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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

zum sprachlichen Verständnisse nothwendigsten Veränderungen wiedergegeben wird:

„Wir, Maximilian etc. Da Hans Vischer der Schneider von den Meistern des Schneiderhandwerks zu Erfurt, dieses Handwerk zu treiben verhindert, auch in der Zunft und gemeinen Versammlungen gemieden und ausgeschlossen wird, deshalb weil er dabei gewesen, als durch eine andere Person einem Bauersmann in der Stadt Erfurt ein Hase genommen ist, wir aber glaublich Anzeige und Unterricht empfangen, daß solch’ Geschichte aus keinem bösen Vorsatz oder Willen, sondern unbedacht gehandelt, und deßhalb weder von den Regenten daselbst zu Erfurt oder der Person, der solcher Hase zugehört, noch auch von dem Bauersmann gegen den Thäter etwas vorgenommen würde und ferner, da der gemelte Hans zu derselben That keinerlei Hilfe oder Verheng gethan oder Hand angelegt, so haben wir auch aus anderen Ursachen mit wohlbedachtem Gemüthe, gutem Rathe und eigenem Bewegen folgendes erklärt: Wir ordnen und erklären auch aus königlicher Machtvollkommenheit wissentlich in Kraft dieses Briefes: die obberührten Geschichten, auch die Handlung und Erkenntniß, welche der Bürgermeister und Rath der Stadt Erfurt über den Handel zwischen dem Schneiderhandwerk und dem genannten Vischer gethan, sollen, obgleich der Hans Vischer zu solchem Nehmen des Hasen Rath und Hilfe gethan und deßhalb angezogen (zu Rechenschaft gezogen) werden mocht’, dem Hans Vischer nach unserem Erfinden an seiner Ehre und guten Leumbden keinerlei Verletzung, Nachtheil oder Schaden bringen, noch auch ihm weder innerhalb noch außerhalb des Gerichtes zu Schmach, Schaden und Ungut vorgehalten oder wider ihn gebraucht werden in kein Weise. Wir gebieten darauf allen und jeglichen Churfürsten, Fürsten, Bischöfen, Prälaten, Grafen, Rittern, Städten etc. und in Sonderheit dem gemelten Bürgermeister, Rath und den Meistern des Schneiderhandwerkes zu Erfurt und sonst allen anderen unseren und des Reichs Unterthanen und Getreuen, in was Würden und Wesen die seien, ernstlich und fest mit diesem Brief und wollen, daß sie deßhalb den obgenannten Hans Vischer Nichts zuziehen, irren, verhindern und beschweren, ihn ungehindert sein Handwerk üben lassen, in Zünften und anderen ehrlichen Versammlungen zuzulassen und ihn nicht zu meiden und auszuschließen, noch gegen Alles, was oben steht, zu handeln in kein Weise. So lieb einem jeden sei unser und des Reichs Ungnade und Strafe und dazu Verlierung einer Pön von zehn Mark löthigem Goldes, halb für die Cammer des Reichs, halb für den obgenannten Hans Vischer zu zahlen. Mit Urkunde dieses Briefs, besiegelt mit unserem königlichen anhangenden Insiegel. Gegeben zu Freiburg im Breisgau, am 27. August ao. 1498.“

Dr. Ks.




Christliche Unterhaltungslectüre für Jung und Alt. Vor mir liegt eine Sammlung kleinerer und größerer Schriften, die sich unter den obigen Gesammt-Titel bringen lassen; sie sind ein Stück des geistigen Lebens der heutigen Zeit, also wohl werth, beachtet zu werden. Greifen wir nach dem ersten dieser Werkchen. Der Titel lautet: „Der Hirt“; darunter steht der Zusatz: Zum Besten der Missions-Anstalt „Kommet zu Jesu!“ zu Alt-Tschau bei Neusalz in Schlesien. Es ist also ein Buch, welches frommem Zwecke dient; so muß es so wohl selbst fromm sein, und man wird gern den kleinen Beitrag für das fromme Werk einsenden und dasselbe seinen Kindern, Hausgenossen und vielleicht Gemeindegliedern in die Hände geben. Aber nehmt euch in Acht mit dergleichen Sachen! Sie sind oft gefährliches Gift.

