangt und auf Gartenmauern und Holzstößen sitzend Alles rein aufgezehrt hatten, theilte sich unsere Schaar und ich folgte der Hauptmacht auf das rechte Moselufer, um das achte und siebente Armeecorps aufzusuchen. Von ersterem fanden wir, nachdem wir Corny mit dem dermaligen Residenzschlößchen des Prinzen Friedrich Karl passirt, in Jouy das Hauptquartier des Generals von Goeben. Da zugleich General von Steinmetz damals noch sein Hauptquartier hier hatte, so war der Ort bis auf den obersten Boden und bis auf die letzte Kammer jedes Hauses mit Soldaten angefüllt. Die Bivouacs standen meist verlassen, aber auch die Pappelreihen waren verschwunden, welche die Chaussee geschmückt hatten. Der Anblick eines Parkwaldes erfreute uns erst wieder bei dem Landschloß Frescaty, in welchem noch im August Napoleon sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Unsere Patrouillen waren ganz entzückt über die Anmuth der innern Einrichtung und die Schonung, die bis dahin auch der prachtvollen Bibliothek zu Theil geworden war. Sogar ein Kinderschlafzimmer enthielt noch all’ die zierlichen Schmucksachen und Spielgeräthe in dem liebenswürdigen Durcheinander, als ob die Kleinen sie eben erst verlassen hätten. Ob und wie sie’s wohl wiederfinden mögen?

Wir waren längst mitten im Cernirungsbereich marschirt, als wir gegen Abend in Marly sur Seille Halt machten. Kaum achthundert Schritte von den äußersten feindlichen Vorposten entfernt,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 769. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_769.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)