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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

einer kleiner Lampe Tausende und Abertausende von Stichen ausführen, um die bevorzugten Schwestern in der Großstadt schmücken zu helfen.

Mit der Außenwelt steht der Mensch in den Bergen zur Winterszeit in geringem Verkehr. Doch ist dieser, die höchstgelegenen Orte und Einzelhöfe abgerechnet, nur zeitenweise ganz eingestellt. Schon im Spätherbste werden die zum Hauptdorf führenden Pfade mit aufgesteckten Stangen bezeichnet, welche hoch genug sind, um auch nach dem stärksten Schneefalle aus den Schneemassen hervorragen zu können. Auf den Hauptverbindungswegen in den Thälern wird zuweilen der Schnee ausgeschaufelt oder mit großen hölzernen Schneepflügen beseitigt, und zu diesen winterlichen Arbeiten vereinigen sich oft sämmtliche Bewohner einer Gemeinde. An Sonn- und Feiertagen wandeln die Bergler zur Kirche, und treffen sich dann in den Wirthschaften des Pfarrdorfes, um in denselben einige Stunden zuzubringen, gemeindliche Angelegenheiten zu besprechen u. dgl. Hier und da kommen auch wohl Jäger in die abgelegenen Winkel, um Alpenhasen und Füchsen nachzuspüren und kehren dann auch in den einsamen Gebirgshäusern ein, in denen sie sich nach frostiger Wanderung erwärmen. Kindstaufen und Hochzeiten geben auch im Winter willkommene Gelegenheit zu ländlichen Festen, wodurch ebenfalls einige Abwechselung in das einförmige Leben der Bergbewohner gebracht wird. Auch Gevatter Tod, welcher bekanntlich weder Sonnengluth, noch das wildeste Schneegestöber scheut, macht zuweilen seine Wanderungen in die Hochalpen und giebt hierdurch ihren Bewohnern Veranlassung, zusammenzukommen, um Leid und Trost bei der letzten Thalfahrt eines Dahingeschiedenen auszutauschen. Von allen Seiten steigen dann die schwarzbekleideten Gestalten auf den beeisten Bergpfaden von den beschneiten Höhen herunter und wandeln dem Pfarrdorfe zu, dessen Kirchthurm tief unten im Thale die niedrigen wetterbraunen Holzhäuser überragt. Es ist übrigens schon vorgekommen, daß haushohe Schneewälle den Transport und die Beerdigung der Leichen aus hochgelegenen Berghütten unmöglich machten, und in solchen Fällen werden dieselben in den oberen Räumen des Hauses bis zum Eintritte günstiger Witterungsverhältnisse aufbewahrt. Die schneidende Kälte, die monatelang in solchen unzugänglichen Bergwinkeln herrscht, schützt die Leichen vor Verwesung.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


Zu einem Denkmal für Ernst Moritz Arndt ist an seinem hundertjährigen Geburtstage, am 26. December 1869, auf dem Rugard bei Bergen auf der Insel Rügen, seinem Geburtslande, der Grundstein gelegt worden, und es beginnt bereits auf diesem höchsten Punkte des größten deutschen Eilandes das Denkmal in Form eines Wartthurmes emporzusteigen.

Von neunzehn Zeichnungen, welche deutsche Architekten für den Bau einsandten, hat die Beurtheilungs-Commission des Architektenvereins zu Berlin auf Veranlassung des Baucomités die Wahl getroffen und den von dem Baumeister Eggert in Berlin gezeichneten Thurm, welcher auf S. 116 dieser Nummer der Gartenlaube bildlich dargestellt ist, als den passendsten Entwurf empfohlen. In ihrer Beurtheilung macht die Commission an das Denkmal für Arndt folgende Anforderung: „Die äußere Gestaltung muß neben dem praktischen Zwecke eines Aussichtsthurmes in erster Linie den Eindruck eines Ehrendenkmals erwecken, da durch dieses Bauwerk das deutsche Vaterland die Stätte ehren will, wo Arndt geboren und wo er oft genug, ein Flüchtling von deutscher Erde, hinüber gesehen hat in das deutsche Vaterland.“ Dieser Anforderung – sagt die Beurtheilung – entspricht der Eggert’sche Entwurf am meisten. Deshalb hat das Comité den Bau dieses Thurmes begonnen.

