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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


von Fleisch, Wild, Geflügel, Fischen mittelst Eis in unseren Städten in Betracht zieht – welcher enorme Vortheil muß dadurch erwachsen, daß man frisches Fleisch durch wenige Gramm Salicylsäure auf Wochen und Monate hinaus fast unverändert bewahren kann! Ein einfaches Einlegen und Abwaschen mit frischem Wasser genügt, um das Conservirungsmittel zu entfernen; bliebe selbst etwas daran haften, so übt es weder auf den Geschmack der Nahrung, noch auf die Gesundheit einen schädlichen Einfluß aus.

Noch wichtiger fast sind die Experimente in sanitärer Beziehung, besonders bei Operationen. Hofrath Thiersch in Leipzig berichtet von einer Amputation des Oberschenkels, die vorgenommen wurde, indem man die ganze Operationsstelle in einen Nebel von staubförmig vertheilter Salicylsäurelösung eingehüllt hielt, und später auch die Verbandcompressen mit einer solchen Lösung fortwährend anfeuchtete. Der Amputirte wurde durch sechs Tage lang in Ruhe gelassen, ohne daß man den Verband nachsah oder wechselte. Es trat nicht der mindeste Schmerz noch das geringste Fieber ein, und nach diesen sechs Tagen zeigte sich die Wunde bis auf einige oberflächliche Hautstellen schön vernarbt. Denke man sich die enorme Wohlthat auf Schlachtfeldern und in Spitälern!

Auch Versuche, die Salicylsäure bei inneren Blutfäulnißkrankheiten, Typhus, Cholera etc. anzuwenden, scheinen Erfolg zu versprechen.

In Amerika stellt man mittelst Salicylsäure und Glycerin schon Mundgurgelwasser gegen riechenden Athem etc. als Patentmedicinen dar. Sie werden über den Spahn bezahlt werden, aber, was man sonst von solchen Mitteln nicht immer sagen kann, wirksam sein, falls sie nur Salicylsäure enthalten.

Vor Allem möchte ich unseren Hausfrauen für ihre Speisekammern, im Sommer und zur Einmachezeit, die Salicylsäure nochmals auf das Dringendste empfehlen.

Prof. H. Schwarz in Graz.


Das neue Rathhaus in München. (Mit Abbildung, S. 116 u. 117.) Den vielen Besuchern der deutschen Kunstmetropole, deren Zahl sich alljährlich steigert, wird zweifellos bei ihrer Wanderung durch die Altstadt auf dem Marienplatze neben der Mariensäule, dem Fischbrunnen und dem alten Rathhause auch das neue einige Aufmerksamkeit abgewinnen. Dasselbe, im Spitzbogenstyl erbaut, mißt in der Breite einundvierzig und in der Länge siebenzig Meter. Es ist ein Ziegelrohbau; der Mittelbau der Vorderansicht, sowie sämmtliche Bogen- und Fensterlaibungen, Erker, Säulen und Gesimse sind in Sandstein ausgeführt. Der Bau besteht aus dem Erdgeschoß und drei Stockwerken. Zu ebener Erde links sehen wir die Hauptwache, rechts und an der Dinnerstraße vierzehn Verkaufshallen mit dem Eingange in den Rathskeller. Für die Verwaltung sind hundertdreißig Räumlichkeiten eingerichtet.

Der Mittelbau mit seiner dreitheiligen Erkerlaube, als der hervorragendste Schmuck des ganzen, fesselt den Beschauer am meisten. Die vier Standfiguren von Anton Heß sollen die Grundlagen für ein gedeihliches Bürgerthum, die Arbeit und den Fleiß, die Mutterliebe und die Häuslichkeit, die Milde und die Wohlthätigkeit, den Schutz und den Mannesmuth versinnlichen; aus dem reichgezierten Fenstergesims blicken die vier Temperamente hervor. Das Stadtwappen befindet sich in der Mitte des Giebels, dessen durchbrochener Schluß durch vier Drachen mit Zierstangen und einen stattlich gerüsteten Fahnenträger gekrönt wird. Diese fünf Colossalfiguren wurden von dem leider zu früh verstorbenen Saturnin Kinne meisterhaft in Kupfer getrieben. Rechts an der Straßenecke, unter dem Baldachin, wird eine allegorische Figur, die Stadt München vorstellend, von L. Gedon, ihren Platz finden.

