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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


Inzwischen lag Gertrud halbohnmächtig in den Armen Hermann’s, der sich mit einem Ausdruck von Zärtlichkeit zu ihr hinabbeugte, wie ihn die Großmutter noch niemals in seinen kalten, festen Zügen gesehen hatte. Die so heiß verlangte Gewißheit war ihm ja nun geworden, er wußte jetzt auch, für wen sie gestern gezittert.

Aber das energische Mädchen unterlag nur wenige Minuten der furchtbaren Aufregung, sie richtete sich empor und machte sich von seinen Armen los.

„Sie sind gerettet, Graf Arnau. – Leben Sie wohl!“

Er stand wie vom Donner gerührt. „Gertrud, um Gotteswillen, was soll das?“

„Ich verlasse das Haus noch in dieser Stunde. Halten Sie mich nicht zurück, es muß sein.“

„Und meinst Du wirklich,“ rief Hermann, „ich werde Dich gehen lassen? O, jetzt schreckt mich Deine Unbegreiflichkeit nicht mehr. Mit diesem Opfer hast Du mir ein Recht auf Dich gegeben, ich werde es zu behaupten wissen.“

Gertrud sah ihn einen Moment mit tiefem Ernste an.

„Nein,“ sagte sie dann, „mit diesem Opfer habe ich jedes Band zwischen uns auf immer zerrissen. Das Geschehene existirt nicht für die Welt, und die Tochter des Betrügers Brand kann niemals die Gattin des Grafen Arnau sein.“

Er nahm sanft ihre beiden Hände. „Gertrud, nicht diese Bitterkeit. Traust Du mir nicht die Kraft zu, mein Weib gegen das Vorurtheil zu schützen?“

„Ihr Weib vielleicht, aber nicht sich selbst. Mein wahrer Name kann nicht verschwiegen bleiben, sobald ich aus der Abhängigkeit und Verborgenheit hervortrete, und ich habe lange genug in aristokratischen Familien gelebt, um zu wissen, wie man dort über solche Punkte denkt. Man würde Ihnen die bürgerliche Gattin kaum verzeihen, die beschimpfte nie. Sie würden den fortwährenden Anfeindungen erliegen, und schließlich doch das so sehr gehaßte Dunkel des Privatlebens aufsuchen müssen – um meinetwillen.“

Die Präsidentin, die bisher wie vernichtet dagestanden, athmete wieder auf bei diesen Worten, deren Wirkung auf ihren Enkel ihr nicht entging. Er mochte wohl selbst die unumstößliche Wahrheit derselben empfinden, aber noch sträubte er sich dagegen.

„Gertrud, wir können in dieser Stunde, unter dem Einfluß dieser Aufregung, keinen endgültigen Entschluß über unsere Zukunft fassen. Versprechen Sie mir später –“

„Nicht später,“ unterbrach sie ihn fest, „jetzt muß das Wort der Trennung ausgesprochen werden. Graf Arnau, Sie kennen die Verhältnisse unseres Landes und Hofes besser als jeder Andere – antworten Sie mir! Kann Ihr Einfluß, Ihre Laufbahn noch ferner bestehen, wenn Sie mit dem gesammten Adel und dem Fürstenhause brechen?“

Der Graf sah zu Boden, er hatte keine Antwort.

„Ich wußte es! Und nun hören Sie mein letztes Wort. Ich will das schwere Opfer nicht umsonst gebracht haben, und deshalb kann ich unter den einmal bestehenden Verhältnissen nie Ihr Weib werden. Versuchen Sie nicht, mich aufzufinden oder umzustimmen, es würde vergebens sein. Ich rette mit diesem Entschluß Ihre Zukunft und diese wiegt bei einer Natur wie die Ihrige wohl die Liebe eines Weibes auf. Leben Sie wohl!“

Es klang doch eine unendliche Bitterkeit aus den letzten Worten, aber sie ließ ihm keine Zeit zur Erwiderung, sondern schritt hochaufgerichtet nach der Thür; hier aber trat ihr die Präsidentin entgegen. Sie reichte ihr wortlos, aber in tiefster innerster Bewegung beide Hände. Nur einen Moment lang legte Gertrud die ihrige hinein, dann verschwand sie im anstoßenden Zimmer.

Die Präsidentin trat zu ihrem Enkel und legte die Hand auf seine Schulter. „Danke es der Hochherzigkeit des Mädchens, Hermann, daß sie Dich vor einer Thorheit bewahrte, an der Du Dein Lebenlang zu büßen hättest. Sie rettete Dich und uns Alle!“

Der Graf antwortete nicht, er blickte unverwandt nach der Thür, die sich hinter Gertrud geschlossen hatte.