Eine etwa zehn Fuß hohe aufgeschüttete Terrasse bereitet die nächste landschaftliche Umgebung für das Bauwerk architektonisch vor. In untereinander wohl abgewogenen Höhenverhältnissen erhebt sich fast neunzig Fuß hoch ein Rundthurm in drei Geschossen, das untere Geschoß mit tiefen gegen außen sich öffnenden Nischen, zum Schutze gegen Wind und Wetter. In der Mitte führt eine Wendeltreppe zum zweiten und dritten Geschoß, und von dort zur Rundschau unterhalb der Kuppel. Das Mauerwerk von rothen Ziegeln ist durch dunkle Glasuren passend verziert. Die derbe Ziegelbauart hat allzu zarte und feine Details in den Gesimsen etc. glücklich vermieden.

Das erste Geschoß steht im Rohbau vollendet. Ueber den die Nischen bildenden Pfeilern läuft rings um das zweite Geschoß ein genügend breiter und mit einer Brüstung versehener Umgang, von wo Denen, welche nicht höher steigen wollen, der Ueberblick über die reizende Insel frei ist. In seiner Vollendung wird das schöne Bauwerk weit hinaus leuchten auf das Meer, ein Merkzeichen deutschen Landes, an dieser weihevollen Stätte dem Andenken des großen Vaterlandsfreundes würdig.

Unsere Leser kennen das Bild, welches vom Arndtthurm ihnen sich aufthun wird; eine Illustration, die wir im Frühling desselben Jahres (1870, Nr. 5) mittheilten, in welchem endlich, nach fünfundsechzig Jahren, des Schicksals Antwort kam auf die weltbekannte Frage des alten Heldenbarden: „Was ist des Deutschen Vaterland?“ – gestattete uns einen Blick in die den Rugard umgebende Naturpracht. Der Thurm wird auf jener Höhe Tausende erfreuen und mit der Erinnerung als „den alten Arndt“ den doppelten Dank erwecken, daß er ein solcher Mann war, dem man hier einen solchen Ehrenthurm erbauen mußte.

Umsomehr wäre es aber zu beklagen, wenn dieser „deutsche Ehrenthurm“ das Schicksal des babylonischen Thurmes oder des Gothaischen Museums theilen, d. h. in Folge des neuesten traurigen inneren Parteikrieges oder aus Geldmangel unvollendet bleiben müßte. Eine solche Schmach darf uns nicht treffen! Und wer kann und muß da ist erster Linie hervortreten, um in der würdigsten Weise die fehlenden Mittel zu beschaffen? Die große Gesammtheit unserer Liedertafeln und Sängervereine ist es, ihr steht die Macht zu Gebote, Volk und Volkesgeld herbeizuziehen zu einer Sängerthat für den Sänger der That, für das reinste Spiegelbild des „deutschen Gewissens“! Wir sind überzeugt, daß unsere deutschen Sänger ihre Pflicht verstehen und thun!




Ein Brief Schleiermachter’s. Nachstehender Brief, welcher – leider ohne Datum – durch die Güte einer entfernten Verwandten des großen Theologen in unsere Hände gelangte, stammt nachweislich aus der zweiten Hälfte des zweiten oder aus der ersten des dritten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts und wurde von Schleiermacher an einen ihm verschwägerten jungen Theologen gerichtet. Zum Verständnisse des Briefes schicken wir voran, daß der Adressat, welcher sich später um das praktische Schulwesen Preußens ein hervorragendes Verdienst erworben hat, gerade glücklicher Bräutigam geworden war. Zum Abdrucke des bisher noch nicht veröffentlichten Briefes veranlaßte uns der in demselben enthaltene schöne und echt männliche Anspruch Schleiermacher’s über die Berufserfüllung des Mannes und seine davon auch innerlich abhängige Stellung zum weiblichen Herzen. Der Brief lautet:

„Schon lange habe ich Ihnen danken wollen für das Vertrauen, das Sie mir bewiesen, und für die Art, wie Sie mich in Ihr Leben hineinschauen lassen. Nur weil ich gern ausführlich schreiben wollte, ist es immer unterblieben, und nun werde ich auch heute nur in wenige Worte zusammendrängen müssen, was ich Ihnen sagen möchte.