Der äußere Eindruck des Gebäudes dürfte bei Vielen günstig genug wirken, um den Wunsch rege zu machen, auch das Innere kennen zu lernen. Dazu mögen folgende Erklärungen als Führer dienen. Wir betreten die Vorhalle, in welcher die Gedenktafeln in carrarischem Marmor mit bronzenen Siegeszeichen für die gefallenen Krieger nach L. Gedon, gegossen und ciselirt von Halbereiter, zu dauerndem Gedächtnisse angebracht werden sollen. Zu beiden Seiten erfreuen wir uns der Wandmalereien von Rudolph Seitz; in vier Gruppen sind die verschiedenen Stände, Poet und Jungfrau, Künstler und Gelehrter, Rathsherr und Kriegersmann, Bürger und Hausfrau vertreten. Im Erdgeschoße befinden sich die Archive, einige Canzleien, der Thorwart etc. Wir gelangen rechts oder links durch das Stiegenhaus in den ersten Stock und zu den verschiedenen Amtsstuben und Registraturen. Im zweiten Stocke finden wir den Empfangs- oder Vorstellungssaal mit dem Austritte auf die Erkerlaube, links die Amtsräume des ersten Bürgermeisters etc., in der Axe rückwärts gegen den großen Hof den Saaltract mit den Sitzungssälen (welche in ihrer Höhe den dritten Stock aufnehmen) für die beiden Gemeindecollegien, zwischen beiden Räumen die Galerie für Zuhörer bei öffentlichen Sitzungen. Der dritte Stock enthält in der Mitte den Lesesaal, zur Linken die Amtsräume des zweiten Bürgermeisters, weitere Canzleien und Diensträume. Wir schließen unsern Rundgang mit dem Abstecher in den Rathskeller. Dieser mißt vierunddreißig Meter in der Länge und fünfzehn Meter in der größten Breite. Gewölbe und Wandmalereien sind von F. Wagner, Glasmalereien, Oefen und sämmtliche Ausstattung nach Entwürfen von G. Hauberrisser.

Wenn diese Erklärung grundsätzlich möglichst allgemein gehalten, das Lob sehr sparsam ausgetheilt wurde, um der öffentlichen Meinung nicht vorzugreifen, so muß doch das Verständniß und die Liebe zur Sache, welche bei der Ausführung die Gewerksleute, als Schlosser, Tischler etc. zeigten, in ehrendster Weise anerkannt werden.

Dem Architekten Georg Hauberrisser aber sei zu seinem Erstlingswerke alles Glück und Gedeihen gewünscht. Ist auch die herrschende Geschmacksrichtung der früheren ruhmreichen Bauweise abgeneigt, sei es durch oberflächliche Modesucht, Unkenntniß oder Vorurtheil, so möge er sich doch nicht beirren lassen, das Begonnene ungeschwächt durchzuführen und zu vollenden; dann wird trotz mancher Unbill hoffentlich der Rathhausbau den fernsten Nachkommen noch ein sichtbarer Zeuge dafür sein, daß, wenn auch alles Menschenwerk nicht tadellos sein kann, doch der Ernst im Streben und Wollen unserer Zeit nicht verloren ging. Das städtische Verwaltungsgebäude aber wird sich als eine weitere Zierde unseren vielen Kunstbauten würdig anschließen.

P. H.



Aufruf zur Betheiligung an der deutschen Kaulbachstiftung. Der nachgehende Aufruf geht uns aus Nürnberg zur Veröffentlichung zu. Wir fügen demselben den Wunsch bei, er möge in den weitesten Kreisen Beachtung finden.

„Auf Lorbeeren gebettet, überhäuft mit Kränzen aus allen deutschen Gauen, ruht Wilhelm von Kaulbach im Schatten der Cypressen des Münchener Friedhofs. Wir haben uns daran gewöhnt, einen der streitbarsten Vorkämpfer deutscher Cultur nicht mehr im Vordertreffen zu sehen, und nachdem auf das jüngst erst gefeierte Jubelfest des ungealterten Künstlers überraschend schnell sein Todtenmahl gefolgt und der allerwärts ertönende Nachruf des großen Meisters verklungen ist, erhebt sich mahnend die Frage:

Wie wird das deutsche Volk, würdig des gottbegnadeten Künstlers, das Andenken seines großen Sohnes ehren?

Es wird sich ein prunkendes Denkmal nach Gebühr erheben, um den kommenden Geschlechtern das Bild des über seine Zeitgenossen emporragenden Heros zu überliefern. Es wird manches Künstlerherz bei seinem Anblicke höher schlagen, angeeifert von dem Ruhme des schwer erreichbaren Vorbildes. Aber genügt das glänzende Erz, genügt der todte Stein, um deutlich auszusprechen, wie sehr die deutsche Nation die Bedeutung des Mannes zu schätzen weiß, der mit einer wunderbaren Gabenfülle unsere künstlerische Anschauung bereichert, uns der Welt, der Vorzeit, dem Geiste der Geschichte, dem Verständnisse der menschlichen Seele und unserer Culturaufgabe näher gebracht hat?

Wir antworten: Nein!