Die Präsidentin beugte sich nieder und hob sorgfältig jeden einzelnen Fetzen des zerrissenen Papiers vom Boden auf, dann zündete sie ein Licht an und hielt die Stücke über die Flamme. Sie loderten auf, und als das letzte in Staub und Asche niedersank, athmete die alte Frau tief auf. „Gott sei Dank! Jetzt ist das Unheil zu Ende!“

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


Die Kinder-Christgaben für Elsaß-Lothringen sind, im Verhältniß zu den vielen Ansprüchen unserer schweren Zeit, reichlich und rührend schön geflossen. „Unsern kleinen deutschen Schwestern und Brüdern in Elsaß und Lothringen zur Weihnachtsfreude etc.“ – „Lieber Onkel Keil! Sei so gut und besorge diese drei Thaler mit zu Deiner Bescheerung für die armen Kinder in Elsaß und Lothringen. Mit herzlichem Gruß verbleihen wir Deine Dich liebenden Max, Otto und Anna W… in Langensalza.“ – „Sparbüchsen hat kein einziges Kind in unserer Schule, denn unser Gebirgsdorf ist arm, – aber gesammelt haben wir doch und schicken es Ihnen für unsere kleinen Brüder und Schwestern überm Rhein etc.“ – „Beifolgend schicke ich Ihnen meine ganze Sparbüchse für die lieben Kinder in Elsaß und Lothringen. Es grüßt Sie herzlich Ihr Johannes, neun Jahr alt etc.“ – „Zum heiligen Christfest für die kleinen Elsasser und Lothringer schicken Ihnen ihre Sparpfennige Hermann und Gertrud aus Prag etc.“ – „Beifolgend siebenzig Thaler, Erlös einer von uns veranstalteten Handarbeitslotterie, als Weihnachtsgabe für die armen Straßburger Kinder, die durch den Krieg verwaist sind. Mehrere junge Mädchen in Ostpreußen“ – Das sind nur einige der vielen Zuschriften mit den Christfestgaben, – aber sie reden lauter, als der größte Zeitungsartikel für das Herz unserer Jugend. Ein so aufgefaßtes Liebeswerk ist beharrlicher Natur und wird auch Haß und Widerwillen, die sich ihm entgegenstellen könnten, endlich überwinden.




Kleiner Briefkasten.

R. in Hamm. Ihnen sowohl wie allen übrigen Subscribenten der „Neuen Gedichte“ von Emil Rittershaus die Mittheilung, daß sofort nach dem Friedensschlusse die durch den Krieg unterbrochene Herausgabe jenes Buches erfolgen soll. Der Dichter wird dieser Sammlung auch die patriotischen Gedichte aus dem Jahre 1870 hinzufügen und hat trotz mehrfacher Anerbietungen auf die Separat-Ausgabe der Kriegslieder verzichtet, um den Subscribenten einen Ersatz für das verzögerte Erscheinen zu bieten und in den „Neuen Gedichten“ ein vollständiges Bild seines dichterischen Schaffens in den letzten Jahrzehnten zu geben.

Dr. F. Schlimm genug, wenn selbst Berliner Blätter über die Ausrüstung preußischer Soldaten so schlecht unterrichtet sind, daß sie in Form von Belehrung Irrthümer aller Art zu Tage fördern Wenn z. B. das „Berliner Fremdenblatt“ Nr. 293 behauptet, das Sell’sche Bild in Nr. 47 der Gartenlaube sei falsch, da die Kürassiere niemals Lanzen geführt, so hätte das genannte Blatt vorher die Auskunft des ersten besten Unterofficiers einholen sollen, der es sofort überzeugt haben würde, daß in der preußischen Armee die sogenannten „Landwehrreiter“ in Kürassierrock und Küraßhelm, aber ohne Küraß, allerdings Lanzen führen, das Sell'sche Bild also ganz richtig war, wie denn von einem so tüchtigen Maler und Kenner der preußischen Armee, wie Sell, derartige Schnitzer überhaupt nicht zu befürchten sind.

Fräulein S. in Berlin. Sowohl Marlitt wie der Verfasser des „Hermann“, C. Werner, arbeiten an größeren Erzählungen, die im Laufe des nächsten Jahrgangs erscheinen werden. Sie werden sich schon nächstens überzeugen, daß die besten Kräfte der deutschen Novellistik für den kommenden Jahrgang der Gartenlaube Beiträge liefern.

M. in M. Mit Recht ertönt überall das Lob der wackeren preußischen Ulanen. Wenn aber in den Zeitungsberichten von den Thaten der Ulanen überhaupt die Rede ist, so dürfen Sie noch nicht den Schluß ziehen, daß es nur preußische Ulanen waren, welche die kühnen Reiterstückchen ausführten. Die bairischen Ulanen z. B. wurden von Marsal bis Paris stets als die äußerste Vorhut verwendet, und sie waren es auch, die zuerst in Nogent, Nangis, Provins, Morment, Melun etc. einrückten, nicht die preußischen.

H. F. in Hainfeld. Daß Sie dem Jahre 1866 und seinen Einquartierungen eine so treue Erinnerung bewahren, spricht für Ihr Herz. Aber daß die Gartenlaube Erkundigungen einziehen soll, ob jene Herren „den Kampf gegen Frankreich mitgemacht, und ob selbe lebend diesem entsetzlichen Massacre entgingen“ – das scheint uns doch allzu viel verlangt. So gern wir auch sonst allen, auch den zartesten Wünschen unserer freundlichen Leserinnen nachkommen, so dürfte uns doch einem solchen Verlangen gegenüber, das gewiß in kürzester Frist reichliche Nachahmung finden würde, Zeit und Raum in gleichem Maße mangeln.

A. M. Z. Wir bitten Sie, über Ihre Novelle zu verfügen.



Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das vierte Quartal unserer Zeitschrift. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, die Bestellungen auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Verlagshandlung.

Geschmackvolle Decken zum Einbinden der Gartenlaube sind durch alle Buchhandlungen auch zum Jahrgang 1870 zu
den billigen Preise von 13 Ngr. zu beziehen.
Die Verlagshandlung.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. - Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 868. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_868.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)