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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

der Wüstenflugbahn bevorzugenden, zum Theil sehr großleibigen Passanten in Betracht, von nicht zu unterschätzender Bedeutung erscheint und die Möglichkeit mancher sonst räthselhaften Wüstenexistenz zu erklären vermag.

Heuschreckenschwärme, welche nicht selten die Oase heimsuchen, gewähren dem Fennek eine erwünschte Abwechselung in der Kost. Die stellenweise so häufigen großen Wüstenkäfer aber läßt er stets unberührt, obgleich er die zum Theil so hartgepanzerten Eidechsen mit Stumpf und Stiel zu verzehren pflegt. Im Falle der Noth, so behaupten die Bewohner, soll der Fennek sogar zu den Fröschen seine Zuflucht nehmen, deren es in den zahlreichen Tümpeln und Pfützen der Oase eine Menge giebt. Seine blutdürstige Fuchsnatur bekundet aber der Fennek vornehmlich im Beschleichen des zahmen Federviehs. Er schreckt selbst vor halbwüchsigen Truthühnern nicht zurück. Beim Blutsaugen befolgt er ein eigenes Verfahren. Mit seinen nadelscharfen, kleinen Zähnen vermag er sich so festzubeißen, daß ich ihn manchmal an den Fingern eines von ihm Gebissenen hängen bleiben sah, bis ihn die Kraft des menschlichen Armes von sich schleuderte. Jedes Geflügel wird vom Wüstenfuchse entweder an der Brust oder am Rücken gepackt, alsdann saugt er trotz alles Zappelns und Flügelschlagens demselben das Blut aus. Man hat mir dutzendweise die Leichen der so Hingemordeten gebracht, immer war an ihnen der Hals unversehrt, und nur einige feine Löcher am Rumpfe verriethen die Todesart. Der Vernichtungskampf, welcher neben den Nilfüchsen, die stellenweise daselbst ebenfalls von außerordentlicher Häufigkeit sind, von den Fenneks allen Hühnern und Tauben der großen Oase bereitet wird, ist in der That so groß, daß die Einwohner von der tückischen Begabung dieser unabwehrlichen Räuber die übertriebensten Vorstellungen haben.

Als kurz nach der Zeit, da mir eine große Zahl eingefangener Fenneks wieder entwichen war, ihre nächtlichen Angriffe auf das Geflügel der Ortschaft zufällig sich vermehrt hatten, schrieben die Oasenbewohner es dem Umstände zu, daß die Flüchtlinge ihren Brüdern in der Wüste den Weg zur Stadt gezeigt hätten; ihr Schaden, meinten sie, sei nun größer, als der bei dem Fange der Fenneks ihnen aus meiner Casse zugeflossene Gewinn. Jede Jahreszeit bietet in der Oase den Raubthieren eine andere Art Futter dar, auch an vegetabilischer Kost, wie sie ihnen erwünscht ist, fehlt es nicht.

Vom Nilfuchse behaupten die Einwohner, daß er zur Erntezeit die Weizenfelder bestehle. Vom Wüstenwolfe ist es allgemein bekannt, daß er ihnen zur Sommerszeit die Gurken und Melonen wegfrißt, alle diese Thiere aber scheinen der Dattelfrucht vor allen anderen Leckerbissen den Vorzug zu geben, und gewiß nicht der Letzte dabei ist der Fennek. Seine Vorliebe für Datteln gab zur Entstehung des Märchens Veranlassung, daß er auf Bäumen lebe und sich Nester baue; es hieß, er klettere so gewandt wie eine Katze – dergleichen Unglaubliches mehr wurde von seinen Lebensgewohnheiten berichtet. Die im August beginnende Dattelernte ist daher eine Zeit der Feste für diese Thiere, und die überall in den öden Felsthälern des östlichen Oasenrandes zerstreut umherliegenden Dattelkerne legen Zeugniß ab von dem Ueberflusse jener Tage.

Der beigegebene Holzschnitt vervollständigt die Lebensgeschichte des Wüstenfuchses im Uebrigen, indem er uns mit unübertrefflicher Naturwahrheit alle Geberden, Gemüthsstimmungen und Beschäftigungen desselben veranschaulicht. Die Zeichnung zu diesem lebensvollen Bilde verdanken wir der Meisterhand G. Mützel’s, des illustrativen Mitarbeiters an der neuen Ausgabe von Brehm’s „Thierleben“. Ihr liegen auf fortgesetzte Beobachtung der Thiere im zoologischen Garten zu Berlin gestützte Studien zu Grunde, und auch der Hintergrund des Bildes entspricht der Wirklichkeit.