Ich will nicht von Geschmacklosigkeiten oder plumpen Erfindungen sprechen, von denen zum Beispiel das vorliegende Schriftchen wimmelt, denn welcher Sachverständige wird es glauben, daß ein zwölfjähriges Mädchen unter solchen Umständen zwanzig Menschen vom Wassertode erretten kann, wie es auf Seite 113 geschildert ist; ich will auch nicht von einer Moral sprechen, wie Seite 22 sie bietet, wo jedem Gesetze Hohn gesprochen wird und gelehrt wird: „Was du findest, das ist ein Geschenk Gottes und gehört dir darum von Rechtswegen zu;“ weit bedenklicher als dies ist unter vielem Andern eine Geschichte wie die „Der Commandant von Hohentwiel“ betitelte. Von diesem Mann und dieser Burg wird gesagt: „Gott der Herr hatte sie schon mächtig befestigt. Dazu setzte der Herzog einen Mann hinauf, den derselbe Gott inwendig fest gemacht hatte, damit der feste Mann die feste Burg gegen alle Anläufe des Feindes halte“. Und von diesem selben frommen Manne heißt es weiter, daß er sich von der Beute, die er bei seinen klugen und kühnen Ausfällen reichlich machte, eine Kirche baute, ja, daß er so viel erbeutet hatte, daß er sogar für künftige Zeiten dieser Kirche noch einen Kirchenschatz stiftete. Geht das nicht noch über die Geschichte vom heiligen Crispinus? Aber es kommt noch besser! Lesen wir Seite 120.

„Nun hatte er eine Kirche und einen Pastor; aber die Deutschen singen einmal gern. Zu gutem Kirchengesang gehört auch eine Orgel. Orgelbauer waren damals seltene Leute; sie waren noch schwerer zu haben, als sein Pastor Paulitz. Doch auch da fand sich Rath.(!) Nicht weit von Hohentwiel liegt die Stadt Ueberlingen; in dieser war ein Kloster mit einer schönen Orgel. Als er einst eine zahlreiche Mannschaft in der Festung hatte, rückte er im Dunkel der Nacht ganz still aus. Als der Morgen graute, kam er vor Ueberlingen an. Die Thore waren geschlossen. Er selbst schrob eine mit Pulver gefüllte Petarde an das Thor an und sprengte dasselbe. Die Wache saß gerade beim Kartenspiele und konnte an keine Gegenwehr denken. Seine ganze Schaar rückte in die Stadt. Ohne einen Tropfen Blut zu vergießen, hatte er sie genommen. Die Bürger sind in Todesangst vor dem gefürchteten Manne. Aber kein Haus wird geplündert; kein Stück fremden Eigenthums wird angerührt; die strengste Mannszucht wird gehalten. Die Mönche jenes Klosters bebten ganz besonders vor ihm – ich weiß nicht, warum. So boten ihm eine Summe Geldes an. Er schlug sie aus, bat sich aber ihre Orgel aus, ‚weil er keine in seiner Kirche habe‘. (Triftiger Grund!) Mit tausend Freuden ward sie ihm bewilligt.

Nun hatte er einen Pastor, eine Kirche und eine Orgel. Man merkte es an ihm und seinen Leuten, daß Gottes Wort lebendig und kräftig unter ihnen wohnte.“

So wird von dem frommen Manne erzählt; dergleichen steht in einem Buch, zum Besten einer Missionsanstalt! Was bedarf es mehr?




Zur Beachtung. Da, wie sich nach Abschätzung des Manuscripts nachträglich herausstellte, die von uns angekündigte Erzählung „Das Capital“ von Levin Schücking den Raum eines Quartals überschreitet, so haben wir die Veröffentlichung derselben nunmehr erst für den Anfang des nächsten Jahrgangs in Aussicht genommen.

D. Red.




Kleiner Briefkasten.

L. in Frbg. Gewiß hat man versucht, durch ausreichende Unterstützung die Wunden des letzten Krieges in Etwas zu heilen. Und mehr ist in solchem Falle dem Vaterlande nicht möglich zu thun. Daß noch offene Wunden bluten, ohne daß man sich auch nur die Mühe giebt, solche zu heilen oder doch weniger schmerzhaft zu machen, das ist freilich hart und betrübend.

So schreibt man uns aus Ostpreußen: „Nicht weit von Rußlands Grenze liegt das Dorf L. bei P. im Kreise St. Außerhalb des Dorfes liegt eine kleine Kathe, in welcher die über sechszig Jahre alte Wittwe Christine Bartel wohnt. Ihr Gatte ist vor einem Jahre gestorben – er hat den Schmerz über den gefallenen Sohn nicht lange überlebt. Man muß es gesehen haben, wie sich die tiefgebeugte Frau nur mit Mühe fortschleppt, um den ganzen Jammer eines solchen Daseins zu begreifen. Die Hände wollen nicht mehr so fort, wie vor Jahren, um das nöthige Brod zu verdienen; der Leib wird daher schwach, und ein unglücklicher Fall in diesen Tagen hat sie noch elender gemacht; ihre Mittel aber reichen nicht aus, den Arzt zu Hülfe zu ziehen.