Es genügt nicht für diesen aufstrebenden Geist, der in wunderbarer Beweglichkeit mit der Liebenswürdigkeit eines schalkhaften Humors uns die Falten von der Stirn gescherzt und zugleich mit dem tiefen Sinne des Philosophen und Forschers das Bild der Geschichte im Abglanze der Schönheit uns vorgeführt und die Höhen und Tiefen des Menschengeistes in ergreifenden Bildern uns anschaulich gemacht hat, der mit dem Blitzstrahle des Witzes und der berechtigten Satire so manchen Götzen des Afterglaubens zu zerschmettern, der mit der Schärfe des Schwertes die Frömmler und Sophisten zu treffen wußte, um dann desto höher das reine Bild menschlicher Tugend zu erheben, der uns das Niedrige kennen lehrte, um daneben das Erhabene um so heller im elektrischen Feuer einer wunderbaren Phantasie leuchten und uns über dem Schönen und Guten das Gewöhnliche vergessen zu lassen. Dieser aufstrebende Geist, dieser für deutsches Land und Volk warm empfindende Mensch, dieser bevorzugte Genius soll nicht erstarren in einem stummen Denkmal, und nicht allein seinen Werken soll es trotz der in ihnen schlummernden Zauberkraft überlassen bleiben, die lebendige Fortwirkung seines Schaffens auf die folgenden Geschlechter zu vermitteln.

Ehrenpflicht der ganzen Nation ist es, ihrer Culturaufgabe für die Kunst durch werkthätige Theilnahme an einem auch dem großen Todten zu errichtenden geistigen Denkmale gerecht zu werden.

Sowie dereinst in Griechenlands classischer Zeit jedem Bürger sein Obolos zu Theil ward, der ihm den Zutritt zum Tempel der Kunst sicherte, so soll auch heute jedem Jünger der Kunst sein Schärflein sicher sein, daß er auf ihrem langen Wege nicht aus Mangel an Mitteln ermatte und seinem hohen Ziele ferne bleibe. „Für das Schöne und Gute“ lautet also die Losung, wenn wir das deutsche Volk, von der Mosel bis zur Leitha, aufrufen bei der in Nürnberg in’s Leben getretenen W. Kaulbach-Stiftung durch frische, fröhliche Gaben sich zu betheiligen. Im Sinne Kaulbach’s, der über den Parteien stand, wird die Stiftung handeln, wenn sie, wie ihre Satzungen bestimmen, ihre Mittel zur Förderung deutscher Künstler ohne Rücksicht auf politische Grenzen, Wohnort, Alter und Geschlecht in Aussicht stellt, wenn sie zugleich der Ansicht beipflichtet, daß nicht das specielle Kunstfach, sondern nur die persönliche Tüchtigkeit der Bewerber bei der Zuwendung der verfügbaren Stiftungsrenten entscheiden soll. Gewiß wird eine ergiebige Ausstattung der Stiftung die Garantie dafür bieten, daß würdig unterstützte Talente nicht einer falschen Kunstrichtung fröhnen, sondern, geleitet von Kaulbach’s und seiner großen Kunstgenossen Beispiel, die Durchgeistigung des Stoffes sich zur Aufgabe machen und in der Erfassung des Wesentlichen, in der Verkörperung des Gedankens, in der Veredlung ihres Volkes ihr Ziel erkennen werden. Die als Sitz der Stiftung gewählte ehemalige Reichsstadt Nürnberg, die noch heute von Allen verehrte Heimstätte altdeutscher Kunst, ist gewißlich werth, einen vom deutschen Volke für einen edlen Zweck zusammengesteuerten Schatz fruchtbringend zu verwalten. Deshalb leben wir der Hoffnung, daß unsere Bitte nicht ungehört in deutschen Landen verhallen werde.

Der Ausschuß der deutschen Kaulbach-Stiftung in Nürnberg:
Erster Vorstand: F. C. Mayer,        Zweiter Vorstand: S. Soldan,
Hofrath und Professor an der        Hofbuch- und Kunsthändler.
königl. Kunstschule.         
Secretär: R. Geisler, Maler.
H. Beckh. Rechtsanwalt. Dammer, königl. Bezirks-Gerichtsrath. Egloff, Kupferstecher. W. Heinrichsen, Fabrikant. Hösch, Maler. C. Jäger, Maler und Professor. Klingenstein, Bildhauer und Professor. Freiherr von Kreß, Rechtsconcipient. S. Pickert, Kunsthändler. Richter, Kaufmann. L. Ritter, Maler. Rorich, Maler. Schüßler, Officiant. Schweigel. Lieutenant a. d. E. Seitz. Kaufmann. Tümmel, Buchdruckereibesitzer. Wanderer, Maler und Professor.“


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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