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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

sodaß für rasche Leerung und Füllung des Bassins auch bei dem lebhaftesten Besuche der Anstalt ausreichend Sorge getragen ist. Vollständig wird das Bassin in anderthalb Stunden entleert und in drei Stunden gefüllt. Auch wird die größte Reinlichkeit des Wassers dadurch gehütet, daß Waschungen darin nicht gestattet und rings an den Wänden des Bassins Spucklöcher angebracht sind.

Wenn für die Frauen und Mädchen neben der obengenannten „neuen Schwimmanstalt“ auch noch eine besondere Schwimm- und Bade-Anstalt gebaut worden ist, so steht täglich für bestimmte Stunden auch dieses Schwimmbassin, die nothwendige Ergänzung jener Sommeranstalten, den Damen offen, und man weiß, daß die Schwimmmeisterin sich derselben ausgezeichneten Erfolge zu erfreuen hat, wie ihr männlicher College; ja, es wird gesagt, daß der kühne Sprung vom Springplatze der Galerie hinab in’s Bassin von jungen muthigen Damen noch häufiger als von der männlichen Jugend ausgeführt worden sei.

So ist diese „perennirende Wasserlust“ nun schon fast sechs Jahre* in Flor; sie hält ihre Getreuen Winter und Sommer fest und erhält sie gesund, indem sie die Jungen erfrischt und die Alten verjüngt. Jeder, der aus diesem Bade, sei es in die schwüle Sommer-, sei es in die kalte Winterluft, hinausgeht, fühlt sich so gesundheitsfroh, daß er Jeden bedauert, der ihm begegnet und von dem er befürchtet, daß er nie die gleiche Lust mit ihm theile. Und dieses mein Mitleid erstreckt sich weit, über ganz Deutschland hin, das ja immer gesünderer Menschen bedarf und doch das nächste und einfachste Mittel, sie sich zu ziehen und zu erhalten, so sehr vernachlässigt. Wir brauchen hier keine medicinische Abhandlung über Bäder einzufügen; wer es an sich selbst erfahren hat, welch außerordentlichen Einfluß kräftigende Hautpflege auf das Leibliche und Geistige des Menschen ausübt, der wird Propaganda machen für die Ausdehnung dieses Wasserheils, dieser Wasserlust über das ganze Jahr und – über das ganze Volk. Und wenn die Schwimmanstalt des Sophienbades in Leipzig, der Stadt im Herzen Deutschlands, Veranlassung werden könnte zur Weiterverbreitung der Einsicht in ihre außerordentliche Heilsamkeit, so wäre damit ein wahrhaft patriotisches Verdienst erworben und eine neue Wirkungsbahn eröffnet für den Vaterlands- und Volksfreund.

* Der Besitzer des Sophienbades, M. E. Loricke, ließ das Schwimmbassin mit den Douche-Einrichtungen von dem Architekten Münch und dem Maurermeister Siegel-Ullrich erbauen; eröffnet wurde es am 7. Juni 1869.

Friedrich Hofmann.



Gedenkblatt für Georg Büchner.

„Der Mörder Tod schlich nächtlich sich in’s Haus,
Der rohe Knecht zerbrach die zarte Schale
Und goß den hellen Geist als Opfer aus.“
Georg Herwegh an Georg Büchner. 1841.

