Seite:Die Gartenlaube (1875) 031.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

Diese „Nachweisungen eines täglichen Nebenverdienstes von fünf- bis sechshundert Gulden, einer lohnenden Beschäftigung ohne Aufwand von Zeit“, diese „Aufforderungen an Capitalisten, sich mit einer Einlage von so und so vielen Hunderten oder Tausenden von Thalern an gewinnbringenden Geschäften zu betheiligen“, laufen fast sammt und sonders auf eine Schwindelei hinaus. Die Nachfragenden erhielten nach Einsendung eines die Antwort bedingenden Vorschusses entweder gar keine Auskunft, oder es wurde irgend ein altes Kalenderrecept, eine Anweisung zur Züchtung von Seidenraupen in der Stube mitgetheilt, ihnen der Hausirhandel mit alten Büchern empfohlen oder die Mitgliedschaft einer Spielbankenzersprengungsgesellschaft offerirt u. dgl. mehr. Auch unsere „Gartenlaube“ hat es sich längst zur Aufgabe gemacht, das Publicum über diesen Zeitungsschwindel, namentlich in seiner Ausdehnung auf Geheimmittel, aufzuklären. Sie gehört ja selbst auch zu den Gegenspielern des Gaunerthums. –

Daß die Gauner auch das religiöse Gebiet mit Geschick auszubeuten verstehen, darf nach all dem Erwähnten kaum noch Wunder nehmen. Diese Classe der gaunerischen Tartüffe ist sogar sehr stark vertreten. Da sammeln entlassene katholische Geistliche unter veränderten Namen für Klöster und religiöse Vereine, ja lesen ungescheut Messe. Einer giebt sich für einen Bruder des Grafen Chambord aus, ein Anderer, ein entlassener Seminarist, auf Grund eines gefälschten Documents für den Generalvicar von Fez. Ein landstreichender Schmiedegesell zieht in Baiern bald als Weltgeistlicher, bald als brauner Franciscaner, mit dem unvermeidlichen Strick umgürtet, herum, behauptet drei Jahre lang Wächter am heiligen Grabe in Jerusalem gewesen zu sein und bringt Heiligenbilder und Sterbekreuze[WS 1] von daher mit, die er – aus den nächsten Fabriken bezogen hatte. Ein Böttchergeselle M. spielte erst vor zwei Jahren die Rolle eines Eremiten seligen Andenkens, hielt sich in Höhlen und an entlegenen Orten auf und erweckte damit und auf Grund gefälschter Zeugnisse die fromme Mildthätigkeit. Ein Dritter, ein sächsischer Damastweber aus Kamenz, wandelt (1860) im Pilgergewande umher, giebt an, er sei in Jerusalem gewesen, erzählt viel von den heiligen Orten und vertreibt kleine Steine, die „von den Füßen Jesu und Mariä betreten worden seien“. Die ungläubige Polizei nimmt sein Auftreten für Betrug, und er beschließt seine Pilgerlaufbahn im Gefängniß.

Zahllos waren, namentlich früher, die falschen Candidaten der Theologie, die bei Landpfarrern Einkehr und Herberge nahmen. Einer von ihnen wußte sich so in das Vertrauen eines biedern Landgeistlichen im südwestlichen Thüringen einzuschmeicheln, daß dieser ihm die Tochter verlobte. Erst als er die Kanzel zur Abhaltung der Bräutigamsprobepredigt bestiegen hatte, erkannte der Herr Pfarrer den Schelm.

(Schluß später.)


Aus dem nächtlichen Thierleben in der Oase.[1]

Von G. Schweinfurth.

Im Westen des ägyptischen Nilthals, auf einem Flächenraum, groß genug, um ganz Deutschland und Frankreich in sich aufzunehmen, breiten sich Wüsten aus, wie man sie sich abschreckender nicht vorzustellen vermag. Eine derartige Oede und Einförmigkeit, und dazu von solcher Ausdehnung, sucht ihres Gleichen auf dem gesammten Erdenrund, und wer sie gesehen, kann sagen, daß ihm die Wüste den Begriff der Unendlichkeit veranschaulicht hat, dem Weltmeere gleich mit seinem unabsehbaren Wasserspiegel.

Die neuere Geographie belegt diese Wüste mit dem Namen der Libyschen. Sie bildet das östliche Drittheil von jenem Meer des Sandes und der Steine, welches man als Sahara im Großen und Ganzen bezeichnet. – Die Libysche Wüste weist alle Schrecknisse des Durstes, des Hungers, der Ermattung in ihrer furchtbarsten Gestalt auf; sie bleibt in dieser Beziehung wohl außerhalb allen Vergleichs mit anderen Wüstengegenden. Tage, ja Wochen lang kann der Reisende umherziehen, ohne etwas Anderes zu erblicken, als den unabänderlichen Wechsel desselben blendenden Kalkgesteins und derselben dünenartigen Hügel von gelbem Sande; wiederholt führt der Weg stundenweit über eine Ebene von derartiger Vollkommenheit, daß auf ihr ein Zuckerhut sich ausnehmen würde wie ein Berg, und daß der Topograph Steine abzubilden hätte, wollte er an solchen Stellen seine Karte mit irgend welchem Detail ausfüllen. Dem Auge des Wanderers bietet sich keine andere Erquickung dar, als das Blau eines nie getrübten Himmels.