Die Art, wie sich Manches schon in Ihrem früheren Leben auf das Glück, dessen Sie sich jetzt erfreuen, bezieht, und wie Sie sich im Vergleich mit früheren Zuständen beruhigt fühlen, das muß Ihnen noch eine höhere Bürgschaft geben von der Wahrheit und Sicherheit desselben. Mir ist nun bei Ihrer Darstellung Etwas eingefallen, das ich nicht umhin kann, Ihnen mitzutheilen; daß nämlich doch nicht Alles, was früher in Ihnen unstät und unruhig war, sich auf dieses Bedürfniß des Herzens bezogen hat, und daß Sie sich leicht in ein tiefes Mißverständniß verwickeln können, wenn Sie sich ganz gestillt glauben. – Den Mann treibt in seinem Innern noch etwas Anderes; er muß einen Beruf haben, einen sichern Antheil am gemeinsamen Leben und Wirken, den er nicht nur betreibt um des Lebens willen, oder weil es so sein muß, oder untergeordnet neben und hinter einer andern Liebe her, sondern so ganz aus voller Seele, daß dieser Beruf sich nichts Anderem unterordnet, sondern alles Andere nur verschmilzt und aufnimmt. Ohne dies können auch die treuesten und reinsten Verhältnisse der Freundschaft und Liebe uns nicht ganz zufrieden stellen, ja, sie können nicht einmal bestehen; die Gefühle stumpfen sich ab oder nehmen einen weichlichen Charakter an, bei dem wir dann auch des weiblichen Herzens nicht recht werth sind, welches immer diesen Enthusiasmus des Berufes an uns über alles Andere schätzt, weil es nur so durch uns unmittelbar mit der ganzen Welt zusammenhängt. Ich wollte, Sie hätten mir darüber ein Wort gesagt, welches Ziel Sie sich in dieser Hinsicht für Ihr Leben gesteckt haben, und welches der Gegenstand Ihrer Bestrebungen und Ihres Eifers ist – oder wenn Ihnen darin die volle Klarheit und Wahrheit noch fehlt, so möchte ich Ihnen durch meine Worte einen Stachel einsetzen können, der Ihnen nicht Ruhe ließ, bis Sie auch Das gefunden hätten. – Sehen Sie darin nur die thätige und lebendige Hinneigung meines Herzens, und lassen Sie uns schon immer vorläufig näher bekannt werden bis eine günstige Zeit uns zusammenführt.“




In der Unsicherheit des Lebens scheint New-York der Kaiserstadt Berlin doch noch „über“ zu sein. In den Gewässern, welche New-York umspülen, wurden hunderteinundfünfzig Leichen gefunden, von denen sechsundfünfzig unerkannt im Armenfriedhofe eingescharrt wurden. Nur in wenigen Fällen konnte constatirt werden, ob Absicht, Unfall oder Mord die Schuld an dem Tode der Unglücklichen trug. – Hundertdreizehn neugeborene Kinder fand man leblos in den Straßen, auf Hofräumen und in Cloaken, und sechsundzwanzig wurden von ihren Müttern absichtslos im Bette erstickt. Hundertundein Selbstmorde fanden, die meisten im April und September, statt, wovon in vierunddreißig Fällen Gift als der schmerzloseste, in achtundzwanzig Fällen die Kugel als der schnellste und in fünfzehn Fällen der Strick als der einfachste Vermittler des Todes gewählt wurden, während Fünfzehn sich an Stichwunden verbluteten. Mord und Todtschlag waren in sechsundfünfzig Fällen nachweisbar – aber Hinrichtungen fanden nur zwei statt. „Zufällig“ erschossen oder vergiftet (letzteres fast immer durch die Unvorsichtigkeit von Apothekergehülfen) wurden Fünfzehn. Unvorsichtigkeit in der Handhabung von Feuer und Licht kostete zweiundfünfzig Personen das Leben, und den Feuertod in brennenden Gebäuden fanden sieben. Verbrüht wurden (meist bei Dampfkesselexplosionen) Siebenundvierzig. Die Dampfeisenbahnzüge innerhalb des Stadtgebietes tödteten Sechsunddreißig, die Pferdeeisenbahnen


Hierzu die „Allgemeinen Anzeigen zur Gartenlaube“, Verlag von G. L. Daube & Comp.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_119.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2023)