Es ist Nacht, und ein heller Mondschein wirft sein Silberlicht über den von reinstem Sande erstrahlenden Oasenrand. In der Ferne gewahrt man den östlichen Steilabsturz des libyschen Plateaus, mit dem vorgeschobenen Inselberge Omm-el-Renneiem, davor zur Seite die Ruinen eines römischen Castells aus der Zeit des Trajan. Mehr im Vordergrunde sind die Reste eines jener in Menge über die ganze Oase zerstreuten, von ihrem früheren Wohlstand zeugenden großen Taubenhäuser zu sehen, wie sie sich noch heute in einigen Städten Aegyptens errichtet finden, und welche die Bewohner ihres burgartigen Aussehens halber „Borg“ nennen, nachdem die Kreuzfahrer dieses Wort dem sich aus aller Herren Ländern vervollständigenden Sprachschatze der Araber zugeführt. Zwischen großen Sandsteinblöcken, unter welchen die Springmäuse gern ihre Löcher graben, erblickt man acht Wüstenfüchse gelagert; die meist egoistisch sich von einander absondernden Räuber haben sich zu einem Gesammtbilde vereinigt, wie es in der Wirklichkeit wohl nur selten vorkommt, jedenfalls aber in dieser Zusammenstellung großes Interesse bietet.


 Mein Glaube.[1]
 Von Joh. Heinr. Mädler.

Auf dieser Wahlstatt blut’ger Meinungskriege,
     Wo Wahrheit und Vernunft begraben liegt,
Auf dieser Kugel, wo vom Sieg zum Siege
     Das Ungeheuer der Verfolgung fliegt,

5
In diesem Reich der Finsterniß und Lüge,

     Wo man die Menschheit in den Traum gewiegt,
Hier will ich meinen Glauben treu bekennen,
Mag’s auch die Welt dann, wie sie Lust hat, nennen.

Nicht jenen Gott, den man Jehovah nannte,

10
     Der heute schafft und morgen schon bereut,

Deß’ roher Blutdurst kein Erbarmen kannte,
     Den Feind des Mitleids, wie der Menschlichkeit;
Der wilde Löwen in die Hütten sandte,
     Weil man ihm keine Tempel noch geweiht,

15
Der nicht erröthet, Diebstahl zu befehlen,

Und hinterher gebeut: du sollst nicht stehlen!

Auch das Phantom nicht, daß dem kranken Hirne
     Des Mönchleins Athanasius entsprang,
Und dem ein Pontifex mit frecher Stirne

20
     Von blinden Irrenden Respect erzwang;

Wie der gesunde Menschensinn auch zürne,
     Das ungeheure Wagestück gelang.
Das Schwert muß die Vernunft darnieder halten,
Bis man den Gott, den Einigen, zerspalten.

25
Ach! tausende von Scheiterhaufen brannten

     Dem Zerrbild, das aus solcher Quelle stammt,
Für Alle, die sich nicht zu ihm bekannten,
     In denen noch ein Gottesfunke flammt.
Und nicht genug, daß sie den Leib verbrannten,

30
     Die Seele ward zur Höllengluth verdammt

Von jenem Pfäfflein, das die Welt verblendet,
Das heiligste der Rechte ihr entwendet.

Nur dich, der ewig über Welten thronet,
     Und den kein sterblich Auge je erkannt;

35
Dich, der in jedem reinen Herzen wohnet,

     Den jeder, der dich ernstlich suchte, fand;
Dich, der die Wahrheit liebt, den Irrthum schonet
     Und den kein Tempel schließt, kein heilig Land,
Dich will ich glauben, deinen Lohn erwerben,

40
Dein will ich sein im Leben und im Sterben.


Dich wollten jene alten Forscher finden,
     In ihren Hallen hat dein Licht gewohnt;
Dich wollt’ uns einst Maria’s Sohn verkünden,
     Die Mit- und Nachwelt hat es ihm gelohnt.

45
Wo Priesterwuth und Irrthum sich verbünden,

     Wird Keiner, der dich laut bekennt, verschont.
Zu allen Zeiten kannten dich die Weisen,
Doch ehrten sie dich still in engern Kreisen.


  1. Obiges Gedicht, welches am 25. Juni 1830 verfaßt wurde, geht uns von befreundeter Hand aus dem Nachlasse des vor einigen Monaten verstorbenen berühmten Astronomen Joh. Heinr. Mädler zu. Als der Ausdruck der persönlichen religiösen Anschauungen des Dahingegangenen dürfte dieses tief empfundene Glaubensbekenntniß auch in weiteren Kreisen von Interesse sein.
    D. Red.     
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_035.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)