Es war eine warme helle Sommernacht – die Nacht vom 1. auf den 2. August des Jahres 1834. Glänzend blinkten die Sterne von der Mitte des Himmels herab, während am fernen Horizonte ein beständiges Blitzen leuchtete. Wer sich in jener Nacht auf der Landstraße befand, welche von Frankfurt a. M. nach der Universitätsstadt Gießen führt, der hätte einem Fußreisenden eigner Art begegnen können. Ein Schnürrock mit breiter Brust und hohem Kragen, wie ihn damals die deutschen Studenten zu tragen pflegten, umhüllte eine schlanke, jugendliche Gestalt; der breit herausgelegte Hemdkragen ließ den obersten Theil der Brust offen, welche weiter abwärts durch die stehende, mit einer dichten Reihe von Knöpfen gehaltene Weste bedeckt wurde. Das offene, feine Gesicht mit breiter Stirn und lebendigem Auge, von üppigen dunkelblonden Locken eingerahmt, war lebhaft geröthet von der Eile, mit welcher der Wanderer seine Schritte beschleunigte. Galt es demselben doch darum, in jener Zeit, wo es noch keine Eisenbahnen und Telegraphen gab, die politischen Freunde in Frankfurt und Offenbach vor einer großen sie bedrohenden Gefahr rechtzeitig zu warnen und die Entdeckung einer geheimen zu revolutionären Zwecken in Offenbach errichteten Druckerei unmöglich zu machen! Auf dieser geheimen Presse war der im Juli 1834 erschienene „Hessische Landbote“ gedruckt worden – vielleicht die revolutionärste aller politischen Flugschriften, die je geschrieben worden sind, welche das bezeichnende Motto trug: „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ und welche bestimmt war, das hessische Volk, insbesondere das Landvolk, für die Zwecke der revolutionären Propaganda in Hessen zu bearbeiten. Ihren Mittelpunkt hatte diese Propaganda in dem hessischen Städtchen Butzbach, und ihr Oberhaupt war der bekannte Pfarrer F. L. Weidig, dessen tragisches Schicksal erst vor wenigen Wochen in diesen Blättern einen so vortrefflichen Darsteller gefunden hat. Der Verfasser des Hessischen Landboten aber war derselbe junge Mann, dem wir auf seiner nächtlichen Wanderung von Gießen nach Butzbach, Frankfurt und Offenbach begegnet sind, und der bald nach diesem Ereigniß seinen Namen im deutschen Vaterlande durch seine dichterische Thätigkeit weit bekannter machte, als durch seine politische – es war Georg Büchner, der geniale Verfasser von „Danton’s Tod“, „Leonce und Lena“, „Lenz“ etc., dessen Andenken bekanntlich Georg Herwegh eines seiner schönsten Gedichte gewidmet hat, und der (geboren am großen Leipziger Schlachttage in Goddelau bei Darmstadt) in einem Alter von nur dreiundzwanzigundeinhalb Jahren als Lehrer der Philosophie und der physiologischen Naturwissenschaften an der Universität Zürich am Typhus oder Nervenfieber starb.

Veranlaßt aber war jene Fußwanderung in der Nacht vom 1. zum 2. August dadurch, daß eine halbe Stunde vor Beginn derselben, am Abend des 1. August, Stud. jur. Karl Minnigerode (er lebt jetzt als Prediger der Episcopal-Kirche in Richmond in Amerika) eine größere Anzahl von Exemplaren des „Hessischen Landboten“ zu Wagen in Gießen einzuschmuggeln versucht hatte und dabei in Folge einer an das Ministerium in Darmstadt gelangten Denunciation an einem Thore Gießens verhaftet worden war. Der Zweck von Büchner’s Reise wurde erreicht; aber während seiner Abwesenheit von Gießen ließ der Untersuchungsrichter, welcher Verdacht gegen ihn geschöpft haben mußte, seine Papiere durchsuchen. Man witterte namentlich eine Verbindung mit den revolutionären Elementen in Frankreich, da Büchner von 1831 bis 1833 in Straßburg studirt hatte, während einer durch die Nachwirkungen der Pariser Juli-Revolution politisch sehr aufgeregten Zeit. Glücklicherweise fand man damals nichts Gravirendes, und es gelang ihm im folgenden Frühjahr (1835), sich der ihm später drohenden Verhaftung von Darmstadt aus durch die Flucht nach Straßburg zu entziehen, nachdem er noch sein Drama „Danton’s Tod“ an Gutzkow nach Frankfurt am Main geschickt und bei demselben eine begeisterte Aufnahme gefunden hatte.

Die „Gesellschaft der Menschenrechte“, welche er nach dem Muster der gleichnamigen, schon früher von ihm gestifteten Gießner Gesellschaft im Frühjahr 1834 in Darmstadt gegründet und für welche er eine „Erklärung der Menschenrechte“ geschrieben hatte, löste sich bald nach seiner Flucht auf. Das einsame Gartenhäuschen, in welchem die meist aus jungen Bürgerssöhnen bestehende Gesellschaft ihre heimlichen Zusammenkünfte hielt, steht noch an der sogenannten Dieburger Landstraße, wird aber wohl bald dem vordringenden Häusermeer als Opfer fallen. Wie Wenige unter den Tausenden, welche an schönen Sommertagen diese Straße hinaus nach den herrlichen Buchenwäldern des Kranichsteiner Parks ziehen, mögen dem alten, halbverfallenen Häuschen einen andern als leicht vorbeistreifenden Blick geschenkt und sich Derer erinnert haben, die einst hier in jugendlicher Begeisterung für deutsche Freiheit schwärmten und später so schwer dafür büßen mußten!

Sie waren wohl Alle mehr oder weniger dem dominirenden[WS 1] Einfluß Büchner’s gefolgt. „Allen von uns,“ sagte später einer seiner Mitschuldigen, der inzwischen in Amerika gestorbene August Becker, vor dem Untersuchungsrichter aus, „imponirte er, ohne daß wir es vielleicht uns selber gestehen mochten, sowohl durch die Neuheit seiner Ideen, wie durch den Scharfsinn, mit welchem er sie vortrug. Wenn er sprach und seine Stimme

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: demd ominirenden
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_179.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2022)