Ja, ihr Sohn, Albert Bartel, den sie erzogen, daß er ihr im Alter eine Stütze werde – er fand auch, wie so viele tapfere Söhne Ostpreußens, vor Metz den Heldentod. Die alte Mutter hat gehofft, man werde bei der Vertheilung des Geldes für Invaliden und Hinterbliebene auch an sie denken. Ihr Hoffen war vergebens. Verschiedene Male hat sie um Ueberweisung einer laufenden kleinen Unterstützung gebeten – man hat ihr einmal fünfzehn (!) und ein anderes Mal fünf (!!) Thaler gegeben, und auf ein ferneres Schreiben (im verflossenen Winter abgesandt) hat man sie bis jetzt keiner Antwort gewürdigt. Ihr einziger Trost in ihrer Noth ist die Hoffnung, daß sich der müde Körper bald auflösen werde. – Für eine brave Mutter, die dem Staate einen Helden erzogen hat, ist dieses Loos doch gewiß ein unverdientes.“

Verwalter K. R. in W. Ihre Klage über die Holzvergeudung der Dienstboten beim Anfeuern der Steinkohlen und dergleichen und über die steigenden Holzpreise steht nicht vereinzelt da; sie bildet den Inhalt nicht weniger Zuschriften. Um so mehr freut es uns, Allen die Aussicht auf eine gründliche Beseitigung dieses allgemeinen Uebels eröffnen zu können. Ein erfinderischer Kopf hat eine Zündmasse zusammengesetzt, die zum Anbrennen von Torf, Coaks, Briquettes, Braun- und Steinkohlen, ohne Anwendung eines Stückchens Holz, dienen. Dieser chemische Zunder, dessen Mischung wir natürlich verschweigen, von der wir aber versichern können, daß sowohl deren Bereitung wie Verwendung gänzlich gefahrlos ist, kann für einen Pfennig das Stück geliefert werden, und ein Stück genügt zum einmaligen Anbrennen. Bedenkt man, wie viel Mühe, Zeit, Geld, Holzraum und Aerger durch diese neue Zündmasse erspart wird, so muß man ihr eine möglichst rasche und weite Verbreitung wünschen. Der Erfinder und Geheimnißbesitzer ist ein Herr O. Syllmasschy in Leipzig (Schletterstraße Nr. 2). An außerdeutsche Staaten würde derselbe, wie man uns mittheilt, das Monopol der Verfertigung und des Vertriebs dieses Zunders gegen eine werthentsprechende Summe ablassen.




Für die Abgebrannten in Meiningen


gingen wieder ein: Ertrag einer von Deutschen in Chauxdefonds veranstalteten Sammlung 304 Thlr. (Bravo und die besten Grüße aus der Heimath); F. Schrader in Hamburg 2 Thlr.; Schnübel in Reichenbach 1 Thlr.; Abendgesellschaft in Liegnitz 4 Thlr. 5 Ngr.; Sammlung von Bokellen 4 Thlr.; M. N. in England 3 Thlr. 12 Ngr.; X. in Hamburg 1 Thlr.; H. W. in Ebersbach 20 Thlr.; Dr. Graber in Carlsruhe 2 Thlr.; Kegelgesellschaft Ulk in Dresden 12 Thlr. 10½ Ngr.; N. N. in Frankfurt a. O. 1 Thlr.; E. L. 10 Thlr.; Sam. Brüll in London 3 Thlr.; Einer der sein Schöppche Wein gern trinkt 1 Thlr.; Emilie Beaupain in Vohwinkel 2 Thlr.; am runden Tische im Paradiese zu Oelsnitz 2 Thlr. 6 Ngr. 1 Pf.; Anna Weber in Berlin 2 Thlr.; Sammlung der Schulkinder in Gebstadt bei Buttstädt 2 Thlr. 2½ Ngr.; F. P. 1 Thlr.; Gesangverein Harmonie in Varel 9 Thlr. 5 Ngr.; gesammelt in der ersten und zweiten Knabenschule zu Porgau 4 Thlr.; Ertrag eines Concerts in Luckau 4 Thlr. 5 Ngr.; Obersteiger Hoewert in Kürstein bei Waldenburg 5 Thlr.; Turn- und Feuerrettungsverein in Bunzlau 23 Thlr.; Borchert in Oppeln 5 Thlr.; Roloff in Danzig 1 Thlr.; vom Watteblasen in Engelrath 4 Thlr.; A. D. in Cairo 2 Thlr. 15 Ngr.; Sammlung in der Gemeinde Schönheide durch den Ortsvorstand Lentz 34 Thlr. 11 Ngr.; Sammlung in den Orten Orlamünde und Napfhausen, durch den Stadtrath in Orlamünde 23 Thlr. 6 Ngr.

Die erste Unterstützungsgabe von Thlr. 1500 ging unter dem heutigen Tage an das Hülfscomité in Meiningen ab.

Leipzig, den 15. October 1874.

Ernst Keil.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 702. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_702.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)