Nach dem, was ich vorausgeschickt, wird es den Leser umsomehr überraschen, wenn ich ihm sage, daß selbst die scheinbar ödeste Wüste ihre Bewohner ernährt und daß die libysche eine Fauna beherbergt, welche sich aus sehr verschiedenen Classen des Thierreichs zusammensetzt, von der Schnecke und dem Insect, welche der kärgliche Thau der Nächte beglückt, bis hinauf zu dem hochentwickelten Raubthier, das einer sehr substanziellen Speise bedarf. Alle diese Thiere sind von der Natur mit einem Organismus ausgerüstet, welcher ihnen den Kampf gegen jene lebensfeindliche Starrheit der Wüste ermöglicht, der jedes andere Wesen erliegt. Wie bei den Pflanzen der Wüste, ist das Räthsel ihrer Erhaltung mehr in den Geheimnissen ihrer inneren Organisation als – abgesehen von den Schutzmitteln, welche sie selbst hin und wieder darbietet – in der Natur der äußeren Verhältnisse zu suchen, unter welchen sie leben. Nicht das Quantum oder die Qualität der zu ihrem Unterhalte dienenden Stoffe kommt bei ihrem Dasein in Betracht, wohl aber die Art und Weise, in welcher sie dieselben zu verwerthen vermögen, das Maß des aus dem Dargebotenen gezogenen Nutzens. In dieser Hinsicht gleicht der karge Haushalt der Natur in den heißen Wüsten von Sand und Steinen auffallend demjenigen, welchen wir in den Eis- und Schneewüsten der Polarzone wiederfinden. Wo ein Kameel stark und fett wird, da kann das Pferd ebensogut verhungern, wie auf den Weidegründen eines wohlgemästeten Moschusochsen von Grönland.

Dafür genießen aber auch diese von der Natur auf die äußerste Sparsamkeit im Betriebe ihrer Lebensverrichtungen angewiesenen Existenzen, in den Wüsten des Pols so gut wie in jenen der Sahara, gewisser Vortheile, auf welche viele Geschöpfe, die in Fülle und Mannigfaltigkeit der Kost schwelgen dürfen, anderswo verzichten müssen: es sind vor Allem auf der einen Seite Ruhe und Ungestörtheit, auf der anderen eine immense Weite des Reviers und ihre Leichtigkeit des Fortkommens auf demselben. Gazellen und Wüstenfüchse vermögen auf ihren nächtlichen Streifzügen unglaubliche Entfernungen zurückzulegen.

Aber, wird man fragen, diese einförmigen Flächen, auf welchen der geringste fremde Gegenstand sich von Weitem so bemerkbar macht, bieten ihnen doch die größte Gefahr einer gegenseitigen Verfolgung dar? Mit nichten; denn die Natur kleidet alle diese Thiere in das Gewand der „schützenden Aehnlichkeit“, ertheilt ihrem Kleide die Farbe des Bodens, auf welchem sie sich bewegen. In der That kann es im Allgemeinen als Regel gelten, daß den Thieren der höchsten Polarzone die Farbe des Schnees, denen der Wüste aber die Farbe des Sandes eigen sei. Man möchte versucht sein, sagt Brehm an einer ähnlichen Stelle, bei Betrachtung der Wüstenthiere einmal gläubiger Nachbeter der Zweckmäßigkeitslehre zu sein.

Die Bewohner der Wüste, in Sonderheit die höher entwickelten, wissen aber auch noch durch andere, ihrer Lebensart eigenthümliche Regeln den sich dem Dasein entgegenstellenden Gefahren aus dem Wege zu gehen. Sie bedienen sich unterirdischer Wohnungen und suchen sich ihre Nahrung unter dem Deckmantel der Nacht. Zu Beidem zwingen sie außerdem die klimatischen Verhältnisse. Diese nördlichen Wüstenstrecken sind nicht nur durch die beispiellose Seltenheit des Regens, sondern auch durch ungewöhnliche Temperaturschwankungen ausgezeichnet.


  1. Wir möchten unsere Leser ganz besonders auf diesen Artikel des berühmten Reisenden hinweisen, dessen neuestes Werk „Im Herzen Afrikas“ ein durchaus gerechtfertigtes Aufsehen erregt.
    D. Red.     

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Sterbetkreuze
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_031.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)